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Autor Thema: Metamorphose II (Neubeginn)  (Gelesen 5610 mal)
Greldon
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« Antworten #20 am: 24.Januar.2008, 20:44:14 »

Seine silbernen Schuppen am Rücken reflektierten das Licht unzähliger Lichtquellen, die den Ballsaal nahezu magisch erleuchteten. Die Luft war stickig. Seine Nüstern waren erfüllt von den Düften appetitlicher Speisen - es verwunderte ihn immer wieder, dass er einen Geschmack für rohes Fleisch entwickeln konnte - und den Gerüchen zahlreicher Drachen, so vielfältig in ihrer Art, Herkunft und ihrem Aussehen, dass es ihm schwindelte. An seinen nun viel stärker ausgeprägten Geruchssinn hatte er sich noch nicht vollständig gewöhnt.
Er fühlte sich unbehaglich in seinen Schuppen und seine Flügelmuskulatur schmerzte.  Lange Flüge war er einfach nicht gewöhnt in seinem bisher recht kurzen Drachendasein.
Er blickte sich um und bemerkte einige Blicke, die auf ihn gerichtet waren. Verlegen senkte er seinen Kopf. War es weil ihn die anderen bisher noch nie gesehen hatten in ihrer illustren Runde? Fast ausschließlich Drachen von Rang und Adel waren geladen zu dieser Feier. Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, Elidon den Anlass dieser Feierlichkeit zu verraten und Si’Rakk kannte ihn auch nicht. Anscheinend redeten Drachen untereinander viel, aber sie sagten nichts.
Er seufzte und schüttelte seine Flügel ein wenig. Wie sollte er hier Anschluss finden? Man kannte ihn nicht, beziehungsweise, man wollte ihn nicht kennen. Er konnte es den anderen Drachen nicht verdenken. Schließlich kannte er sich selbst als Drachen auch erst nur seit Kurzem.
Wäre er als Mensch auf einer Menschenfeier gewesen, wäre er jetzt einfach gegangen. Nur, das war in einem anderen Leben – war es wirklich sein Leben gewesen? Als er ein Mensch war. Es war eigenartig. Anfangs hatte er sich gar nicht mehr an seine Vergangenheit erinnern können, er war einfach nur der Jungdrache Elidon, ohne Vorleben, ohne Hintergrund, nur an der Seite Si’Rakks, der Drachenkönigin. In den letzten Tagen aber bahnten sich immer öfters Erinnerungen wie kleine Lichtblitze aus dem Dunkel der Nacht den Weg in sein Bewusstsein.
Doch nun war er der Drache Elidon und hier und jetzt auf diesem Ball.
Wo war nur seine Gefährtin? Suchend blickte er sich um und erhaschte schließlich durch die Drachenmenge einen Blick auf Si’Rakk. Die Goldene war gerade in einem angeregten Gespräch mit der Gastgeberin, einer prächtigen blaugeschuppten Eisdrachin. Immer wieder überwältigt von der Schärfe der Wahrnehmung seiner neuen Drachensinne schnappte er einige Wortfetzen ihrer Konversation auf. Wahrscheinlich erzählte Si’Rakk von ihrer ersten Begegnung, als sie in Falkengestalt seinen Selbstmordversuch vereitelte, von seinen Geschichten, die er damals als Mensch verfasst hatte, und von seiner erfolgreichen Transformation zu einem Drachen.
Elidon seufzte und wollte sich durch die Menge der Drachen hindurchmogeln zu Si’Rakk. Doch offensichtlich waren sie und die Eisdrachin zu sehr in das Gespräch vertieft und es erschien ihm als äußerst unhöflich, sich dazwischen zu drängen.

„Na, mein Junge, amüsierst Du Dich gut?“ Aufgeschreckt schnaubend wandte Elidon den Kopf und seine Stimmung hellte sich ein klein wenig auf. „Nafarion! Schön Euch hier zu sehen. Ihr habt mir gar nicht gesagt, dass Ihr auch kommt.“
„Ich bin auch gar nicht lange da, wollte nur mal sehen, wie es meiner Tochter und Dir hier so ergeht. Schließlich ist es Dein erstes Mal unter anderen Drachen. Alles in Ordnung?“
„Nun ja“, druckste Elidon verlegen herum und blickte zu einer Gruppe bronzefarbener und rotgeschuppten Drachen, die ihn finster und misstrauisch beäugten. „Ein wenig verloren fühle ich mich schon hier. Manche von ihnen würden mich wohl am liebsten zerreißen und ich...“
„Unsinn!“ fiel ihm Si’Rakks Vater ins Wort. „Warum sollten sie auch? Sie kennen Dich ja nicht einmal. Das bildest Du Dir ein, mein Sohn.“
„Ja, eben, weil sie mich nicht kennen, weil ich anders bin vielleicht. Ist doch unter Menschen auch so.“
Nafarion schnaubte: „Du solltest wirklich allmählich aufhören als Mensch zu denken. Du hast das Geschenk des Drachenseins bekommen. Würdige es und lerne wie ein Drache zu leben.“
Zerknirscht senkte Elidon den Kopf. „Ja, Nafarion, wie Ihr wünscht.“
„Nur Mut. Das schaffst Du schon. Du darfst nur nicht erwarten, dass die anderen auf Dich zukommen. Du bist neu in der Drachengemeinschaft, da musst Du den ersten Schritt tun. Si’Rakk und ich helfen Dir dabei, aber Du musst schon die Initiative ergreifen. Und hör endlich auf mit diesem ihr und euch. Du bist schließlich nun Teil meiner Familie.“
„Ich…“, doch Elidon sprach ins Leere, denn so plötzlich wie der alte Drache aufgetaucht war, verschwand er auch wieder.
Si’Rakk hatte anscheinend einen neuen Gesprächspartner gefunden, denn der Silberdrache konnte sie nirgendwo mehr ausmachen.
Elidon streckte noch einmal seine Flügel und bewegte sich zum Ausgang hin.
„Ein wenig frische Luft um die Nüstern wäre jetzt nicht schlecht“, dachte er sich. Doch gerade als er sich durch den Ausgang in die warme Sommernacht schieben wollte, spürte er einen unsanften Stoß vor seine Brust und ein drohendes Knurren ließ ihn innehalten.
„Pass doch auf, Du ungeschickter Tölpel!“ Feindselig starrte ihn der schwarze Drache aus gelb glühenden Augen an.
„Macht der Fremde Dir Ärger, Cassiopeius?“
Die arrogant klingende Stimme des neu hinzugekommenen Drachen ließ Elidon erschrocken zusammenzucken. „Lord Silberfang!“ entfuhr es ihm.
Bedrohlich rückte ihm der große Silberdrache auf die Pelle und Elidon wurde sich sehr schnell bewusst, dass er im wahrsten Sinne des Wortes in der Klemme saß.
„Was... was wollt Ihr von mir?“ fragte Elidon unsicher.
„Dass Du hier verschwindest, Fremder“, fauchte der schwarze Drache und gab ihm einen weiteren Rempler.  
„Aber, was habe ich euch denn getan?“
„Du gehörst hier nicht her. Du bist kein Drache und Du wirst nie einer sein“, zischte Silberfang. „Wenn Du uns noch einmal vor die Schnauze kommst, werden wir uns Deines lächerlichen Körpers annehmen. Und ich versichere Dir, Du wirst uns dann um den erlösenden Tod anbetteln!“
Am liebsten hätte Elidon den Silberdrachen gefragt, ob man ihn für seine damalige Aktion am Marktplatz denn nicht zur Rechenschaft gezogen hätte, doch er war klug genug, diese Frage zusammen mit seinem Stolz herunterzuschlucken. Gegen die beiden Drachen hätte er im Kampf niemals eine Chance gehabt.
Ängstlich, doch auch zu einem gewissen Grade trotzig musterte er zuerst den schwarzen Drachen und dann den silbernen, der mittlerweile eine sehr bedrohliche Haltung eingenommen hatte.
 „Ich... ich gehe ja schon“, lenkte er schließlich ein. „Ich suche nur noch rasch Si’Rakk. Ich bin mit ihr zusammen hier.“
„Nein!“ grollte Silberfang. „Du verschwindest auf der Stelle. Ansonsten wirst Du Dich zu Fuß aus dem Staub machen müssen, wenn wir Dir gleich Deine Flügel ausgerissen haben.“
„Lord Silberfang, Cassiopeius! Seid ihr völlig übergeschnappt? Lasst sofort diesen Drachen in Ruhe!“
Aus der umstehenden Menge löste sich ein imposanter Drache, dessen Schuppen in dunkelstem Kupferglanze erstrahlten. Elidon erinnerte sich vage daran, ihn schon einmal gesehen zu haben und da fiel es ihm auch schon ein: Er war der Älteste des Ältestenrates. Ihm folgten dicht auf Si’Rakk und die Eisdrachin. Zornig funkelte Cassiopeius die drei hinzugekommenen Drachen an. „Halt Ihr Euch da raus. Das ist eine Sache zwischen ihm und uns.“
„Das glaube ich kaum!“ Die Eisdrachin zitterte vor Zorn. „Dies ist mein Fest und er ist mein Gast in meiner Behausung, so wie Ihr anderen auch alle. Ich dulde nicht, dass in meinem Palast irgendwer irgendwem auf den Schwanz tritt! Habe ich mich da klar ausgedrückt?“
Trotzig starrten Silberfang und Cassiopeius in die eisblauen Augen der Drachin. Doch diese hielt ihren Blicken stand und schließlich trotteten sie davon. „Darüber reden wir noch, ehrwürdiger Greis“, raunte Cassiopeius im Weggehen dem kupferfarbenen Drachen zu. Der Ratsälteste stieß einen leisen Seufzer aus und wandte sich nun Si’Rakks Vater zu, der sich mittlerweile wieder dazu gesellt hatte. „Kannst Du ihn aus weiteren Schwierigkeiten heraushalten, Nafarion?“
Vier Paar Drachenaugen waren auf Elidon gerichtet und dieser raschelte nervös mit seinen Flügeln. „Ich… ich würde vielleicht lieber gehen“, sagte er leise und starrte betreten auf den Boden. Er wollte der Gastgeberin nicht in die Augen sehen.
Eine kleine, jedoch kräftige Tatze griff nach seinem Kinn und zwang ihn aufzublicken. Es war die Eisdrachin, die ihm ein warmherziges Lächeln schenkte: „Mein Junge, Du darfst das nicht überbewerten. Dich trifft jedenfalls wirklich keine Schuld. Ist das bei den Menschen nicht auch so, dass man nicht von allen Menschen gemocht wird?“
Elidon erwiderte nichts darauf, denn er spürte, dass diese Frage ironisch gemeint war. Fast flehentlich ließ er seine Blicke von der Eisdrachin zu Si’Rakk und ihrem Vater gleiten. Dieser räusperte sich leise und die Drachenkönigin ergriff das Wort: „Nun, ich denke, es ist schon spät. Wir haben doch noch einen etwas längeren Nachhauseweg vor uns. Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft.“
„Wartet!“ rief die Gastgeberin und eilte auf Elidon zu. Sie platzierte einen zärtlichen Kuss auf seine Schnauzenspitze und achtete dabei sorgfältig darauf, dass sie von möglichst vielen ihrer Gäste bei dieser Geste gesehen wurde. „Gehe hin in Frieden, mein Sohn“, verabschiedete sie ihn und wandte sich an Si’Rakk: „Majestät, es war mir eine sehr große Ehre, dass Sie mich in meiner bescheidenen Behausung besucht haben zusammen mit Ihrem Vater und mit Ihrem Gatten.“
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« Antworten #21 am: 24.Januar.2008, 20:44:47 »

Ein kühler Wind war plötzlich aufgekommen, als sie sich ihrer Behausung näherten. Si’Rakks Vater hatte einen anderen Weg eingeschlagen. Er würde am nächsten Morgen noch einmal für den Flugunterricht vorbeikommen, auch wenn sich Elidon mittlerweile schon ganz wacker in der Luft hielt.
Während des gesamten Fluges hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt und schließlich brach die goldene Drachin das Schweigen: „Du bist so still. Was bedrückt Dich, Elidon?“
„Dass ich Dir den Abend versaut habe. Dass ich Dich blamiert habe“, entgegnete der Silberdrache bitter.
„Unsinn!“
„Doch. Ich habe die Party gesprengt. Wenn ich mich nicht in Dein Leben gedrängt hätte, dann wäre Dir diese Blamage mit mir heute Abend  erspart geblieben. So aber bin ich in dieser Welt immer das fünfte Rad am Wagen.“
„Was soll das denn bedeuten?“ fragte Si’Rakk, die sich immer noch nicht daran gewöhnt hatte, dass ihr Gefährte auch nach seiner Wandlung viele Begriffe und Redewendungen aus der Sprache der Menschen weiter verwendete.
„Dass ich hier überflüssig bin, dass ich im Weg stehe, dass man mich hier nicht gebrauchen kann“, fuhr Elidon auf und er schlug seinen Schwanz wütend hin und her, was ihn beinahe aus dem Gleichgewicht und damit zum Absturz gebracht hätte. Die Schwänze dienen den Drachen unter anderem als Steuerruder.
„So etwas darfst Du niemals mehr sagen“, fauchte Si’Rakk und ihre Augen glitzerten rötlich.
„Hast Du denn nicht mitbekommen, wie Dich die Eisdrachin beim Abschied genannt hat?“
„Nein, wie hat sie mich denn genannt?“
Endlich erreichten sie ihr Zuhause.
„Sie hat Dich als meinen Gatten bezeichnet“, sagte Si’Rakk und faltete ihre Flügel nach der Landung ordentlich zusammen. Nur ein paar Augenblicke später setzte Elidon auf. „Na und?“ fragte er. „Was bedeutet das?“
Si’Rakk warf ihm einen empörten Blick zu und ihre Augen glühten rot. Doch dann lächelte sie still in sich hinein und ließ ihre Stimme möglichst beiläufig klingen, als sie die Höhle betrat: „Das soll heißen, dass Du in naher Zukunft mehr denn je gebraucht wirst. Ich bin guter Hoffnung!“


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