Eine meiner Lieblingslegenden. Urteilt selbst darüber.
In Rötha bei Leipzig gibt es eine halbfertige Kirche. Das liegt nicht etwa daran, das erst kürzlich mit dem Bau begonnen wurde, sondern ist schon seit Jahrhunderten ein vertrauter Anblick für die Eingeborenen. Gästen der Stadt fallen zwei Dinge auf. Einmal natürlich, dass sich in dieser
ewigen Baustelle eine der beiden Silbermannorgeln Röthas verbirgt, und zum anderen, dass die Marienkirche, wäre sie denn fertig geworden, wirklich enorme Ausmaße für so ein kleines Städtchen hätte. (Sie ist tatsächlich der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts zerstörten Leipziger Universitätskirche nachempfunden.) Um zu erfahren, warum dem so ist, machen wir mal eine kleine Zeitreise zum Beginn des 16. Jahrhunderts.
Wie der Leisniger Chronist zu berichten weiß, erhob sich im Jahre 1508 ein groß Geläufe gen Rötha, nachdem einem Schäfer die Mutter Maria in einem Birnbaum erschienen war. Als daraufhin ein krankes Schaf von der Rinde des Birnbaums zehrte, gesundete es auf wundersame Weise. Natürlich war das die Attraktion und alsbald beschlossen die Nonnen des Leipziger Klosters, dass man in Erinnerung an das Birnbaumwunder eine große Wallfahrtskirche errichten müsse. Gesagt, getan.
Ab hier wird sich die Überlieferung uneins. Klar ist, dass der Bau der Kirche begann und das man ihn Jahre 1520 plötzlich einstellte. Nun könnte man einfach behaupten, der im Zuge der beginnenden Reformation eingetretene Geldmangel hätte die Fertigstellung verhindert. Klingt logisch, aber die mündliche Überlieferung hält eine andere Variante bereit.
Danach fiel nämlich bei Nacht ein Drache/Lindwurm über die Baustelle her und machte die Arbeit immer wieder zunichte. Das ist sogar nachvollziehbar. Wenn ich ein Drache in dieser Gegend wäre, würde ich mir die einzigen Hügel der Region aussuchen, um mein Revier im Blick zu behalten. (Oder ein Feldherr, denn während der Völkerschlacht 1813 wurde Rötha aus genanntem Grunde Hauptquartier der Alliierten.) Und unweit der Marienkirche muss man seinerzeit einen ganz wunderbaren Blick über das noch unverbaute, weite Auenland gehabt haben. Natürlich brachten die Menschen relativ wenig Verständnis für die Bedürfnisse des Drachen auf und schon gar nicht der Schutzheilige der Stadt, welcher St. Georg ist. Selbiger ließ es sich nicht nehmen, persönlich zu erscheinen und den armen Drachen hinzuschlachten.
Traurige Geschichte, wenn wir mal ganz inoffiziell werden wollen, gibt es noch einen Lichtblick. Böse Zungen behaupten nämlich, der Drache hätte überlebt und einige Jahrhunderte im Verbogenen gehaust. (Zum Beispiel unter dem Groitzschberge, wo die meisten Sagegestalten Röthas zuhause sind.) 1932 schubste er dann aus Rache den Turm der Georgenkirche um, bevor er sich einen freundlichen Lebensraum suchte. :wink
Gruß,
Tom