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Autor Thema: Tränen für die Verdammten  (Gelesen 30783 mal)
Azarun
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« am: 30.Mai.2005, 18:41:59 »

Ja, es ist so weit, ihr müsst mal wieder als Tester für meinen...ähm..."Einfallsreichtum" herhalten, bevor ich die Geschichte, die diesmal etwas länger wird, veröffentlichen kann.
Ich hab versucht sie ausführlicher und düsterer zu gestalten, aber mal sehen wie's geworden ist...


Tränen für die Verdammten

Epilog
„Was ist ein Fluch? Anfangs dachte ich, die Verbannung wäre der Fluch, tatsächlich aber, sind es die vielen unwichtig erscheinenden Details, die den wirklichen Fluch darstellen.
In gewisser Weise wurde ich belohnt: Herr eines eigenen Reiches, Anführer einer eigenen Truppe an treuen Gefolgsleuten, und so weiter.
Allerdings, mein Reich ist die Hoffnungslosigkeit, die Kälte, der Hass.
Meine Gefolgschaft sind verlorene Seelen. Erzdämonen, Todsünden, das sind zwei Namen aus ihrem sehr reichen Namensreservoir. Die Einen kamen mit mir, weil sie an mich glaubten, die Anderen, weil sie meine Freunde waren, einige, weil sie mich liebten.
Süße Ironie. Mich, das einzige Geschöpf, das die Fähigkeit zu Lieben eingebüßt hat, dass empfinden sie als begehrenswert.
Was ist es? Ist es meine schöne Gestalt? Mein Gesicht? Meine Art zu Reden? WAS IST ES?
Verfluchtes Dasein!
Dreimal verfluchtes Dahinvegetieren auf dieser elenden Welt! Tod und Feuer will ich über alles bringen, was mich erzürnt, Krieg und Verderben unter die, die mich hierher verbannten!
Und im Zeichen der Rache werde ich mich höher erheben als sie es jemals zu denken wagten, auf dass sie erkennen, dass Luzifer Morgenstern, der glorreiche Dunkle Engel, keine Spiele mit sich spielen lässt.
Feuer ist mein Blut, Eis sind meine Augen. Wie ein Schwert will ich unter meine Peiniger fahren. Der Verräter wird büßen, mein Schöpfer wird für seinen Verrat zahlen, bei allem Heiligen, das ist mein Schwur. Egal wie viele Jahre vergingen und egal wie viele noch vergehen werden, ich werde nicht rasten. Die Welt der Menschen ist das Tor, das Tor meiner Rache. Ich werde es aufstoßen und eine grausame Herrschaft üben, bis sich der Verräter endlich zeigt. Mein ist die Rache, so steht es schon in der Bibel. Mein ist die Rache...Mein1 MEIN! Niemand treibt seine Spiele mit mir, nichts verbannt mich in ein Exil. Das es trotzdem passiert ist, ist für mich eine Schmach, die es auszugleichen gilt.
Doch noch ist es nicht soweit... Noch bin ich nichts als Satan, ein Schatten meiner selbst...
Allerdings, wer weiß, vielleicht ist die Zeit bald gekommen. Zeit, wir haben noch so viel Zeit.“

Ein Pergament dieses Textes wurde 1998 bei einer Razzia in der Villa eines reichen Sammlers gefunden und von der Polizei sichergestellt. Ein neutraler Sachkundiger hatte das Dokument im Dienste dieses Sammlers auf Echtheit und Alter geprüft und kam zu dem Schluss:
„Echt und nahezu 1000 Jahre alt. In einem Anhang, der in anderer Sprache verfasst wurde, wird erkennbar, dass die Worte von einem Verrückten in einem mittelalterlichen Dorf gesprochen und vom dortigen Pfarrer niedergeschrieben wurden. Ich würde mir keine Gedanken über die Echtheit des Pergaments machen, sondern über die des Textes.“

Eine gesonderte Kommission, die auf Anraten der katholischen Kirche aus Sachverständigen einiger Institutionen, sogar des FBIs, hinzugezogen wurde, stellte diesen Bericht in Frage und fertigte einen Eigenen an. Er klang ein wenig anders.
Die öffentliche Stellungnahme war:
„Eine äußerst raffinierte Fälschung, jedoch konnte die Entstehung genau auf das 18 Jhd. datiert werden, in dem einige solcher Fälschungen gefertigt wurden. Das Dokument wird als nicht länger relevant eingestuft und bereits vernichtet.“

Nichts von Alledem geriet in irgendeiner Form an die Öffentlichkeit. Bereits fünf Jahre nach Entdeckung des Textes hatte sich das Feld der Leute, die das Pergament gesehen oder es sogar berührt hatten bereits durch ungeklärte Straßenüberfälle, Verkehrsunfälle und sogar Geiselnahmen halbiert. Acht Jahre danach gab es schon niemanden mehr, der bezeugen konnte, dass der Text überhaupt existiert hatte. Die Leute auf die es ankam, schienen vom Pech verfolgt. Bis in den Tod.





Kapitel 1
Irgendwo, in irgendeiner Schule, vor 11 Jahren
„Und wieder voll abgeräumt...“
„Mach dir nix draus, Mike.“
Mann, ich mach mir was draus! Der Typ gibt mir ne 6 grinsend auf die Hand, aber schau dir das doch an! Überhaupt kein Fehler, trotzdem durchgestrichen. Und dann die Bemerkung: Falscher Ansatz! PAH! FALSCHER ANSATZ!“
„Mein Gott, dann geh doch zum Gerner hin und frag ihn danach.“
„Das mach ich auch.“ Versprach Mike und wandte sich dann wütend seinem Matheheft zu.
Sein Mathelehrer, Rudolf Gerner, teilte weiterhin die Schulaufgaben aus... Schon zum zweiten Mal in diesem Halbjahr. Fast nicht mehr auszugleichen. Vermutlich würde das Zeugnis einen Mathe 5, wenn man optimistisch war höchstens eine 4, beinhalten. Nicht sehr toll, denn dieses Zeugnis war seine Mittlere Reife.
Endlich war Gerner mit dem Austeilen fertig.
   „Ich fürchte, einige von euch werden das Schuljahr nicht überstehen.“ Meinte er und seufzte gespielt. Gemeinerweise fügte er nach dem Seufzer noch laut hinzu: „Vor allem du solltest aufpassen, Parker. Bloß weil deine Mutter Amerikanerin ist, musst du nicht denken, dass du über allem stehst.“
„Ich hab nie irgendetwas ähnliches gedacht“ wollte Mike über die ganze Klasse hinweg schreien, aber die Empörung ließ ihm nur den Mund aufklappen.
   „Mensch, denk halt einfach an deine Hanna, dann geht’s dir bestimmt gleich besser.“ meinte sein Banknachbar
   „EINEN WERD ICH DENKEN!“ gelang es Mike endlich zu rufen, dummerweise hörte ihm niemand mehr zu.
Der Rest der Stunde floss dahin wie zäher Brei. Gerner erzählte etwas von vergessenen Werten und verglich die „Jungend von heute“ sogar mit Logarithmen. Eigentlich alles wie immer...typisch verrückter Lehrer halt.
Endlich unterbrach das befreiende Klingeln der Schulglocke den einschläfernden Lehrer.
Mike eilte sofort zu ihm ans Pult, bevor Gerner wie so oft abhauen konnte ohne seine Notengebung zu begründen. Mike rempelte dabei einen Klassenkameraden an.
   „Verfluchter Hundesohn, pass auf wo du deinen Fast Food Körper hinbewegst.“ Versprühte Maier seine Meinung über Mikes fast schon dürre Gestalt in Form eines Spukeregens in das Gesicht eines vorbeigehenden anderen Schülers.
Mike beachtete ihn nicht, sondern ging entschlossen auf Gerner zu.
   „Herr Gerner, wieso habe ich wieder eine 6. In meiner Arbeit finde ich nichts als kleine Rechenfehler.“
Gerner hob ekelhaft grinsend seine Visage ins das Licht der Sonne und wischte sich fettige Haare von der Stirn.
   „Dafür gibt es zwei Gründe, Parker. Zum ersten will ich dir damit zeigen, wie hart man arbeiten muss um zu etwas zu kommen, zum zweiten...“ er machte eine Pause, die das Gesagte besonders betonen sollte, das Ganze jedoch ins Lächerliche zog.
   „Und weiter?“ fragte Mike schwer schluckend.
   „Zum Zweiten hab ich dich auf meiner Liste. Du wirst dieses Jahr nicht überstehen. Und wenn’s nach mir geht und ich dich nächstes Jahr auch noch kriege, dann das Nächste auch nicht!“ damit wandte er sich zum gehen und hinterließ einen völlig perplexen Mike.
Perplex zumindest, bis ihn jemand hart an der Schulter herumriss.
   „Ey, wenn ich mit dir rede hörst du zu!“ brüllte Maier und schubste ihn gegen die Tafel.
   „Was soll das, hm? Ich will keinen Ärger, also bitte...“
   „Keinen Ärger, hm? Der Yankee will keinen Ärger. Ich sag dir was...“ begann Maier, wurde jedoch von einem halbgekreischten Ruf unterbrochen:
   „Hubsi, da bist du jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!“
Ein in grelles Gelb gekleidetes Etwas flog an Mike vorbei und warf sich in Maiers Arme, der genervt zur Decke sah und leise flüsterte: „Wir sehen uns, Parker.“
Der Wirbelwind konnte ohne den durch Bewegungsenergie verursachten Verschwimmeffekt als Presswurst in gelbem Kleid und nach reiflicher Überlegung als Lissy Hospel klassifiziert werden, was Mike noch einen Grund gab schnell zu verschwinden.
Pause stand an...





   „Ich weiß nicht mehr, was wir mit dir machen sollen, mein Sohn.“ Sagte sein Vater monoton und versuchte hilflos den Kragen seines Hemds zurecht zuzupfen.
   „Es ist nicht meine Schuld,“ betonte Mike, „aber Gerner hat mich auf dem Kieker und will...“
   „Vielleicht wäre Nachhilfe das Richtige.“ Mischte seine Mutter sich ein und band seinem Vater die Krawatte.
   „Aber ich sagte doch, dass es nicht m...“ begann Mike.
   „Meinst du das passt so, Schatz?“ fragte sein Vater dazwischen.
   „Hallo? Gerner will mich aus der Klasse haben und...“
   „Ich denke schon. Das Jackett passt gut.“
   „Hört ihr mir überhau...“
   „Natürlich mein Sohn, ich denke wir werden uns mal nach einer Nachhilfelehrerin, für dich umsehen. Deine Mutter und ich müssen jetzt los, du weißt ja, der Termin mit den Bankleuten.“ Mikes Vater grinste, als hätte er einen Brüller von der Stange gelassen, von dem Mike sich erst erholen musste und war dann schon samt Autoschlüssel im Flur verschwunden.
   „Wir werden erst morgen Mittag zurückkommen, Michael, also pass auf deine Schwester auf. Bis morgen, mein Kleiner.“
   „Ich bin nicht dein Kleiner, du Schlampe, du!“ Murmelte Mike vor sich hin, als seine Eltern draußen waren, und ging enttäuscht die Treppe zum Zimmer seiner Schwester hinauf.
Das war der einzige Mensch in diesem Haus, der nicht irgendwelche Probleme hatte. Mike hatte schon begonnen sich zu fragen, ob seine Eltern vielleicht in ihrem jeweiligen Büro lebten und nur hin und wieder zuhause Ferien machten, um nach ihren Kindern zu sehen.
Seine Schwester lag ruhig da und schlief.
Er versuchte sich zu erinnern, ob er von seinen Eltern auch so allein gelassen wurde, als er vier Jahre alt war. Hoffentlich nicht, denn er hatte keinen großen Bruder gehabt, der auf ihn aufpassen konnte.
Die Probleme häuften sich...
Mike wusste sich keinen Rat mehr und griff zum Telefon.
Hanna konnte helfen. Sie konnte immer helfen, wenn es ihm schlecht ging, was in letzter Zeit schon Standart geworden war. Sie hatte nie Probleme, nie Ärger. Vielleicht, weil sie etwas hatte, woran sie glauben konnte. An Gott glaubte Mike schon lange nicht mehr.
Er wusste noch, wie er früher oft gebetet hatte, nur um dann am nächsten Morgen enttäuscht zu werden.
Mit 16 Jahren beginnt man zu zweifeln, das ist normal, das macht die Jungend.
Mike zweifelte nicht, er wusste. Wenn es einen Gott gab, dann war es Satan, denn dem allein würde er es zutrauen immer wieder mit neuen Schikanen auf ihn zu warten. Einen guten Gott konnte es nicht geben, wenn überall auf der Welt Leute starben, Hungersnöte ausbrachen und Mike von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag lief!
Hanna glaubte jedoch fest daran, das einzige, was ihn irgendwie an ihr störte.
Und trotzdem liebte er sie. Zwar waren sie durch nahezu 400 km Entfernung bei jedem Gespräch auf ein Telefon angewiesen, doch bei den wenigen Gelegenheiten, an denen er sie sehen konnte, stellte er immer wieder aufs Neue fest wie viel sie ihm bedeutete.
   „Ress.“ Meldete sich die Stimme von Hannas Mutter, die exakt so klang wie die ihrer Tochter, doch etwas mehr Akzent hatte.
   „Hallo, ich bin es, Michael. Ist Hanna da?“
   „Ja, sie ist in ihrem Zimmer. Warte kurz, ich gebe sie dir.“
Mike bedankte sich nicht. Das ließ seine Laune nicht zu.
   „Hey.“ Begrüßte Hanna ihn mit ihrer melodischen Stimme.
   „Hey. Wie geht’s dir?“ fragte Mike etwas tonlos.
   „Ganz gut soweit. Was ist denn los bei dir? Du klingst so niedergeschlagen.“
Er wollte ihr alles erzählen, doch Mike konnte es nicht.
   „Es ist...nichts.“ sagte er und verfluchte sich in Gedanken dafür.
   „Das klingt aber ganz anders. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.“
   „Ich sagte doch, es ist nichts. Weißt du, der Tag war ‚anstrengend’.“ Er hoffte inständig, dass ihr die Betonung des Wortes „anstrengend“ nicht auffiel.
   Hm...ich werde euch Männer nie verstehen.“ Seufzte Hanna in den Hörer.
   „Ja, vielleicht ist das auch gut so.“ murmelte Mike so, dass sie es nicht hören konnte.
Mittlerweile war er schon kurz davor einfach aufzulegen. Es war ein dumme Idee gewesen sie anzurufen. Was hatte er sich davon erhofft? Trost? Wie sollte das gehen, wenn er ihr nicht mal sagen konnte, was los war.
Er dachte an seinen heutigen Tag.
Begonnen hatte es eigentlich wie immer. Der Schulbus war ihm vor der Nase weggefahren und Mike musste auf den nächsten Zug warten. Mit dem Ergebnis, eine Stunde zu spät zur Schule zu kommen.
Die Geschichte mit der Matheschulaufgabe wollte er nicht einmal in Gedanken ein weiteres Mal durchgehen.
Zumal die Pause auch nicht ohne gewesen war. Maier hatte ihn aufgesucht, wohl um ein weiteres Mal zu beweisen, wer der Klassenrüpel war. Hätte Mike sich nicht in weiser Voraussicht auf die Bank in der Nähe des Lehrerzimmers gesetzt, wäre die Pause mit Prügeln geendet.
Obwohl er alles andere als schwach war, wusste Mike, dass er gegen Hubert Maier keine Chance hatte. Sein tägliches Training war schon ein Fixpunkt in seinem ziemlich verkorksten Leben geworden, aber trotzdem: Kraft hilft nicht viel, wenn man sie nicht einzusetzen weiß, und Mike war kein Schläger.
Er hatte sich noch nie geschlagen.
Vielleicht wurde es ja Zeit.
   „Hallo? Ich rede mit dir!“ Hannas Stimme rief ihn in die Gegenwart zurück.
   „Was? Entschuldige, ich habe kurz nicht zugehört.“
   „Ich fragte, ob wir uns treffen sollen.“
   „Was? Aber wo? Es sind doch sechs Stunden Zugfahrt von mir bis zu dir.“
   „Schon, aber ich kann mir dieses Wochenende Zeit nehmen, wenn du möchtest.“
   „Ja, das würde mich freuen. Treffen wir uns wieder in diesem Dorf, das genau auf halbem Weg liegt?“
   „Ja. Ich freue mich, wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen.“
   „Das ist toll. Die Züge wie beim letzten Mal?“
   „Ja.“
   „Perfekt.“
   „Bis dann.“
   „Bis bald, ich liebe dich.“ Beendete Mike das Gespräch und legte auf ohne abzuwarten, was sie entgegnen würde.

Er erhob sich und ging im Zimmer auf und ab.
Ein wirklich grandiose Idee mit dem Anruf. Bestimmt hatte er ihr jetzt Sorgen und Befürchtungen aufgehalst.
Andererseits würde er sie jetzt sehen. Bald schon. Noch Donnerstag und Freitag rumbringen, dann würde er sie sehen. Und er hatte dann zwei halbe Tage und eine Nacht mit ihr...
Als er und Hanna sich übers Internet kennen lernten, dass wusste Mike noch genau, hatten sie beschlossen sich in einem kleinen Kaff, das genau in der Mitte zwischen seinem und ihrem Zuhause lag, zu treffen. Da hatten sie sich dann auch liebengelernt, und schließlich sogar noch in einer Pension dort übernachtet.
Das war vor einem halben Jahr.
Mike schob mit einiger Willenskraft diese Gedanken beiseite und ging in den Keller des Hauses.
Seine Eltern waren ziemlich reich und hatten sich dort einen kleinen Schießstand einbauen lassen. Vielmehr sein Vater hatte das getan, seine Mutter hatte erst davon erfahren, als das Ding schon zur Hälfte fertig war.
Mike hasste es, dass seine Eltern genug Geld hatten, um Probleme einfach aus dem Weg zu zahlen. Wie gerne hätte er sich selbst eine Zukunft erarbeitet, selbst wenn es hart war, doch sein Vater nahm das alles in die Hand. Es schien ihm nicht einmal aufzufallen, dass er seinen Sohn damit total weltfremd erzog.
Der Schießstand allerdings, war ein guter Einfall gewesen, zumal Mike ein exzellenter Schütze war. Sein Vater besaß einen Waffenschein und einen Revolver, zwei Pistolen und sogar eine MP.
Mike hatte keine Ahnung wie die Dinger hießen, aber schießen konnte er damit. Anfangs hatte sein Vater nur sehr widerwillig mitangesehen, wie sein Sohn auf Scheiben schoss, mittlerweile ermutigte er ihn doch endlich einem Verein beizutreten.
Jetzt stand Mike vor dem Waffenschrank und fragte sich, ob man bei einem Kopfschuss noch Schmerzen verspürte.



Kapitel 2
Der Tag begann wie die meisten. Mike erwachte von Piepsen des Weckers, duschte und zog sich dann schnell an. Seine Schwester hatte ihn in der Nacht mehrmals gefordert.
Nun sollte sich die Haushälterin, ein junges Mädchen, das während der Arbeit mit Vorliebe Metal hörte, und sich nur allzu gerne von schweren Jungs abschleppen ließ, auf sie aufpassen.
Die kam jedoch nicht, und solange sie nicht da war konnte Mike nicht weg.
Schließlich erschien das Mädchen doch, wenn auch eine Viertelstunde zu spät.
Und trotz allem hätte Mike den Bus noch erwischt, wenn ihn nicht der Fahrer schon von Weitem gesehen hätte, um dann die Tür kurz bevor er ganz an der Haltestelle angekommen war zu schließen und davonzufahren, so als würde er den gestikulierenden 16-jährigen am Straßenrand nicht sehen.
Mike hätte am Liebsten geheult. Schon wieder den Bus verpasst. Das konnte heiter werden...
Allerdings, in diesem Moment sah er ihn zum ersten Mal.
Der Mann stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sah herüber.
Eigentlich konnte Mike gar nicht erkennen, ob der Kerl tatsächlich hersah, denn seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.
Die Brille war schwarz, genau wie alles andere an ihm auch. Er trug schwarze Lederstiefel, die ihm bis zum Schienbein gehen mussten, und um die sich blitzende silberne Ketten schlängelten. Seine Hose war ebenfalls aus schwarzem Leder, jedoch vom Knie abwärts an der Seite aufgeschnitten und mit blitzenden Lochnieten durchstoßen.
Das blutrote Hemd war mit Sicherheit aus Seide und kam unter dem ledernen Kutschermantel zum Glück nur wenig zur Geltung, sonst hätte das ganze Outfit sofort wie das eines Zuhälters gewirkt.
So machte es aus seinem Träger eine imposante Erscheinung. Der Gürtel war Ausgangsort weiterer Ketten, die irgendwo in der Hose verschwanden oder sogar bis zu den Stiefeln fielen.
Bestimmt wurde jeder Schritt dieses Mannes mit einem lauten Klirren begleitet.
Mike hatte sich so in die Betrachtung der Klamotten dieses seltsamen Mannes vertieft, dass er erst zu spät erkannte, dass die Gestalt den Kopf leicht nach links, dann nach rechts wand und dann gemächlich am Bürgersteig entlang schritt, ganz so als ob dieses Aufzug völlig normal wäre.
Plötzlich fiel Mike siedend heiß wieder ein, dass er schleunigst zum Bahnhof musste, da er sonst den Zug auch noch verpasste. Einen Moment war seine Aufmerksamkeit nicht mehr bei dem Mann und sofort war dieser verschwunden.
Es konnte nicht mit rechten Dingen zu gehen – Mike hatte ja nicht mal weggesehen, sondern einfach nur nicht mehr auf die Gestalt konzentriert - und von einem Augenblick auf den nächsten war sie weg.
Und trotzdem, Mike verschob es, über dieses sehr ungewöhnliche Erlebnis nachzudenken.
Sein Zug wartete nicht.





Wäre die Zugfahrt länger gewesen, hätte Mike noch etwas über diesen Mann sinniert, so hatte er leider nur 5 Minuten.
Schon merkwürdig. Der Bus fuhr fast eine halbe Stunde, während der Zug nach 5 Minuten im Nachbardorf war, aber wie um das auszugleichen, erst viel später abfuhr.
Mike stieg gedankenverloren aus und schlug sofort einen schnelle Schritt in Richtung seiner Schule an. Erhatte keine Chance mehr pünktlich zu kommen, aber wenigstens wollte er nicht mehr als die erste Stunde verpassen.
Die Schule war ein erstaunlich großes Gebäude, obwohl es von außen eher eng erschien.
Wenn man sie zum ersten mal sah, kam einen sofort die Vorstellung eines kleinen Hauses, an das in jede Himmelsrichtung ein Mehrfamilienkomplex angebaut wurde, und wieder und wieder etwas modernisiert wurde, bis der einstige Steinbau unter blanken Stahlträgern und gläsernen Überdachungen versteckt war.
Mike lief schon fast gegen die Eingangstür. Dieses verdammte Plexiglas war nahezu unsichtbar, noch dazu wenn man zu spät kam.
Er öffnete die Tür vorsichtig und spähte in die Aula. Hier kam der moderne Baustil am Besten zur Geltung.
Ein hoher Raum, in dem meistens die Schulkonzerte abgehalten wurden, führte in den Innenhof und über je eine weite Treppe links und rechts in den ersten Stock.
Mike wollte sich gerade auf den Weg zu seinem Klassenzimmer machen, als leise die Musik von „Over The Hills And Far Away“ von Nightwish an sein Ohr drang.
Erschrocken dreht er sich, auf das Schlimmste vorbereitet: eine Begegnung mit dem Direktor, herum, doch stattdessen lehnte an der Wand neben dem Eingang zur Sporthalle der Mann von vorhin.
Mike wäre fast der Mund aufgeklappt, als sich der, mittlerweile mit MP3-Player bestückte Schemen von seinem Platz löste und auf ihn zuging. Anders als erwartet kam kein Geräusch von den Ketten, die blitzend und glitzernd von ihm herab hingen, wie silbernes Lametta von einem Weihnachtsbaum.
Mit einer fließenden Bewegung holte der Mann den MP3-Player aus einer Tasche seines Stoffmantels, schaltete ihn sorgsam aus, zog sich die Ohrstöpsel aus den Ohren und – warf das Gerät lieblos von sich.
Es flog den Bruchteil einer Sekunde durch die Luft und machte dann Bekanntschaft mit der Wand.
Mike war völlig perplex. Vielleicht war das der Grund, weshalb ihm statt einer Begrüßung oder Frage nur ein leises: „Nightwish, hm?“ herausrutschte.
   „Gute Musik. Ich liebe Tarja.“ Meinte der Mann leichthin.
   „Sag mal, verfolgen sie mich?“
   „Mein Name ist Astarod.“
   „Bitte was?“
   „Astarod. Und du kannst du zu mir sagen.“ Astarod sah sich ruhig um.
   „Gut, dann stelle ich die Frage anders: Verfolgst du mich?“ fragte Mike
Von Astarod kam nur ein leises Kichern.
   „Du gefällst mir, Michael. Bis auf den Namen bist du recht cool.“
   „Was gibt’s an meinem Namen auszusetzen?“
   „Ach, nichts. Ich hab da nur immer so ein kleines Déjà vu.“ Erklärte Astarod grinsend und sah zur hoch über ihnen liegenden Decke, als würde er sich an etwas Lustiges erinnern.
   „Okay, bekomme ich jetzt eine Antwort.“ Mike bewunderte sich selbst für seine Unverfrorenheit.
   „Nein.“ Sagte Astarod kurzangebunden und wollte noch etwas hinzufügen, doch Mike fiel ihm ins Wort,
   „Astarod...den Namen kenne ich doch. Is das nich der Name eines Engels, oder so?“
Astarod sah ihn an als hätte er grade gefragt, ob eins und eins vierzehn ist.
   „WIE BITTE? Engel...das war ein Kapitalverbrechen, Junge.“ Grollte er.
   „Ja, aber is das nich so?“ fragte Mike lächelnd, woraufhin Astarod sich die Hand gegen die Stirn schlug.
   „Verdammt, Junge: DÄMON. Es ist der Name eines Dämons.“ Kam es von irgendwo unter der Hand.
Mike gab vorerst keine Antwort, sondern nahm sich Zeit seinen gegenüber zu betrachten.
Astarod sah ziemlich gut aus. Die rabenschwarzen Haare, das markante, edle Gesicht, die große aber sehr muskulöse Statur. Trotzdem gab es etwas, das die Menschen auf der Straße unweigerlich vor ihm fliehen machen musste: Seine Augen.
Astarods Augen waren kalt. Wie zwei tiefe Seen strahlten sie Schwärze aus. Sie hatten offenbar keine echte Farbe, sondern passten sich dem Licht an. Je nachdem wie es auf sie fiel, schillerten sie bunt oder wurden finster.
Zudem zog sich noch eine kaum sichtbare Narbe von seiner Augenbraue bis zur Wange. Vermutlich ein Schnitt, oder etwas in der Art.
Plötzlich nahm Astarod seine Hand vom Gesicht und betrachtete Mike.
Diesem kam es so vor, als wäre das alles zu geplant, einem Theaterstück zu ähnlich. Astarod hatte dieses Gespräch genau so, wie es jetzt verlief, geplant. Seine Gestik war absichtlich so gewählt um Mike Zeit zu geben.
   „Ich habe dich heute schon getroffen.“ Beendete Mike das Schweigen.
   „Ja, ich hab dich beobachtet. Du lässt dir einiges gefallen, nicht wahr...“ Das war keine Frage, aber auch keine Aussage.
   „Ich...“
   „Alle fallen sie über dich her. Verachten dich, schubsen dich herum...und du siehst ihnen zu. Dabei weißt du ganz genau, was in dir steckt. Du bist mehr als man auf Blick sieht. Du bist mehr.
Ein Waffenschrank zuhause als besten Freund. Die Eltern empfinden nichts für dich. Deine Liebe ist zu weit weg als dass du ihr, abgesehen von Schmerz, etwas für sie erübrigen könntest.“ Bestätigte Astarod, als er Mikes Zweifel sah.
   „Ich bin doch ein Verlierer.“ Gab Mike resignierend von sich.
   „Falsch. Aber glaub mir, du wirst es in einer Minute selbst sehen. Sie warten auf dich. Ich bin nur gekommen um dir eins zu sagen: Nutze die Zeit, die dir bleibt. Du bist jetzt alt genug, um mehr zu sehen, von dem, was dich umgibt, und dich umgibt mehr als nur dieses Kaff, dieses Land, dieser Kontinent. Nutze die Zeit und tue das, was du schon immer tun wolltest, denn das kannst du richtig gut. Es liegt dir sozusagen im Blut.“
Astarod sah erschöpft aus, als hätte er seine ganze Überzeugungskraft in diesen letzten Satz gelegt.
Instinktiv spürte Mike, dass Astarod recht hatte. Er hatte den Sachverhalt so kühl und klar dargelegt, dass es mit keiner Logik der Welt zu widerlegen war. Er hatte auf eine gefühllose Art und Weise ausgedrückt, was Mike schon lange spürte.
Dieser war total geschockt. Erst begann der Tag so toll wie immer, dann sprach ihn ein seltsamer Fremder an, der den Namen eines Dämons trug, ihm sagt, dass er von hier abhauen sollte und offenbar die Gabe ausstrahlte, dass er immer und überall die Wahrheit sagte.
Astarod wandte sich zum Gehen und sah nicht mehr zu Mike zurück. Dieser wollte ihm zwar noch folgen, wurde dann allerdings von einem erstaunlich lauten :“PARKER!“ von seinem Vorhaben abgehalten.
Maier stand am Fuße der Treppe, flankiert von zwei massigen Kerlen seiner Clique.
   „Da ist er. Endlich. Ich wusste, dass er wieder zu spät kommen würde.“ Murmelte er feixend zu seinen Jungs, jedoch so laut, dass Mike es mithören musste.
   „Was willst du?“ fragte Mike kalt.
   „Ohoooooooooooo, hat Mister Cool uns Mut gemacht?“ Maier deutete Astarod hinterher, der in diesem Moment durch die Tür Schritt. Doch damit nicht genug, Maier wusste wohl nicht, wann genug war. Er rief Astarod noch hinterher: „Ja, verschwinde besser, wir haben hier zu tun und können dich nicht brauchen. Lauf, sonst schlag ich dich zusammen!“
Astarod ließ sich nicht anerkennen, ob er zugehört hatte. Er setzte nur etwas gelangweilt seine Sonnebrille auf, ungeachtet des Schnees, der noch überall lag, und ging davon.
   „Jetzt zu dir, Parker. Du hättest gestern nicht abhauen sollen.“ Begann Maier eine voraussichtlich sehr lange Rede, wurde dann aber von Mike unterbrochen, der im Moment wirklich keine Lust auf diesen Schwachsinn hatte:
   „Halts Maul, Maier. Geh mir aus dem Weg, verdammte , wie bist du überhaupt aus dem Unterricht geflohen.“
Maier klappte der Mund vor Erstaunen auf.
Leider brauchte er nur den Bruchteil einer Sekunde um sich zu erholen.
Er warf sich regelrecht auf seinen frechen Gesprächspartner und schlug ihm mit aller Kraft in den Bauch.
Mike ging röchelnd zu Boden. Der Schlag hatte seinen Rippenbogen gestreift, was ihm stechende Schmerzen durch den ganzen Körper schießen ließ, die die aufkommende Übelkeit nur noch verschlimmerten.
Aber unter den Schmerzen war noch etwas anderes...eine leise Stimme. Eine leise Vorahnung, die sich empört über diesen Angriff aufschwingen wollte, heraus wollte, Kontrolle erlangen wollte. Mike wehrte sich dagegen, doch er spürte, dass er keine Chance hatte.
Was auch immer es war, es war zu stark. Mike konnte fühlen, wie es sich regte und windete, ein Spalt in seiner Seele sich öffnete und etwas nicht wirklich böses ausspuckte, aber unsagbar fremd und unbekannt. Kalt.
Maier holte bereits zu einem weiteren Schlag aus, als die Stimme aufkam. Fast glaubte er schon Astarods Stimme im Kopf zu haben.
   Na Kleiner? Du lässt dich schon wieder rumschubsen. Hast du nicht Verlangen danach, diese Kerle zu verhauen? Sie zu Staub zu zerquetschen? Verbrennen, ertränken, erhängen...
„Was zur Hölle...?“ fragte sich Mike in Gedanken, und prompt kam die Antwort.
   Die Hölle ist kein Ort, den du sehen möchtest. Komm schon Bruder, wir sind uns zu ähnlich.
„Was? Nein! Du bist nicht mein Bruder!“ rief er in Gedanken aus.
Als Maiers Faust seine Schläfe traf, begann Mikes Dunkler Bruder zu lachen.
Erst umfing Mike fast schon wohltuende Schwärze, dann wurden die Bilder vor seinen Augen wieder klarer und er konnte von einem Moment auf den anderen eine Welle von Schmerz spüren. Sein Kiefer war taub und heißes Blut floss ihm über die Lippen, auf die er sich wohl gebissen hatte.
Zum Glück beließ Maier es dabei.
   „Ich sags dir noch mal, Parker. Yankees haben hier nur eine Erlaubnis zu Leben, wenn sie mir nicht in die Quere kommen.“ Sagte er, mit Spott auf dem fetten Gesicht.
Er und seine drei Kumpane gingen zufrieden die Treppe hoch, bestimmt zurück in den Unterricht. Sie hinterließen einen blutenden Mike in der Aula.
Erst horchte Mike in sich hinein, dann, als er sicher war, dass sein Dunkler Bruder still war, erhob er sich und wischte sich Blut von den Lippen.
Seine Brust tat weh als wollte sie zerspringen und in seinem Kopf dröhnte eine ganze Musikkapelle. Trotzdem klopfte er sich ab und ging wütend zur Bibliothek. Er würde auf keinen Fall in den Unterricht gehen.
Wenn er bis zur Pause wartete, konnte er behaupten, er wäre beim Arzt gewesen, oder irgendwas in der Art. Der Hausarzt hatte Mike schon öfter mit einer, natürlich nachträglichen, Bescheinigung ausgeholfen. Einer der Vorteile, wenn der Vater ein wohlhabender Bankier war.
Und fast hätte Mike es auch geschafft sich eine ruhige Zeit zu machen, wäre da nicht die Bibliothekarin gewesen.
Auch sie war nicht gut auf ihn zu sprechen. Ganz und gar nicht.
   „Parker. Was ist los wieso bist du nicht im Unterricht?“
   „Ich ähhh...wollte kurz...“
   „Schwänzen wolltest du, gib es doch zu. Ich muss das melden.“
Und ich muss einen Verweis kassieren, wegen dir, du Schlampe! Dachte Mike, doch sagte er das natürlich nicht.
   „Nein, nein, Frau Wendler, ich muss dringend eine Ausarbeitung in Physik schreiben und es wäre hilfreich, wenn ich dazu in den Ruheraum der Biblo dürfte.“
   „Biblo, heißt das so bei euch?“ Die Bibliothekarin sah Mike schief an, schloss dann jedoch auf. Zum Glück hatte sie seine aufgeplatzte Lippe nicht bemerkt.


Mikes Eltern kamen nicht heim. Sie hatten so viel Geschäftliches zu erledigen, dass sie gleich auswärts in einem Hotel übernachteten und erst in drei Tagen zurückkommen wollten.
Mike war froh darum, denn so hatte er Zeit sich seinen Entschluss zu überlegen.
Astarod hatte wohl recht. Überall war es besser als hier. Aber war das wirklich ein Grund abzuhauen? Eher nicht.
Zumindest war das Mikes Einstellung an Tag eins, den seine Eltern außerhalb verbrachten. Für solche Fälle ließen sie ihm immer eine Entschuldigung per Telefon ausstellen, damit er sich um seine Schwester kümmern konnte.
An Tag zwei kam der Brief von Hanna.
Mit ihm viel Mikes Entschluss...



Kapitel 3
Los Angeles, Gegenwart
Der Mann hob den Kopf und betrachtete das Gebäude kritisch. Eine alte heruntergekommene Bar. Cherry war sich sicher, dass im Moment nur die Japaner, der Inhaber und seine Tochter da waren.
Vorsichtig bewegte er sich an der Wand entlang. Von hier aus konnte er die Bar gut im Auge halten. Er spürte das vertraute Gewicht der Beretta 93R unter seinem Jackett. Er spürte den sanften Wind durch die Straße wehen. Eigentlich ein schöner Abend. Viel zu schön um zu arbeiten.
Er zog die Pistole, lud sie durch, nahm das Magazin heraus und steckte noch eine Kugel hinein. Ein Schuss mehr, den er vielleicht gleich brauchen konnte.
Dann steckte er die Pistole wieder weg und holte stattdessen die UZI aus dem Metallkoffer neben sich. Bei ihr verfuhr er genauso und steckte sie dann neben die 93R an seinem Rücken unter die Hose.
Genauigkeit, die man sich schnell angewohnte. Er wusste, dass das Messer in seinen Schuhen scharf wie eine Rasierklinge war. Er wusste, dass die Unterarmwurfmesser in seinem Ärmel schnurgerade flogen. Er wusste, dass es in zwei ein halb Minuten Regnen würde.
Schon merkwürdig...er mochte den Regen.
Langsam bewegte er sich über die Straße. Die Tanzschuhe drückten leicht.
Ausgerechnet heute! Eigentlich wollte er heute noch in irgendeinem Club gehen und dort die Nacht versitzen. Womöglich auch noch einen Rausch antrinken.
Und jetzt noch arbeiten.
In diesem Aufzug. Unwillkürlich musste er sich an die Brusttasche greifen. Die verspiegelte Sonnenbrille war noch da. Natürlich, wo auch sonst.
Er setzte sie auf. Wenn schon keine Jeansjacke oder zumindest eine ganz gewöhnliche Jeans, dann wenigstens das.
Vor der Tür blieb er noch einmal stehen.
Im Glas der Tür kontrollierte er den Sitz seiner Krawatte. Schien zu passen. Die Haare? Perfekt. Ah, auf dem Jackett war ein Fleck. Kaum sichtbar, aber an einer ziemlich dummen Stelle. Außerdem sah es so aus, als ob das Blut wäre.
Ein kleiner Risikofaktor, gegen den er aber nichts tun konnte. Das war wieder typisch für Carlo, ausgerechnet den Anzug an dem noch Blut klebte verlieh er.
Langsam betrat der Mann die Bar.
   „Geschlossene Gesellschaft.“ Knurrte jemand von der Theke in der Ecke herüber, aber die imposante Gestalt, die gerade den Raum betreten hatte, beraubte dem Barkeeper der erhofften Wirkung.
Eine Bar konnte man das nur mit viel gutem Willen nennen. Es war im Grunde nicht mehr als ein kleiner Raum, angefüllt mit Tischen und Stühlen und einer kleinen wirklich kaum der Rede werten Bar, abgelegen im hinteren Teil.
Neben dieser Bar führte eine Tür weiter. Beschildert waren die Toiletten und ein zweiter Saal.
In Gedanken ging der Mann noch mal alles durch. Jeder Schritt war berechnet, aber das hieß nicht, dass er diesem Plan folgen musste. Allein die mürrische Reaktion des Typen an der Bar machte den Ablauf schwieriger.
Er ging zur Bar und lehnte sich lässig dagegen.
   „Was willst du, verflucht ich sagte doch ‚Geschlossene Gesellschaft’, oder etwa nicht! Kannst gleich wieder abhauen.“ Sagte der Kerl hinterm Tresen und wischte auf der Theke herum. Das war der Inhaber dieses Drecksloches.
   „Ich möchte was trinken.“ Antwortete der Mann. Seine Stimme klang auf eine schwer zu fassende Art rauchig, war aber sehr angenehm. Bestimmt konnte man ihr stundenlang zuhören ohne dass es langweilig wurde.
Der Barkeeper sah nun etwas entspannter aus.
   „Was willst du denn?“
Der Mann entfernte sich wieder etwas vom Tresen.
   „Fünf Schritte. Optimale Entfernung.“ Dachte er. Seine Hand glitt in den Ärmel der anderen.
   „Ich dachte an einen Schluck Whiskey.“
   „Hab ich nur noch einen...warte ich...“ der Rest des Satzes ging in einem feuchten gurgelnden Laut unter. Aus der Kehle des Barkeepers ragte das Heft eines Wurfmessers.
Die Klinge war auf den Punkt genau durch den Kehlkopf eingedrungen. Zwar ein langsamerer Tod als ein Wurf in den Kopf, aber verräterische Schreie oder Töne wenn die Stimmbänder sich nach dem Gehirntod verkrampften wurden vermieden.
Dem Barmann blieb nicht einmal mehr die Chance sich festzuhalten. Er sackte zu Boden, zuckte noch etwas und lag dann still.
Der Mann wandte sich ab. So wie die Leiche lag, lag sie gut. Das Messer war frei von Erkennungsmerkmalen, Fingerabdrücken oder DNA Spuren, er konnte es stecken lassen.
Er zog die 93R und stellte sie auf Burst. Drei Schuss in schneller Folge aus dieser Pistole ließen auch Kevlar tragende Gegner zumindest mit Rippenbrüchen zu Boden gehen.
Der kritische Blick durch den Raum. Keine Kameras. Kein Tonband.
Nicht dass es wirklich etwas gebracht hätte. Eine Kamera konnte mittlerweile so klein sein, dass er sie nie gesehen hätte, aber trotzdem konnte er sich den sichernden Blick nicht abgewöhnen.
Der Mann ging durch die Tür. Dahinter lag ein kurzer enger Gang. Rechts die Toiletten, links eine weitere Tür.
Dahinter mussten die Japaner sein.
Er überlegte kurz. Schüsse würden an seinen Handschuhen Schmauchspuren hinterlassen. Aber ein Messereinsatz war zu gefährlich. Drei, wenn nicht viel Leute sollten im Moment hinter der Tür sein.
Vorsichtig legte er ein Ohr an die Tür.
Seine Erfahrung hatte ihn nicht getrogen und das Glück war ihm hold. Die Stimmen dahinter befanden sich so, dass hin und wieder ein gedämpftes und kaum hörbares Herzschlaggeräusch direkt von der anderen Seite der Tür ausging. Ein Leibwächter auf Posten, der sich gegen die Tür gelehnt hatte.
Der Mann stellte die 93R wieder auf Einzelfeuer und legte die Mündung frontal auf die Tür.
Leise, ganz leise fuhr er daran hinab. Auf der anderen Seite der Tür verhielt sich der Leibwächter so unprofessionell, wie er es erwartet hatte.
Er traute seinen Ohren nicht. Die Stimmen verstummten. Denn hörte er wie der Bodyguard auf der anderen Seite ebenfalls sein Ohr an die Tür legte.
Eine Sekunde nahm der Mann sich Zeit die Pistole auszurichten, dann drückte er ab.
Die Kugel fuhr durch das Holz, trat bei der einen Schläfe des Bodyguards ein und bei der anderen wieder aus.
Sofort trat er die Tür ein. Drei Männer saßen in einer Runde am Tisch, völlig überrascht von den Ereignissen.
Die zwei am Rand des Tisches warn tot bevor sie den Mund aufmachen konnten und der Bodyguard auf dem Boden zum Liegen kam.
Der Mann ging gelassen aber mit erhobener Waffe auf den Dritten Japaner zu.
   „Ich bringe Grüße von Mister Cicio. In unserem Revier werden keine Drogen vertickt. Nicht von uns und schon gar nicht von Kleinganoven.“
Damit schoss er dem Japaner in den Bauch. Die Kugel ging glatt durch, genau wie gewollt.
Der kleine Gauner würde es überleben, denn schon in diesem Moment war Cherry gerade dabei einen Notarzt zu rufen.
Aber es würde ihm eine Lehre sein.
Der Mann wandte sich um und verließ die Bar.
Ein weiterer Job erledigt.
Draußen wartete Carlo in einem Sportwagen mit laufendem Motor. Der Mann steig ein, nahm die Sonnenbrille ab und zog die Handschuhe aus.
   „Ah, Michele, wieder Nachtschicht, habe ich recht?“ fragte Carlo mit einer etwas öligen Stimme.
   „Voll und ganz, es ist alles wie immer.“
   „Und nun? Der Abend ist jung. Wir werden nicht mehr gebraucht heute, capisce?“ Carlo stieß während er losfuhr mit dem Ellenbogen leicht nach seinem Beifahrer, bis dieser erwiderte:
   „Nein, heute nichts mehr. Fahr mich nach Hause. Ich werde mich hinlegen.“
   „Ah, ich verstehe... Schade, aber muss wohl sein, eh? Hehe... Ah, ich hab da noch eine Frage.“
   „Stell sie.“
   „Ist der Fleck da auf dem Anzug Blut? Das Beschmieren meiner Anzüge kostet extra.“



   „Gentlemen, Michele hat uns mit dem letzten Job Luft verschafft, aber es steht wieder was Neues an.“ Begann Paul die Runde.
Don Cicio hob leicht die Hand, ein Zeichen, dass er weitersprechen wollte.
Der Don war schon alt. Paul war zwar sein Sohn, aber ihm lag nichts daran, die Geschäfte zu übernehmen, solange sein Vater noch dazu fähig war. Paul fehlte wohl der Ehrgeiz, der in dieser Art von Business nötig war.
Offiziell hieß das Unternehmen „Cicio Import Export“, doch unter diesem Namen versteckte sich nicht etwa eine einzige Firma, ganz im Gegenteil. Die Familie Cicio besaß mehrere Bars in der Stadt, zwei Kinos, hatte Anteile an einem Theater und einer Privatschule, unter dem Namen verbargen sich so viele Geschäfte, dass niemand außer Cicios Buchhalter alle aufzählen konnte.
Das allerdings war Cicios jüngster Sohn Antonio.
Einen kleinen Teil seines Geldes jedoch verdiente sich Cicio mit Hilfe der Familie.
Unwissende nannten es Mafia, aber das war ein furchtbares Wort.
Die Cosa Nostra ist nicht wie die Japaner oder die Russen. Michele wusste genau, wer sich an die Omerta hielt stand auf der festen Seite. Keine Geldsorgen, keine Probleme. Gut, hin und wieder erforderten die Situationen es, dass man sein Gewissen etwas dehnte, aber das war eher selten. Die meiste Zeit lief alles glatt, was vor allem an den ungeschriebenen Gesetzen lag, eben der Omerta.
Schwierig wurde es, wenn jemand aus der Familie die Regeln brach.
Verrat war gar nicht mal das Schlimmste, das Schlimmste waren Drogen. Wenn jemand wegen Drogen Ärger mit seiner Familie bekam, dann hatte er die Wahl’: Gestehen und sich von der Polizei einsperren lassen, oder steif bleiben und von seinen eigenen Leuten umgelegt werden.
Natürlich musste er dafür bestraft werden, aber schließlich konnte Cicio niemanden ins Gefängnis stecken oder Bußgelder verlangen.
Das unterschied die Cosa Nostra von den anderen Organisationen. Es war ihr Verhalten in eben diesem Punkt. Drogen bringen viel Geld, aber noch viel mehr Elend. Deshalb war Cicio in diesem Punkt unerbittlich.
Es war eigentlich sehr ungewöhnlich, aber bei Drogenproblemen verlangte er sogar von ihnen, dass sie die Sache persönlich in die Hand nahmen. Ein Capo wurde mit der Sache beauftragt. Der nahm sich eine Hand voll seiner Leute und bereinigte das Ganze meistens wirklich persönlich. Kein Aufheben, kein Drama.
Im Moment war es zwar nicht so eine Situation, aber zumindest eine Ähnliche...
   „Jungs, Michele hat den Japanern eine Lehre erteilt.“ Er deutete leicht auf ihn und die anderen am Tisch nickten zustimmend, halb bewundernd, halb geistesabwesend „ Aber nun stehen wir vor einem andern Problem. Ich fürchte wir haben einen Fehler gemacht. Die Tochter von diesem Bastardo von Barmann will aussagen. Natürlich würde das in einschlägigen Kreisen sofort den Verdacht auf uns lenken...“
Cicio lehnte sich zurück und atmete einige Male durch. Er legte Paul die Hand auf die Schulter.
Dieser übernahm nun das Wort:
   „Was mein Vater sagen will ist, dass wir sie zum Schweigen bringen müssen. Die Sache wird verkompliziert, da sie von den Japanern geschützt wird. Die sind sehr scharf darauf, dass wir Ärger bekommen. Zwar haben sie ihren Drogenhandel eingestellt, aber einige ihrer Nutten lungern schon in unserem Revier herum. Das Mädchen muss weg.
Und das ist unser nächstes Problem. Wir könnten sie zwar einfach umlegen, aber das kommt bei einer 15 jährigen nicht gut. Anfangs war unser Gedanke, sie in bezahlten Urlaub zu schicken, aber auch das wird wohl unmöglich sein. Tja, so oder so, wir haben leider keine Wahl.
Wir werden ihr das genau so erklären, hoffen darauf, dass sie alt genug ist es zu verstehen und hören auf ihre Antwort. Verspricht sie zu schweigen gibt es natürlich eine Belohnung, tut sie es nicht werden wir leider Gewalt anwenden müssen. Trotz allem, es gibt keine Toten, capisce? Keine Toten. Wir müssen ihr nur zeigen, dass wir es ernst meinen und dass wir sehr großzügig sein können.“





Kapitel 4
   „Et toi, petit garcon, du nimmst natürlisch wieder das Baby, eh? Mit Laserpointer, comme toujours.“ Jean-Paul legte eine Spezialanfertigung auf den Tisch.
   „Non, aujourd’hui je prends un autre chose. Ich dachte an eine UZI, Pauli.“
   “Ah, schon gut, isch glaub dir ja, dass du Französisch kannst, Migg.“
   „Schön zu hören.“
   „Wie isch sehe hast du disch neu eingekleidet? Sehr gut...das wird heute nischt leischt.“ Jean-Paul hatte das „h“ schon sehr gut drauf, aber ein „ch“ machte ihn nach wie vor verrückt.
   „Das kann ich mir denken. Der Don will keine Toten, aber es wird Tote geben, ich spür das in meinem Blut.“ Meinte Michele leichthin.
   „Blut, ah? Natürlisch.“ Jean-Paul sah ihn schief an.
Michele wurde erst jetzt bewusst, was er gerade gesagt hatte und er lief leicht rot an.
   „Na ja, es stimmt schon. Ich spüre das, weißt du. Meine Adern brennen dann so, als hätte mein Blut um einige Grad zugelegt. An guten Tagen kann ich dir mit diesem Gefühl sogar sagen, wen es erwischt.“
   „Bah, isch glaube dir nischt du Traumtänzer. Pass auf, isch soll dir die Sache noch mal nahe legen. Also, du gehst rein und achtest auf Wachen, Bodyguards und Spitzel, du hast also gar nischts zu tun. Nur dastehen und warten, mehr nischt. Du brauschst keine Waffe und musst disch nicht bemühen, also wird es ausch keine Toten geben. So einfasch ist das. Cherry kommt dann mit zwei Mann und geht bis zu dem Zimmer, das sisch angeblisch im vierten Stock befindet. Du bist dann schon wieder draußen.
Wie du siehst, der Plan ist narrensischer. Paul hat ihn sisch ausgedascht.“
   „Capo Paul macht sich die Mühe das auszudenken? Das muss das wirklich sehr wichtig sein.“
   „Natürlisch! Die Japaner sind kein Problem für die Familie, aber die Polizei kann uns das Genick breschen. Wenn wir beide gegen uns haben ist es sowieso schon vorbei.“
Michele ging etwas nervös in der kleinen Kammer auf und ab.
   „Na aber trotzdem, wir werden doch kein Problem damit haben ein Mädchen zu überzeugen.“
   „Oder au nischt.“ Gehetzt sah Jean-Paul sich um. Sein Dialekt brach immer mehr durch, das bedeutete er war aufgeregt, „’Ör zu. Isch erwarte was ganz großes. Paul nimmt nur unsere besten Leute für den Job. Du bist dabei, das sollte schon genug sein, weißt du. Aber da sind Cherry und Jade, die neben dir die Besten sind. Und gerade die sind au dabei. Mascht disch das nischt stutzisch?“
   „Nein. In den 11 Jahren hab ich eines gelernt: Niemals nachdenken. Man tut was der Don sagt und alles ist in Ordnung. Aber sobald man darüber nachdenkt stellt man den Befehl in Frage.“
Michele wartete nicht auf Jean-Pauls Antwort, sondern nahm die Spezialanfertigung vom Tisch. Es war eine umgebaute FiveseveN. Jean-Paul hatte ihr ein etwas größeres Kaliber verpasst und den Lauf so gearbeitet, dass sie leiser war.
   „Jetzt gibst du mir noch fünf Magazine dafür, dann kanns losgehen.“
Jean-Paul legte die Munition der Reihe nach und mit einigem Zögern auch noch auf den Tisch.
„Isch hoffe du rischtest kein Massaker an, sonst nimmt diese Geschischte ein böses Ende.“
   „Geschichte ist nichts weiter als eine Lüge über die sich alle einig sind.“ Meinte Michele kühl.
   „Napoleon.“ Entgegnete Jean-Paul sofort.
   „Oui.“ Michele lächelte.


Das Handy klingelte. Michele holte es heraus und nahm den Anruf an.
   „Aye.“
   „Es geht los. Geh zur Tür rein, links ins Foyer.“
   „Aye aye.“
Schon war das Gespräch beendet.
Michele setzte sich in Bewegung. Unterwegs prüfte er den Sitz seiner Schuhe. Leicht locker, aber nicht schlüpfrig. Die Hose lag eng an, das Leder war geschmeidig und gab kein Geräusch von sich. Das graue Hemd schlabberte leicht während die Jeansjacke, trotz der Pistole darunter perfekt passte.
Vor der Tür des Hotels blieb er noch einmal stehen und wählte auf dem Handy Jades Nummer.
   „Abend Mieze.“ Begrüßte er sie.
   „Miaou Tiger. Bist du auf deinem Platz?“
   „Noch nicht. Gib mir noch eine Minute.“ Sagte Michele leise und vergewisserte sich, dass die Pistole, die bloß unter seinem Gürtel steckte, durchgeladen war.
   „Und bitte Tiger, pass auf wo deine Kugeln fliegen, ich kenne ihre Wirkung.“
   „Ich würde dir doch niemals weh tun, Süße.“
   „So leicht bist du zu haben? Eine heiße Nacht und du verlierst deinen Verstand.“
   „Ah, Frauen und ihre Arbeitsauffassung. Dabei müsstest du doch genau wissen, dass ich meinen Freunden niemals weh tue.“
   „So lange, bis Cicio es befielt.“
In der Zwischenzeit war Michele im Foyer angelangt.
   „Ich hab’s.“ Sagte er leise in sein Handy, „Wird mein Kätzchen heute ihre Krallen zeigen?“
   „Wenn’s nicht nötig wird dann nicht. Ich hab’s jetzt auch. Cherry wartet mit dem Wagen und Capo Paul auf uns. Ich mache den Job und gehe mit dir raus. Du bist eigentlich unnötig, Süßer.“ flötete Jade und legte auf.

Michele ließ sich langsam in einen Sessel sinken. Die Pistole zwickte.
   „Ah, ich muss aufpassen mit wem ich in Zukunft schlafe.“ Murmelte er vor sich hin.
Er setzte sich etwas bequemer hin und ließ die Blicke schweifen. Das Foyer war vollkommen leer.
Und genau in diesem Moment erklangen die Schritte.
Schwere Stiefel auf teppichgedeckten Marmor und dazwischen ein leises Pfeifen.
Da pfiff jemand im Takt von „She Is My Sin“ von Nightwish.
   „Entschuldige, darf ich mich zu dir setzen?“ fragte jemand. Michele kannte diese Stimme.
Es war Astarod. Dieser wartete gar nicht erst eine Antwort ab sondern ließ sich sofort gegenüber von Michele nieder. Michele erinnerte sich noch gut an Astarods Aussehen. Nichts hatte sich verändert. Astarod hatte keine Falte dazubekommen. Er war kein bisschen gealtert. Nur die Ketten an Astarods Kleidung waren weniger geworden.
Astarods nahm gemächlich die Sonnenbrille von den Augen und schaltete den Player aus.
   „Ah, du wirfst ihn nicht mehr durch die Gegend.“ Sagte Michele spontan.
   „Wie ich sehe hast du mich nicht vergessen. Mehr noch, du bist meinem Rat gefolgt. Ich wusste ja, du bist etwas Besonderes. Ach ja...“
Astarod machte es sich in dem Sessel so richtig bequem und zündete sich eine Zigarette an.
   „Du rauchst?“ fragte Michele.
   „Nein.“ Antwortete Astarod ernsthaft und warf die Beine auf ein kleines Tischchen.
   „Ja, das sieht man.“
   „Oh das, nun, dieser Körper raucht, ich nicht.“
   „Bitte was? Körper?“
   „Ach, das verstehst du auch noch. Nun...wir müssen reden.“
   „Reden...“
   „In der Tat. Ah, erst konnte ich es gar nicht glauben. Ich hätte mir nicht mal träumen lassen, dass du wirklich deine Heimat verlassen würdest.“
   „Ja, mit meinen Freunden und meiner Familie.“ Meinte Michele ironisch.
   „Ach, so kann man das nicht sehen, weißt du. Familie bleibt Familie und so weiter und so weiter. Tjaja nun, deshalb bin ich hier. Mein Herr möchte dich sehen.“
   „Dein Herr?“ fragte Michele vorsichtig, da er sich nicht vorstellen konnte, dass eine imposante Gestalt wie Astarod ein Diener war.
   „Allerdings. Und du willst natürlich wissen wer es ist.“ Lockte Astarod mit einem Lächeln und zog gemächlich an seiner Kippe.
   „Natürlich nicht! Ich arbeite.“ Entgegnete Michele etwas gereizt. Es behagte ihm nicht mit jemanden zu reden, der das Gespräch allein durch seine Anwesenheit völlig dominierte, aber genau so verlief das Gespräch mit Astarod.
Dieser schwang die Beine blitzschnell unter das Tischchen und beugte sich bis auf wenige Zentimeter zu Michele vor.
   „Glaubst du an Gott, Mike?“
   „Nein.“
   „Dann liegst du falsch. Gott ist existent. Wenn auch anders als ihr glaubt. Gott hat das alles geschaffen. Den Planeten, die Menschheit, dich, mich. Alles hier...“ seine Hände schweiften in einem gewagten Bogen umher und er lehnte sich wieder gemütlich zurück, „Aber es kümmert ihn nicht. Gott ist ein Voyeur. Er sitzt in seinem Reich und beobachtet euch Menschen in eurem sinnlosen Kreislauf. Er wartet und prüft euren Glauben, doch er mischt sich nie offen ein. Ganz anders als mein Herr.“
Michele ahnte die Richtung, die Astarod einschlagen wollte.
   „Willst du sagen, dass du für den Teufel arbeitest?“ fragte er ungläubig.
   „Ah, ein Kenner.“ Sagte Astarod spöttisch, „Nun, Teufel ist möglicherweise etwas verfänglich. Reden wir doch lieber von Luzifer.“
Michele brach in entgeistertes Lachen aus.
   „Du bist verrückt, völlig verrückt.“
Auf Astarods Gesicht trat ein Lächeln.
Eines, das einem das Blut gefrieren lassen konnte.
   „Und du, du bist in meiner Hand, Junge, also reize mich nicht.“
   „Ich? In deiner Hand?“
   „Allerdings. Es ist das erste Mal, dass du so unvorsichtig bist. Irgendwie enttäuschst du mich damit sogar.“ Ein gespielter Seufzer entrang sich seiner Kehle.
Michele sah sich um. Wieder dachte er sich, das Foyer wäre viel zu leer, aber erst jetzt erkannte er, dass er recht hatte.
Es wäre vielleicht noch normal gewesen, wenn niemand im Foyer säße, aber hinter der Rezeption war nicht mal ein Portier. Außerdem war der Computer dahinter abgeschaltet.
   „Ah, und langsam bricht dein berechnendes Wesen durch, nicht wahr.“
Michele sprang aus dem Sessel. Bevor er selbst wusste was er tat, hatte er die Pistole in der Hand und richtete sie auf Astarod.
   „Und du wirst mir jetzt sagen, was hier gespielt wird, verfluchte Hölle! Steh auf!“
   „Droh mir nicht.“ Meinte Astarod kalt und erhob sich mit versteinertem Gesicht.
   „Und ob ich dir drohe! Was wird hier gespielt, verdammt!“ rief Michele zornig, doch bevor er eine Antwort erhielt hatte Astarod die Zigarette gehoben und sie Michele entgegen geworfen. Kurz bevor sie Micheles Gesicht traf verwandelte sie sich in eine gewaltige Stichflamme.
Michele warf sich zurück und rollte quer über den Teppich. Die Flamme war ihm wie ein glühendes Eisen über das Gesicht gefahren, es aber trotzdem nicht verbrannt. Die Pistole flog in hohem Bogen davon.
   „Nun, sieh das Ganze als Test, Mike. Wenn du dich gut machst wirst du Dinge sehen, die du nie zu träumen wagtest. Du wirst Dinge erleben, die du nie zu träumen wagtest.
Die hier wirst du brauchen.“ Mit dem Fuß schob er Michele die Pistole zu.
   „Was zur Hölle?“ rief Michele und stand vorsichtig wieder auf.
   „Ja, Hölle ist ganz passend.“ Meinte Astarod und setzte sich wieder in einen Sessel, „Ich sehe schon, du bist neugierig. Ihr Menschen ähnelt euch in einem Belang alle: Ihr wollt unbedingt wissen, warum ihr Dinge tut. Ihr könnt nicht damit leben, dass ihr sie einfach macht, ihr müsst immer wissen wofür, warum, wie, wann, wie lange, wo... Dabei klärt sich doch das meiste von selbst.“
   „Ich glaub du hast ein Rad ab.“ Michele begann damit sein Gesicht abzutasten.
   „Tjaja.“ Lachte Astarod, „Damit bekommst du so bald keine mehr ab. Ach, nein, Scherz, ich weiß schon wie ich meine Kräfte einsetzen muss. Auch wenn sie in diesem Körper unglaublich gering sind.“ Fügte er düster hinzu.
   „Gering.“ Michele war mittlerweile etwas verwirrt.
   „Aber wo wir grade bei Frauen sind, wusstest du, dass ich dich schon seit elf Jahren beobachte?“
   „Du beobachtest mich?“ Jetzt war Michele endgültig verwirrt.
   „Ja. In elf Jahren vier Frauen, die etwas weiter oben mit dabei. Du lebst enthaltsam, Kleiner. Oder du lebst ganz für deinen Job. Interessant ist, dass du in den ersten drei Jahren zwei hattest und in den restlichen acht wieder nur zwei. Als du in diesem Land ankamst mit nichts weiter als bisschen von diesem Geld.“ Astarod winkte leicht mit der Hand und hielt für wenige Sekunden fünf Hundert Dollar Scheine darin, die aber sofort verschwanden als er die Hand wieder sinken ließ,
   „Ähm...“ antwortete Michele.
   „Ah, die Geschichte mit der Einen, ich glaub sie war blond, nicht wahr? Ja, ich entsinne mich. Du hast sie in der Bar aufgeklaubt. Oh, und Barbesuche wurden bei dir auch immer weniger. In den ersten beiden Jahren Jahr noch 107, dann nur noch 153 auf neun Jahre.
Die Genusssucht wurde ständig weniger. Sehr traurig mit anzusehen, weißt du. Du tatest mit irgendwie leid. Hätte denn hin und wieder etwas Spaß so sehr geschadet.“
   „Man kann sich dann nicht konzentrieren.“
   „Ahhhhh, sooooooooo... Natürlich, das stimmt.“ meinte Astarod gedankenverloren.
   „Du scheinst ja ein gaaaaanz toller Kerl mit den Frauen zu sein.“ Sagte Michele langsam etwas streitlustig werden.
   „Naja, sagen wir so, wo ich herkomme ist es meistens sehr sehr langweilig und es gibt so gut wie nichts zu tun, aber irgendwas muss man tun, nicht wahr. Also gibt es nur wenig Möglichkeiten. Man beschäftigt sich mit sich selbst: Man denkt nach, man trainiert, man philosophiert oder man wird wahnsinnig. Die zweite Option ist: Man beschäftigt sich untereinander. Und auch da gibt es nur sehr sehr wenig Möglichkeiten. Eine davon ist Sex.
Hast du schon mal was von den Todsünden gehört? Eine davon ist Wollust.“
   „Wie viele waren das gleich noch mal?“ fragte Michele, der von der Absurdität dieser Szene beeindruckt war.
   „Sieben....Ich sehe schon, ich muss dir noch einiges beibringen: Hoffart, Geiz, Unkeuschheit, Zorn, Unmäßigkeit, Neid und Trägheit, das sind die sieben Todsünden. In die heutige Zeit versetzt finde ich allerdings Zorn, Neid, Habsucht, Hochmut, Wollust, Völlerei und Trägheit besser.“ Begann Astarod zu philosophieren
   „Und das sagt mir jemand, der Nightwish hört.“ Meinte Michele lakonisch.
   „Ich geb dir gleich so ein Ding aufs Maul, Menschenwesen. Wofür haltest du dich? Wofür haltet sich eure ganze verfluchte Rasse? Ihr seid nichts als Tiere, so wie jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten auch nur ein Tier ist. Ihr seid hier nur geduldet. Die Natur duldet euch in einem wackligen Gleichgewicht und doch führt ihr euch auf als wärt ihr die Herrscher über sie. Ihr schlägt ihr Wunden wo immer es geht, ihr vernichtet den Boden, auf dem ihr und eure Kinder gehen müsst, ihr verpestet die Luft, die ihr und eure Kinder atmen müsst und ihr vergiftet das Wasser, das ihr und eure Kinder trinken müsst.
Soll ich weitermachen, Menschlein? Soll ich dir weiterhin die Geschichte deiner Rasse erzählen?
Das wirklich Ironische an der ganzen Sache ist doch, dass ihr das alles unter bestem Blick der Konkurrenz macht. Gott hat diesen Planeten geschaffen, das ist richtig, doch es war Zufall, dass ihr und all das Leben hier entstandet. Gott kümmert sich nicht um euch, er sitzt in seinem kleinen Gemüsegarten und freut sich am Gesang seiner Engel. Und ihr? Ihr haltet euch für Gottes eigene Schöpfung. NACH SEINEM ABBILD GEFORMT! Verrecken sollt ihr in eurem eigenen Blut, ihr größenwahnsinnige Laune der Natur.
Denkst du wirklich Gott steht über dir und wacht über deine Schritte? Oh nein, du interessierst ihn nicht. Es ist egal wie du dich hier benimmst, denn Himmel und Hölle sind zwar existent, doch sie sind nicht für euch gedacht.
Gott hat euch allein gelassen. Nimmt man die Sachen genau war er nie bei euch. Nur einige von seinen Dienern wohl gestreute Gerüchte haben euch überhaupt wissen lassen, dass es ihn überhaupt gibt. Und du denkst es läge ihm etwas an euch. Pah...!
Passiert etwas Tolles preist ihr den Herrn, passiert etwas Furchtbares sind seine Wege unergründlich. Wirklich sehr gerecht. Aber nun sage ich dir etwas: Du bist einer der ganz wenigen Menschen, die die Chance bekommen das System zu durchschauen. Gib mir deine Hand und ich nehme dich mit zu meinem Herrn, wo du nicht nur deinem vorbestimmten Schicksal entgehen kannst, nämlich dem Tod ohne Hoffnung auf Erlösung und Vergebung, denn das gibt es nicht. Reich mir die Hand und ich zeige dir wie es wirklich steht. Siehst du diesen Körper? Es ist nicht meiner, denn in dieser Welt kann ich nur existieren, wenn ich einen der euren unterwerfe, doch allein die Anwesenheit meines Geistes hat ihn unbeschreiblich schön werden lassen. Du glaubst es nicht? Wenn ich möchte müsstest du dich von mir geblendet auf dem Boden herumrollen. Mein Geist hat diesen Körper mächtiger werden lassen, zwar nicht so wie meinen Wahren, doch hinreichend. Du glaubst mir wieder nicht? Wenn ich wollte wäre es eine Kleinigkeit dieses Hotel mit einem Schlag in seinen Grundfesten zu erschüttern, doch es wäre ebenso gering es nach seinen Zusammenfall wieder aufzubauen. Du siehst, dir stünde ein grandioser Pfad offen, alles was du tun müsstest, wäre meine Hand zu nehmen.

Astarod streckte Michele die Hand entgegen und plötzlich schien es als würde die Welt um beide herum im Nichts versinken. Von einer Sekunde auf die andere gab es das Hotel nicht mehr. Es gab keine Erde mehr und keine Menschheit, es gab nur noch Astarod und Michele.
Und ganz wie Astarod sagte machte er eine Veränderung durch. Aus den Tiefen seiner mit blitzenden Ketten besetzten Kleider wehte ein Wind hervor und machte im aufkommenden Nichts um sie herum ganz klar das Bild zweier gewaltiger schwarzer eisenbeschlagener Flügel deutlich.
   „Reich mir deine Hand, Mike. Verschreibe dich der Seite, die sich für die Menschen interessiert.“ Flüsterte Astarod und fast wäre Mike versucht gewesen ihm zu folgen.
Aber da fiel der Schuss.

Irgendwo in den oberen Stockwerken fiel erst einer, dann eine ganze Schussfolge, die ebenso abrupt endete, wie sie aufgekommen war.
   „Jade.“ War das Einzige, das Michele dazu einfiel.
Kaum hatte das Wort seinen Mund verlassen kehrte die Realität mit der Wucht eines Hammerschlages zurück. Astarod sank schwankend zu Boden als hätte er all seine Kraft aufgebraucht.
   „Mike! Geh nicht dort hinauf. Du findest nichts dort oben, nur den Tod!“
Doch Michele hörte schon nicht mehr. Für den Moment dachte er, der Weg sei frei, doch kaum wähnte er sich weit genug von Astarod weg, da traf ihn ein harter Schlag zwischen den Schultern.
   „Du gehst hier nicht weg!“ fauchte Astarod mit einer schreckenden Kälte in der Stimme und vor Wut verzerrtem Gesicht, „Ich bin nicht dein Schutzengel, ich bin überhaupt kein Engel! Ich sagte dort oben ist der Tod und es ist so. Wenn du dort hin gehst bist du verloren. Ich könnte dich ja nicht mal beschützen in diesem schwächlichen Menschenkörper.“
   „Was auch immer mit Jade passiert ist, ich muss nachsehen.“ Rief Michele mit aller Kraft, doch Astarod hielt ihn fest.
   „DIE FRAU IST TOT, JUNGE! Sieh es ein. Du kannst nichts tun.“
   „Halts Maul!“
Michele hatte sich wieder losgerissen und aufgerappelt.
   „Kleiner, wenn dir etwas zustößt müssen wir wieder Jahrhunderte warten.“ Schrie Astarod gequält.
   „Von mir aus könnt ihr versauern, wer auch immer ihr seid!“ schrie Michele zurück und lief so schnell es ging durch das Foyer zur Treppe nach oben.
Astarod sah ihm eine Sekunde nach, dann ließ er alle Vorsicht fahren und zog ein Handy aus der Tasche. Er überlegte noch eine kostbare Sekunde, dann steckte er es wieder weg. Er spürte, dass ihre Anwesenheit in dieser Welt bereits bemerkt worden war. Er musste jetzt schnell handeln.
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« Antworten #1 am: 31.Mai.2005, 16:11:41 »

Sehr schönweiter so (dieser beitrag ist eine ausnahme) ich kann eigentlich nur deises sagen:


"Hebe dich deshalb hinweg, sprach Thudun, [ich] habe deine Schwäche kennengelernt, weiß, daß du ein Feind aller Zucht bist, gerne den Herrn spielst hinter dem Rücken, nur Dieben und Ehebrechern schmeichelst, von Guten die Erbschaft der Seligkeit zu entreißen. Doch die Erbarmung hat keine Grenzen und die Sanftmut reicht dem Verirrten die Hand."


(Text by teuflischer Engel)
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Geliebter Mann: Dantelion Almensi Naloro
Freunde der Familie:Hiroshi, Drain,Tria
Tochter: Delea
Sohn: Arus

Mein Story Schatten der Vergngenheit (dritter Beitrag von oben)
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"Ein Schwert allein hat keine Macht, erst der Mensch erweckt es zum Leben!"
(Tiger&Dragon)


SCHAUT EUCH DOCH MAL DAS GEILE FORUM AN HAT AUCH NEN CHAT^^ VIEL SPAß
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Ich bringe Leute nur freundlich um das ist kein Mord^^
Azarun
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« Antworten #2 am: 01.Juni.2005, 19:53:16 »

Kapitel 5
Michele hatte die Pistole fest in der Hand. Da war ein Gefühl in ihm, das hatte er schon fast vergessen. Spannung. Auch an die Spannung kann man sich gewöhnen.
Jetzt war sie wieder da. Es gibt Situationen, die überraschen Einen trotz aller Übung.
Vorsichtig versuchte er alle Türen rechts und links des Ganges im Auge zu behalten, wusste aber selber: für einen plötzlich auftauchenden Schützen wäre er das Beste Ziel.
Als er schon beinahe eine Viertelstunde hinter sich gebracht hatte, fand er Jade endlich wieder.
Sie lag erschossen gegen die Wand gelehnt in ihrem Blut und hatte noch ihre MicroUZI in der Hand.
Seltsam, Michele spürte nichts. Auch beim Anblick des Polizisten, der wenige Meter neben Jade lag spürte er nichts.
   „Nun, es ist wie ich sagte.“ Tönte Astarods klangvolle Stimme hinter Michele.
   „Du wusstest das, nicht war?“ er drehte sich zu Astarod.
   „Schon. Jetzt, wo sowieso alles vorbei ist kann ich die Sache ja hochgehen lassen. Ich war es, der dir deine Jungend zur Hölle gemacht hat. Die Leute gegen dich zu bringen ist nicht schwer, ihr Menschen seid so furchtbar leicht zu leiten. Ich war es, der deine Eltern ein kleines bisschen ins Ohr geredet habe. Das war schon schwerer, weißt du. Sie hatten dich gern.“ Astarod lächelte herzlos, „Aber das Schwierigste warst du selbst. Als ich dir zum ersten Mal gegenüber trat, da war ich mir fast sicher, dass du nicht auf mich hören würdest. Ich hab mich geirrt. Ist mir noch nie passiert, glaube ich....oder vielleicht doch.
Aber egal, du bist nicht auf mein großzügiges Angebot nicht eingegangen. Wenn du eingeschlagen hättest, dann wärst du zu eine Sluag geworden, einer der Verdammten. Immerhin besser als der Tod.
So hast du gewählt. Du hast den Tod gewählt. Leider muss ich meinen Auftrag beenden. Ich muss wissen, ob du der Wächter bist.“
   „Der Wächter...?“ fragte Michele um Zeit zu gewinnen und Astarod in Sicherheit zu wiegen. Zweifellos war dieses...Wesen verrückt. Michele war sich inzwischen sicher, dass er es nicht mit einem Menschen zu tun hatte.
   „Kann es sein, dass du eine merkwürdige Einstellung von Menschlichkeit hast, Astarod?“
   „Menschlichkeit? Mir kommt das Würgen wenn ich das höre.“ Astarod machte eine wegwerfende Handbewegung.
   „Du machst es dir leicht, weißt du? Alle sind schlecht und nur du bist gut.“ Sagte Michele lauernd.
   „Gut oder Böse hängen immer vom Blickwinkel des Betrachters ab. Der Zweck heiligt die Mittel, weißt du. Ich bin was ich bin. Nicht mehr, nicht weniger. Möglich, dass ich kalt und herzlos bin, aber selbst wenn das so ist, es wäre nicht dein Problem.“
Astarod ging langsam auf Michele zu. Wieder schien Etwas aus ihm heraus zu gleiten und ihn einzuhüllen.
Michele wich Schritt für Schritt zurück und hob die Pistole.
   „Verschwinde. Ich habe keine Ahnung was du bist, aber das hier kann dich bestimmt töten.“ Rief er.
   „Bestimmt.“ Antwortete Astarod, dann sprang er ab.
Er war nicht sein Körper, der sich durch die Luft bewegte, es war...Etwas.
Und es schoss auf Michele zu, traf ihn an der Brust und jagte kalte Schauer durch seine Adern.
ES jagte durch seinen Kopf und machte platt was auch immer im Weg stand. Micheles Geist wurde zur Seite gefegte und verlor sich irgendwo im Nichts.
Michele war verschwunden.
ES zog sich wieder zurück, ließ die leere Hülle zusammensacken und verschwand wieder in seinem vorherigen Körper.
Astarod zündete sich eine weitere Zigarette an.
   „Bah... Was für ein Idiot.“
Er zog den Rauch einmal tief in die Lunge. Er konnte spüren wie sich der Teer festsetzte. Was die Menschen sich für Idiotien einfallen ließen. Das hatte man ja grade an diesem Mike gesehen. Zigaretten...ekelhaft. Dafür zahlen sich selbst umzubringen. Astarod spürte schon wie der von ihm besessene Körper regelrecht zerfiel.
War wohl Zeit für einen Wechsel. Aber er war sehr wählerisch. Eigentlich waren sie das alle, abgesehen von Belial. Die nahm auch gerne weniger schöne Frauen in Besitz.
Astarod war wählerisch.
Er kam so selten hier in die Welt, da musste er sich etwas Spaß gönnen.

Mit der Fußspitze stieß er Micheles Leiche an und murmelte: „War nett mit dir gespielt zu haben, aber ich verliere niemals.“
Gemütlichen Schrittes ging er zurück ins Foyer. Für die fünfzig Schritte vom Ausgang des Hotels durch die Polizeisperren verschwand er wie durch Zauberei einfach. Nur sein Schatten bewegte sich an der Wand entlang, doch seltsamerweise war es nicht der Schatten eines Menschen, wie die gewaltigen Flügel deutlich zeigten.

Etwa einen Kilometer entfernt fand er Balbero wieder. Sie lehnte laut stöhnend an einer Wand und ließ sich von einem Mann durchvögeln.
Er schlich sich leise wie ein Raubtier an bis er genau hinter dem sehr beschäftigten Paar stand. Die Hosen des Mannes lagen auf dem Boden.
Astarod holte tief Luft und rief: „Ahaaaaaaa! Kaum bin ich arbeiten betrügst du mich mit einem Anderen!“
Die Reaktionen der beiden waren teils verwirrend, teils amüsant. Balbero begann einfach nur zu lächeln, während der Mann wie von der Tarantel gestochen herumfuhr, sich umsah, die Hosen aufraffte und halb rennend, halb hüpfend davonlief.
Astarod sah ihm nach, dann wandte er sich Balbero zu.
   „Bei allen Flammen, es ist erschreckend welchen Umgang du pflegst.“ Meinte er lächelnd, kramte nach einer weiteren Zigarette und begann zu fluchen als er keine fand.
Balbero grinste immer noch, als sie damit begann zumindest ihre Unterwäsche wieder anzuziehen.
   „Wie immer hast du dir den schlechtesten Augenblick ausgesucht. Ich war noch nicht fertig.“
   „Ja, der Typ ist noch am Leben.“ Murmelte Astarod sarkastisch und fluchte noch mehr, als er entdeckte, dass er kein Kleingeld mehr hatte, „Sag mal, Babs, hast du n paar Dollar?“
   „Nein, und selbst wenn ich sie hätte würde ich sie dir nicht geben. Suchtkerl.“
   „Wollust, meine Liebe, Wollust.“ Gähnte Astarod und fragte sich, ob es ungesund wäre sich aus den am Boden verstreuten Kippen eine neue zu bauen, „Und du lässt dich tieferlegen ohne Kohle dafür zu nehmen? Spinnst ja total.“
Balbero legte die Arme um Astarod und drückte sich fest an ihn.
   „Kannst mich ja eines Besseren belehren, Herzblatt.“ Säuselte sie.
Astarod wich etwas erschrocken zurück. Er wusste genau zu was Balbero fähig war. Einiges hatte er selbst gesehen, anderes hatte er selbst durchgemacht:
   „Moment mal, so viel ich weiß hast du noch vor wenigen Jahren versucht mir eine Tattoo in die Brust zu ritzen. Oder hab ich das etwa falsch verstanden.“
Balbero löste sich wieder etwas. Vermutlich drückte das Latextop zu sehr.
   „Ich konnte doch nicht zulassen, dass du nach mir noch Eine bekommen würdest.“ Sagte sie weinerlich und bekam große Augen.
   „Verstehe. Und was wäre aus dem Typen geworden, hätte er sich nicht so schnell verabschiedet?“ fragte Astarod lauernd.
   „Nein, den hätte ich umgebracht, weil er so schlecht war.“ Ein befreites Lächeln huschte über ihre Züge.
Astarod schlug sich die Hand ins Gesicht und überlegte, wieso ausgerechnet die schönsten Frauen immer entweder strohdumm oder völlig psychopathisch sein mussten.
Balbero sah ihn derweil ungeduldig an und fragte schließlich: „Wieder kein Erfolg? War es wieder ein Fehlschlag? Wieder zwanzig Jahre für nichts?“
Astarod ließ die Hand resignierend sinken.
   „Ja. Alastor war sich so sicher, aber er war es nicht. Ich habe sogar seinen Körper in Besitz genommen um es wirklich nachzuprüfen.“
   „Und...kein Zweifel? Verflucht, Lu wird toben.“ Balbero schauderte es. Sie konnten zwar beide nichts dafür denn es war Alastor, der ihnen falsche Informationen gegeben hatte, aber ab einer gewissen Grenze an schlechten Nachrichten machte Luzifer da manchmal keinen Unterschied mehr. Vielleicht höchstens noch in der Wahl der Bestrafung, aber sonst nicht.
Balbero fragte sich was aus Alastor werden würde. Sie lehnte sich gegen die Wand.
   „Also wieder zurück?“ fragte sie.
   „Nein, noch nicht.“ Entgegnete Astarod entschieden, „Noch lange nicht. Wir haben die Chance bekommen uns hier zu amüsieren, weißt du. Zwanzig Jahre waren wir jetzt hier und das für Nichts, aber trotzdem war es auf jeden Fall besser als zwanzig Jahre in der Hölle.
Suchen wir uns einen Club und setzen uns rein. Ich hab Lust auf eine Nacht mit Alkohol, Drogen und irgendwelchen Huren. Liegt vermutlich an der Lust, diesen Körper vor unserer Rückkehr nach Hause noch so richtig fertig zu machen.“
   „Ah, ich liebe dich, Süßer.“ Rief Balbero und sprang wie verrückt herum.
   „Das ist unsere letzte Nacht, die verbringt jeder so wie er will, okay?“ Astarod sah Balbero scharf an. Er wusste ganz genau was sie die Nacht über machen würde, da sie es in den letzten zwanzig Jahren nahezu jede zweite Nacht auch getan hatte. Rechnete man so zählte man die „Ausritte“, die sie am Tag getätigt hatte noch gar nicht mit.
Und wenn man es genau nahm war es auch ein Riesenspaß mit Balbero zu schlafen, hätte sie nicht die seltsame und etwas irritierende Angewohnheit gehabt, ihre Liebhaber am nächsten Tag umzubringen, und das meistens auch noch auf sehr langgezogene Art und Weise.
Deshalb wollte Astarod jetzt auf Nummer sicher gehen, dass sie nicht am Ende dachte, er wolle etwas von ihr, denn dann läge er schon in der nächsten Sekunde irgendwo mit ihr und hätte am nächsten Tag ein gewaltiges Problem. Einmal hatte er diesen Fehler begannen. Seit damals zog sich eine feine Narbe von der linken Augenbraue herab über die Wange, setzte am Hals ab nur um dann an der Brust wieder neu und tiefer zu beginnen und sich bis zu den kurzen Rippen zu erstrecken. Balberos Peitsche war schnell, manchmal sogar schneller als Astarod, erster Erzdämon Luzifers.
Diese Schmach würde er nie vergessen. Von einer Frau so eine Wunde zugefügt zu bekommen, das war schon ein starkes Stück. Natürlich, es ist schon überrumpelnd wenn man am Morgen danach aufwacht und sofort in einen flirrenden schwarzen Blitz sieht, aber einem Erzdämon darf das nicht passieren.
Lag womöglich daran, dass Balbero auch eine Erzdämonin war.
Wenigstens bestand im Moment nicht die Gefahr ihren Reizen zu erliegen. Das ging wirklich erstaunlich schnell und vor allem Belial hatte schon öfter vermutet, Balbero benütze einen Trick um sich die Männer so unterwürfig zu machen, aber wahrscheinlich lag das einfach daran, dass sie ihr Handwerk verstand.
Nun jedoch waren sie auf der Erde. Nach Luzifers Verbannung aus dem Paradies hatte Gott ihm seine ganz außergewöhnlichen (selbst für einen Engel oder Dämon) Kräfte aberkannt und ihn ins Exil geschickt mit allen, die ihm folgen wollten, mussten, sollten.
Niemand konnte diese Hölle verlassen. Luzifer hätte sie zu sprengen vermocht, hätte er seine Kräfte gehabt. So aber war es unmöglich.
Zumindest für den Körper. Der Geist eines Verbannten konnte sich sehr wohl aus dem Gefängnis erheben, aber um wirklich Einfluss ausüben zu können musste man sich erst einen Menschen Untertan machen. In einem menschlichen Körper jedoch kann sich selbst der mächtigste Dämon nicht über die natürlichen Grenzen erheben und so schloss sich der Teufelskreis wieder.
Außerdem gab es noch viele andere Einschränkungen: Der Geist eines Dämons ist, wie der Name schon sagte, dämonisch. Der Körper jedoch, der wahre, angestammte Körper ist der eines Engels. Eines gefallenen Engels zwar, aber das tut ja nichts zur Sache.
Jetzt jedoch verband Körper und Geist nur noch eine zerbrechliche Bindung, die durch vielerlei Einflüsse zerstört werden konnte.
Gotteshäuser waren tabu. Ein dämonischer Geist kann dort nicht ohne Schutz überstehen, doch menschliche Körper bieten einfach keinen Schutz. Die Bindung löste dann nicht, sie wurde regelrecht zersprengt, was sogar an dem Menschenkörper Spuren hinterließ: Er wurde pulverisiert.
Geweihte Gegenstände zu berühren löste die Bindung. Der Mensch kam wieder frei, der dämonische Geist wurde ausgetrieben und musste zurück oder einen neuen Menschen finden.
Weihwasser wirkte wie Feuer auf der Haut eines Besessenen, und so weiter.
Alles in Allem natürlich nicht optimal wenn man die nahezu grenzenlose Macht eines Engels gewohnt ist. Vor allem Luzifer litt darunter, betrat er in einem seltenen Moment die Erde.
Astarod fand es auf jeden Fall besser als das dahinvegetieren in der Hölle. Zumal man sich gar nicht vorstellen kann, wie leicht man Menschen beeinflussen und lenken kann, hat man nur das nötige Geld.
Ein, natürlich vollkommen „zufälliger“ (ein bisschen der dämonischen Macht zeigte sich sogar in menschlichen Körpern), hatte ihn mit genug Geld ausgerüstet um Balbero und ihm ein sorgenfreies und vor allem wunderbar luxuriöses Leben zu sichern, das trotzdem nicht zu auffällig war.
Die beiden hatten ein schönes Haus in einer schönen Gegend, wo sie sich nur selten aufhielten. Sie hatten einen Sportwagen und ein Motorrad, darauf hatte Astarod bestanden. Ein bisschen Spaß muss sein.
Und sie hatten ein 12 m² großes Bett, darauf hatte Balbero bestanden. Ein bisschen Spaß muss sein...
Offiziell hießen sie Barbara, daher auch Balberos Spitzname Babs, und Jesse Munray. Ein ganz normales Ehepaar eben. Keiner der Nachbarn hätte vermutet, dass sie neben zwei Dienern Satans lebten, die nur auf der Erde waren damit ihr Herr endlich wieder aus seinem Gefängnis fliehen konnte. Geld regiert die Welt, solange es nicht offen gezahlt wird.
Ganz nebenbei erleichterte es die Überwachung von Mike ganz ungemein.
Und nun war alles umsonst.
Gott hatte nur zu diesem Zweck die Erde geschaffen. Irgendwo, in einem Gegenstand, einem Lebewesen, irgendwo war Luzifers Macht versteckt. Seit fünfundzwanzig Jahren trug irgendein Menschlein diese Macht in sich und wusste gar nichts davon. Wenn Luzifer diesen Menschen fände wäre er frei und mit ihm alle Dämonen und Sluags. Frei, frei zu tun wonach sie schon alle seit Äonen gelüstete. Der Sturz Gottes und des Paradieses und dann die Erschaffung einer neuen Welt mit neuen Regeln und unter Luzifers Führung.
Was für eine herrliche Vorstellung.
Astarod schloss träumerisch die Augen. Wenn Gottes Diener keinen Widerstand lieferten gäbe es ja nicht mal ein Blutvergießen. Leider stand es geschrieben, dass die Erde der Austragungsort des Krieges zwischen Gut und Böse werden würde, was mit einem ganz großen Blutbad zusammenhing, aber man konnte ja hoffen.
Astarod sehnte sich nicht nach Blut. Unter all den Dienern Satans war er derjenige, der sich noch am meisten Vernunft erhalten hatte.
Mammon war mit der Zeit überheblich und selbstsicher geworden, hatte aber gleichzeitig an körperlicher Kraft abgenommen. Als ihm das selbst klar wurde begann er mit einem intensiven Studium vieler Wege der Nutzung seiner Macht, die ihm als Engel versagt gewesen waren. So wurde aus dem starken Krieger ein schmächtiger Junge, der aber mit einem Wink der Hand die Zeit beeinflussen konnte, der Tiere und Menschen nicht nur in Besitz nehmen sondern völlig zu willenlosen Sklaven machte und der nicht zuletzt über viele Tierarten gebot.
Balbero, ja bei ihr war es am schwersten. Sie war nicht verrückt, ihr war einfach langweilig. Deshalb hatte sie sich das Einzige gesucht, das sie noch umsonst tun konnte: Sex und Töten.
Wenigstens ging sie bei ihren Dämonenkameraden nicht so weit sie umzubringen, wie sie es bei ihren menschlichen Liebhabern, an die sie eher selten kam, tat. Wenn es um Bekannte ging gab sie sich normalerweise mit einem Symbol zufrieden. Eine Narbe oder eine Tätowierung im Allgemeinen. Außer man gab eine zu klägliche Gestalt ab. Wenn sie nicht bekam was sie wollte, dann wurde sie zur Furie. Meistens gab es dann Tote und Verstümmelte so weit das Auge blicken konnte.
Belial. Belial war genau wie Balbero wunderbar anzusehen, aber auch sie hatte ihr Verständnis für Liebe und Verkehr etwas verdreht. Sie war unsterblich in Luzifer verliebt. Ihr ganzes Dasein schmachtete sie nach ihm und versuchte immer ihn zu bekommen, doch er wollte nichts davon hören. Luzifer war kalt wie ein Stein zu ihr, wie er eigentlich zu allen war. Er behandelte sie nicht besser oder schlechter als alle anderen auch.
Und genau das war der Grund für Belials Liebe. Sie selbst hatte einmal gesagt: „Und wahrlich von dem Tag an, da er mich erhört wird jedes Gefühl für ihn vergehen und ich werde den Nächsten beglücken.“
Wie gesagt, die schönsten Frauen sind entweder strohdumm oder total verrückt...
Dann war da noch Mephisto. Die Geschichte Mephistos ist eine der Interessanteren.
Er ging nicht mit Luzifer in die Verbannung, weil er von ihm überzeugt war oder weil er ihn mochte, nein, er ging weil er Uriel nicht mehr treffen wollte.
Das ist eine andere Geschichte, wichtig ist nur, dass Uriel und Mephisto eine sehr unglückliche Liebe verband. Als sie zu bröckeln begann entschied sich Mephisto eben dazu, sie zu verlassen.
Auch an ihm hatte der Zahn der Zeit genagt. Jedoch eher im positiven Sinne. Astarod liebte es sich mit ihm zu unterhalten. Gut, er war der Einzige, aber das war ihm gal. Mephisto redete die meiste Zeit in Reimen und hatte für jede Situation einen Spruch oder ein Zitat zur Hand. Seine Gedankengänge waren verschlungen und sprunghaft. In Wahrheit konnte ihm niemand folgen, aber Astarod war derjenige, der es wenigstens versuchte. Die meisten anderen stempelten Mephisto als verrückt ab, dabei waren sie selbst nicht wirklich normal.
Aber was ist schon normal?
Außerdem war Mephisto ein Meister der Verführung und Überzeugung. Nichts und niemand konnte den unlogischsten Sachverhalt so geschickt in Worte kleiden und als Tatsache präsentieren wie er. Hatte er sich einmal in Fahrt geredet war es unmöglich seinen zwingenden Schlussfolgerungen zuzustimmen, selbst wenn sie der größte Unsinn der Welt waren.

   „Ey! Herzblatt, träumst du?“
Astarod wurde brutal aus seinen Gedanken gerissen.
Balbero riss ihm das Hemd auf und fuhr mit dem Finger an der Narbe entlang. Es wäre nicht nötig gewesen sie dem Menschenkörper aufzuzwingen, doch Astarod hielt sie für ein gutes Erkennungszeichen. Deshalb machte er meistens bei der Inbesitznahme eines neuen Körpers immer von seiner Kontrolle gebrauch und formte eine ähnliche Narbe wie die Wirkliche an sich selbst.
Jetzt spürte er die kühle aber zärtliche Berührung.
Balbero sah ihn zornig an: „Ich rede mit dir. Hör mir zu, verdammt!“
Astarod fragte sich, ob sie ihm ein zweites Zeichen einritzen würde wenn er die ganze Nacht mit ihr schlafen würde.
Er war hin- und hergerissen. Einerseits konnte er sich nur ganz wenige Sachen vorstellen, die über eine Nacht mit Balbero gingen, andererseits hatte er gerade eine große Pleite erlebt und hatte Lust die Erinnerungen daran mit Alkohol zu ertränken.
Dann kam ihm in den Sinn sich zurück zu ihrem Haus zu begeben und eine Tour mit dem Motorrad zu unternehmen. Allerdings war das Haus etwas weit weg. Astarod kamen fast die Tränen wenn er daran dachte, dass er vermutlich die nächsten Tausend Jahre wieder ohne das Gefühl der Freiheit auf zwei Rädern überstehen musste.
Aber Luzifer in Frage zu stellen kam ihm nicht in den Sinn. Erstens war Luzifer sein Freund. Ja, Astarod war einer der ganz Wenigen, die sich schon im Paradies als Luzifers Freunde herausgetan hatten und er war der Einzige, der ihm in die Hölle folgte. Freiwillig.
Zweitens, Luzifer war zwar entmachtet und lebte in einem Gefängnis, aber entmachtet hieß nicht machtlos. Niemand hätte sich mit ihm angelegt.

Astarod investierte noch exakt drei Sekunden zum Überlegen, dann klatschte er laut mit beiden Händen und teleportierte sich und Balbero zum nächsten Hotel.
Fast hätte er sich überschätzt. Er hasste es, wenn er immer wieder feststellen musste, dass Dinge, die er in der Hölle ohne mit der Wimper zu zucken tun konnte einfach nicht mehr funktionierten, sobald er sich nicht mehr in seinem eigenen Körper befand.
Balbero verstand sofort die Planänderung und wartete ungeduldig am Aufzug.
Astarod ging zum Portier, buchte ein Zimmer für die Nacht für sich und „seine Frau“, legte einen Tausender auf den Tresen und schob, als der Portier sagte er würde diese Angelegenheit ganz diskret behandeln noch einen zweiten Tausender rüber.
Schade dass Mammon nicht hier war, der hätte im Handumdrehen einen Packen Geldscheine dagehabt. Astarid konnte nur Illusionen von Geld herstellen, die sich verflüchtigten sobald er sie aus den Augen verlor.
Dann ging er mit Balbero, die inzwischen gewinnend lächelte, auf ihr Zimmer.
Als er die Tür aufsperrte murmelte er vor sich hin: „Ein bisschen Spaß muss sein. Wollust...Pah...Jeder hat seine kleinen Schwächen.“
Dann drehte er sich noch grinsend herum und fragte seine „Ehefrau“: „Sag mal Babs, nimmst du eigentlich die Pille?“
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Sheera
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« Antworten #3 am: 09.Juni.2005, 11:20:03 »


Also, ich war, als es dem Ende der Geschichte zu ging, etwas betrübt. Denn ich hätte gerne noch mehr davon gelesen.  :cry

Zum Einen wegen der Handlung und zum Anderen wegen des Schreibstils.
Ich finde das richtig richtig gut geschrieben! Formulierungen sind sehr passend und vorallem der Wechsel des Protagonisten ist gelungen. Smiley
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Feelings gone astray
But she will sing

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Astirith
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« Antworten #4 am: 09.Juni.2005, 21:08:58 »

Die Geschichte ist echt...WOW! *sprachlos bin*
Schreib mehr! Will mehr lesen! *lol* Cheesy
*froiz*


Bussal hdl Irene (Asti)
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Azarun
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« Antworten #5 am: 10.Juni.2005, 20:46:02 »

Kapitel 6
Als Astaroth erwachte war sein erster Gedanke: „Verdammt, ich bin tatsächlich eingeschlafen!“
Dann richtete er sich halbwegs auf, stellte erstaunt fest, dass Balbero keine Tätowierungsversuche an ihm unternommen hatte.
Vorsichtig sah er sich um. Keine Peitsche kam in Form eines schwarzen Blitzes in sein Gesichtsfeld.
Noch vorsichtiger schwang er die Beine aus dem Bett und zog sich an.
Seltsam, jetzt, wo er Balbero gehabt hatte erwartete er fast, dass sie über ihn herfiel. Aber sie tat es nicht und irgendwie kam er sich dadurch minderwertig vor.
Astaroth ließ seine Gedanken ziehen und sah aus dem Fenster. Regen.
Wunderbares Wetter also. Astaroth mochte den Regen. In der Hölle gab es so was nicht.
   „Na Süßer?“ kam es aus dem Bad, „Endlich aufgewacht?“
Natürlich, dachte sich Astaroth gähnend, wo sonst sollte man eine Frau morgens finden als im Badezimmer?
   „ ja!“ rief er zurück, „Hätte aber noch ne gute Stunde gebraucht.“
Balbero kam endlich aus dem Bad. Zur Feier des Tages hatte sie sich außergewöhnlich angezogen, nämlich völlig normal. Keine aufreizenden Klamotten, Strapse oder solche Dinge, einfach eine Jeans und eine Bluse. Allerdings trug sie ihre Peitsche quer über den Oberkörper geschnürt. In ihrem gegenwärtigen Körper hätte sie das Ding zwar höchstens ungefährlich durch die Luft sausen lassen können, aber trotzdem trennte sie sich nie von der Waffe, denn das wurde dieses Stück Leder in Balberos Händen.
Jeder andere hätte gesagt, dies sei eine ganz normale Peitsche, nicht besonders dick, keine Stahlhäkchen daran, alles im allem nichts Besonderes.
Aber das war es nicht. Jeder Engel und jeder Dämon trug in seiner Seele die Verbundenheit mit einer bestimmten Waffe, lediglich Luzifer schien im Umgang mit jeder Waffenart ungeschlagen zu sein.
Astaroth war Träger eines Schwertes, dessen Stahl aus Flammen selbst bestand.
Michael zum Beispiel, der strahlende Held der Konkurrenz, der aussah wie aus einem Handbuch für Arier entsprungene Engel, gegen den Astaroth eine persönliche Abneigung hegte, war Träger eines riesigen Doppelspeers.
Und Balbero trug ihre Peitsche. Selbst Michael hätte es sich zweimal überlegt ob er einen offenen Kampf mit ihr eingehen wollte. Keine andere Waffe im Himmel oder in der Hölle war so schnell wie Balberos Peitsche.
Astaroth wusste zwar mit Sicherheit, dass Luzifer auch das leicht geschlagen hätte, aber er hatte ihn bisher nur ein Mal kämpfen sehen. Einerseits verstand Astaroth, dass Luzifer durch seinen Gang ins Exil seine Macht verloren hatte, andererseits wusste er genau, dass der Fürst der Hölle trotzdem noch so ziemlich jeden Engel einstecken konnte, hätte er es nur gewollt.
Vermutlich wollte Luzifer einfach nicht kämpfen, da er Angst davor hatte aus Versehen eine ganze Stadt in die Luft zu jagen, anders konnte sich Astaroth das nicht erklären.
Besorgt sah er aus dem Fenster.
Er wusste, dass die Konkurrenz sie schon seit Langem suchte. Ihre Anwesenheit hatte sich aufgedeckt. Zum Glück hatten die „Guten“ das gleiche Problem wie die „Bösen“: Sie mussten erst einen Wirt finden. Ohne Gottes Einverständnis durfte kein Engel die Erde betreten. Das war zwar schon einige Male etwas gedehnt worden (schließlich konnte man auch die ganze Zeit über dem Boden schweben oder solche Dinge), aber Gott missbilligte es und sein Wort war in seinem Reich Gesetz. Was auch sonst...?
   „Balbero, ich werde das Alles vermissen.“ seufzte Astaroth.
   „Natürlich. Aber ich bin auch gespannt darauf Lu und Mum und Möp wiederzusehen.“
Astaroth sah sie scharf an. Er wusste genau, hätten Luzifer, Mammon und Mephisto das gehört wäre Balbero jetzt irgendwo in einer der tiefen Kammern der Hölle und würde vor Qualen schreien. Die meisten Kammern weiter unten waren der Aufnahme spezieller Gäste eingerichtet, auf Deutsch Folterkammern.
Hin und wieder kam es vor, dass Menschen sich freiwillig Satan verschrieben (Idioten!). Diese wurden dort gerne aufgenommen. Sie wurden zu Sluags gemacht um im großen Krieg um Hell und Dunkel, Armageddon wurde es oft genannt, für ihre Seite einzustehen. Sie waren die treusten Diener, obwohl sie weder Gehirn, noch Augen, noch Nase hatten. Sie waren des Sprechens nicht mächtig, konnten aber Befehle entgegennehmen und zuverlässig ausführen.
Luzifer hatte sich diese Prozedur einfallen lassen um sicherzugehen, dass sie nicht mehr auf eigene Gedanken kamen sondern immer nur von ihrem Entschluss sich dem Dunkel anzuschließen geleitet sahen.
Hin und wieder allerdings kam es vor, dass Luzifer auch mal die Belohnung für besonderes Versagen dort ausführen ließ. Oder für Spott.

   „Irgendwie hab ich jetzt Lust auf ein Blutbad.“, murrte Astaroth schlecht gelaunt.
Er und Balbero waren schon auf dem Weg zur Kirche. Vor langer Zeit noch eine katholische Kirche war das Gebäude schrittweise entweiht und für andere Zwecke genutzt worden, dafür hatten die Menschen schon gesorgt. Zum Glück steckte noch genug Energie in den alten ehemals geweihten Steinen, um es als Tor zu verwenden.
   „Luzifer wird toben.“ Meinte Balbero, die offenbar nicht zugehört hatte.
   „Das wird er.“, bestätigte Astaroth, „Aber ich glaube er wird uns raushalten.“
Sie kamen endlich am Tor der alten Kirche, oder eher Kapelle, an.
Astaroth öffnete es. Die rostigen und verschobenen Scharniere gaben laute quietschende Laute von sich.
   „Nun, sieht so aus als wäre der Urlaub vorbei.“, seufzte Astaroth, „In zwanzig Jahren hätte ich eigentlich mal den Kram hier ölen können.“
Er kratzte sich am Kopf als Balbero vor sich hin murmelte: „Ich kanns nicht glauben, aber ich wird diese ganze versaute, verstunkene, beschissene Welt vermissen.“
   „Ja, in nächster Zeit wird dein Höschen trocken bleiben.“, stichelte Astaroth.
Balbero schlug ihn spielerisch gegen die Brust.
   „Du schmuddeliger perverser Spanner, du!“ rief sie lachend.
   „Jetzt wärs ich wieder gewesen.“ Meinte er und tat so als wäre er beleidigt.
Sie gingen beide durch das kleine, schon etwas angefaulte Kirchenschiff.
Das Kreuz am Ende war herabgerissen und in möglichst viele Einzelteile zerlegt worden. Erstaunlich, dass sich hier weder Obdachlose noch Straßenräuber versteckt hielten. Vielleicht war es die ungemütliche, düstere Aura, die dieses Gebäude fast zwangsläufig wie stickige Luft umflutete.
Genau in der Mitte war das Kreuz, das für gewöhnlich an der Wand hing, mittels einem komplizierten System aus Winkelhalbierenden und Senkrechten auf dem Boden nachgezeichnet. Ging man vom Tor aus direkt darauf zu sah es so aus als würde man einem nur auf dem Boden sichtbarem Gang folgen.
Astaroth postierte sich direkt in der Mitte. Er ballte die Faust mit aller Kraft bis sich die Fingernägel ins Fleisch gruben. Dann trug er in einer schwungvollen Schrift mit seinem eigenen Blut den seinen und Balberos Namen in einer Spirale aus lauter anderen ein.
Mephisto, Ifrit 1234. Typisch Mephisto. Mammon 1573. Aha. Die Kirche war anscheinend sehr alt. Schon komisch, dass sie nicht einfach zerfallen war.
Jetzt stand da auch noch Astaroth, Balbero 2005. Irgendwie war Astaroth das zu wenig. Er fand wenn man so mächtig war wie er und noch dazu so gut aussah konnte man ruhig eitel sein, deswegen schrieb er noch „20 Jahre Party“ dazu.
   „Was machst du schon wieder für ?“ rief Balbero unruhig und zupfte an ihrer Bluse herum.
   „Ruhe.“ Antwortete er einfach. Irgendwie war es ihm noch immer zu wenig, deswegen schrieb er noch dazu „Die Musik ist besser geworden.“.
Endlich erhob er sich wieder, wischte die Hand ab, breitete die Arme aus und schloss die Augen.
   „Mach es noch theatralischer und ich mach hier noch ein Jahr ohne dich auf.“ Balbero verschränkte die Arme.
   „Zicke...“ murmelte Astaroth genau so, dass sie es nicht mitbekam und konzentrierte sich kurz und sah, dass Balbero es ihm gleichtat.
Die Reise für beide hatte begonnen.
Beide, nun plötzlich leeren und völlig wertlosen Körper sackten zu Boden wie zwei Säcke.
Eine Sekunde ging es durch die Zeit, den Raum und nicht zuletzt eine Barrikade, die beide Welten voneinander trennte.
Niemals wäre es gestattet gewesen aus der Hölle auszubrechen und sich auf die Erde zu begeben, zum Glück war es der Konkurrenz egal und sie hatte die Augen überall nur nicht bei den Menschen.
Es schien als würde sich das Universum selbst gequält zusammenziehen, als Astaroth endlich in der Hölle wiedergeboren wurde.
Er schlug die Augen auf. Die im düsteren Licht schwarz erscheinenden Augen arbeiteten sofort zuverlässig und genau. Er erkannte den Raum wieder, den er gesehen hatte bevor sich sein Geist vom Körper trennte und auf die Reise zur Erde machte.
Er erkannte sein „Zuhause“ wieder und fast augenblicklich kam das ebenso altbekannte Abscheu in ihm hoch.
   „Wunderbar.“, seufzte er ironisch und schwang sich elegant in die Höhe und prüfte der Reihe nach die Muskeln seiner Arme. Nebenbei ließ er ungeniert seine Blicke über Balberos nahezu nackten Körper gleiten.
Was für ein Anblick. Kein Wunder, dass ihr die Männer nicht zu Füßen lagen, sondern sie regelrecht vergötterten, bekamen sie die Chance sie im Traum in ihrer wahren Gestalt zu sehen.
Ihr pechschwarzes Haar fiel ihr in einem langen Zopf bis zum Knie. Musste herrlich aussehen, wäre es offen gewesen.
Ihre normale Kleidung bestand für gewöhnlich aus Strapsen, und verdammt enger Unterwäsche. Sonst nichts. Leider, das hatte Astaroth sehr schnell festgestellt, gewöhnte man sich an den Anblick, selbst wenn er einem in den ersten Jahren das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Irgendwie schade, bei den Menschen hatte Astaroth gelernt, dass Schönheit etwas Erstrebenswertes war, das man erreichen musste um akzeptiert zu werden.
Wenn man es in die Wiege gelegt bekam wurde es nebensächlich. Alle Engel waren schön. Der kleine Spanner namens Gott duldete offenbar keine hässlichen Geschöpfe in seiner Nähe.
Astaroths Gedanken nahmen die für ihn bekannten radikalen Züge an.
Balbero erwachte. Sie stand auf die selbe Weise wie Astaroth auf, so dass sie neben ihm stand.
Auch er hatte sich verändert.
Er war größer, bestimmt an die 2 Meter. Blondes Haar fiel scheinbar ungezügelt bis auf die Schultern, allerdings stellte man zum Beispiel bei Wind fest, dass es sich nicht bewegte.
Nur die Augen waren gleich. Je nach den Lichtverhältnissen passte sich ihre Farbe an.
Astaroth ließ die Hand zu seinem Schwertgriff gleiten. Er war noch da, natürlich.
Wer sollte es auch nehmen...
Vorsichtig, fast ehrfürchtig nahm er den Griff und betrachtete ihn. Es war in der Tat nur das Heft eines Schwertes, doch sobald er ihn leicht schwang schossen Flammen aus dem bloßen Metall, bildeten einen glühenden Strang und wurden von einem Augenblick zum anderen zu ebenso blitzendem, rasiermesserscharfen Stahl wie das lederumwickelte Heft.
   „Angeber.“, gähnte Balbero und streckte sich ausgiebig. Ihre Peitsche hatte sie wie immer um den Körper geschlungen.
   „Süße, ich glaub ich brauch Urlaub.“ Meinte Astaroth und streckte sich auch.
Er konnte spüren wie etwas in ihm wieder zu fließen begann.
Mit einer fließenden Bewegung steckte er das Schwert wieder zurück an den Gürtel.

Zuhause.
Astaroth war wieder zuhause. Leider war das kein gutes Zuhause.
Die Hölle war ein Ort, der einem Gefängnis sehr nahe kam, nicht nur, weil man ihn nicht ohne Weiteres verlassen konnte. Sie war ein Gebäudekomplex, der nach außen weder Türen noch Fenster hatte. Nicht die kleinste Öffnung. Luzifer selbst hatte einmal gesagt es gäbe gar kein Außen.
Das spärliche Licht kam von den Wänden selbst, die rau und uneben waren. Fast alle, die hier lebten benutzten ihre Scheingestalt um sich zurechtzufinden. Jeder Engel konnte sein göttliches Äußeres verbergen, die Flügel verschwanden, die bestechende Aura wurde viel geringer und nicht zuletzt verlor man die betäubende Wirkung auf Sterbliche. Und weil Dämonen gefallene Engel sind, können sie das auch.
Langsam ging Astaroth durch die Gänge des äußersten Kreises. Die Hölle war kreisförmig aufgebaut. Zehn Kreise lagen ineinander, wobei der Innerste so etwas wie ein großes runder Saal war. Luzifers Thron befand sich dort, ebenso wie ein Tisch mit sieben Stühlen für die Erzdämonen.
An jeder Stelle im Tisch war in Unmengen an menschlichen und göttlichen Sprachen eine der sieben Todsünden kunstvoll eingekerbt.
Genau darauf steuerte Astaroth jetzt zu. Balbero hatte sich schon von ihm getrennt und war in die entgegengesetzte Richtung losgelaufen. Vermutlich suchte sie ihre Kammer auf und wollte den Bericht des Fehlschlags lieber einem Freund Luzifers überlassen.
Nach genau 30 Minuten traf er im Thronsaal ein. Unterwegs hatte er nur wenig Wesen getroffen. Die meisten davon Sluags, die sich spuckend und schleppend durch die Gänge trieben.
Astaroth war erstaunt als er nicht nur Luzifer wartend vorfand, sondern auch Alastor.
Alastor war kein Erzdämon, aber auf dem besten Wege aufgenommen zu werden. Dieser Rückschlag allerdings konnte ihn wieder aus der Bahn werfen.
Zum Glück bleibt mit an dieser Stelle die Beschreibung Luzifers erspart. Wie könnte man den Unsagbaren auch annähernd beschreiben?
Seit seiner Verbannung hatte Luzifer sich nicht mehr wirklich gezeigt, weder in seiner wahren Gestalt, noch in der Scheingestalt. Er hatte sozusagen ein Gebilde an Illusionen um sich herum aufgebaut, dass ihn ständig in ein Wabern und Rauchen eines feinen schwarzen Nebels hüllte, der zwar kaum die Sicht verdecken konnte, es aber trotzdem einfach tat.
Warum und wie er das getan hatte wusste niemand.
Astaroth konnte sich nur noch wage an seinen alten Freund erinnern. Im Paradies hatten sie nicht auf ihr Aussehen geachtet, so dass sich nur sehr wenig von der Erscheinung des Anderen im Gedächtnis gehalten hatte.
Luzifer wartete nicht bis Astaroth herangetreten war, er sprach sofort los:
   „Nun Astaroth. Du kannst nichts als leere Hände vorweisen.“
Das war keine Frage, keine Tatsache aber auch keine Feststellung.
Astaroth nannte Luzifers Tonart hin und wieder ehrfürchtig die Ich-bin-nicht-wirklich-böse-doch-wenn-du-einen-falschen-Ton-von-dir-gibst-wirst-du-dir-wünschen-die-Hölle-besäße-noch-Tausende-an-Gänge-in-denen-du-dich-verstecken-könntest-Tonart.
Tatsächlich neigte Luzifer selten zu unaussprechlichen Wutanfällen. Seine Stimme war fast fassbar.
Wollte er sich einschmeicheln hatte man das Gefühl sanfte Federn streichelten Einen am ganzen Körper, wollte er Drohen sah man förmlich das Messer, das Einem an der Kehle ruhte.
Und war er zornig, dann entfaltete seine Stimme schon auch Mal die Wirkung eines Presslufthammers. Die Wände des Thronsaales waren schon über und über mit Furchen und Ritzen bedeckt, die allein dem Klang Luzifers Wut entsprangen.
Hier unten redete Luzifer niemand mit seinem Namen an, darauf hatte er bestanden. Hier unten (Astaroth gebrauchte instinktiv meistens das Wort „unten“) war er Satan.
Es stimmte übrigens wirklich, Luzifer war nicht böse. Doch sein Aufstand, von dem nur Astaroth ganz genau wusste wie tragisch er in Realität gewesen war, seine Verbannung und nicht zuletzt die Jahrtausende hier hatten ihn kalt gemacht.
Astaroth selbst nannte sich oft „abgeklärt kalt mit Hang zur Gefühllosigkeit“, doch wenn das stimmte war der Vergleich mit Luzifer etwa wie eine brennende Kerze und ein Eiswürfel.
Luzifer konnte Gefühle empfinden und hin und wieder, ganz ganz selten tat er das auch, die meiste Zeit jedoch war er unnahbar, weit entrückt.
Er fand, Gefühle bedeuteten Schwäche, also hielt er es so und versuchte nie welche zu empfinden.
In Bezug zu manchen Dingen war es ihm schon äußerst gut gelungen, wie man an Belial sehen konnte.
Um sie loszuwerden musste er nur ein leises „Ich liebe dich.“ von sich geben, dann wäre er sie für immer losgewesen, aber er blieb kalt und tat nichts und Belial umschlich ihn weiter.

Jetzt hob Luzifer seine Hand um zu zeigen, dass er vergab.
   „Zum Glück bedeutet dein Versagen nichts, Astaroth. Alastor hat etwas Entsprechendes herausgefunden, dass uns unserem Ziel um Einiges näher bringt.
Du hast dich auf den Falschen konzentriert.“
Astaroth sog scharf die Luft ein. Das war genau das, was er sagen wollte. Luzifer musste das wissen. Dass er es nun selbst aussprach bedeutete, dass er jetzt wusste, wer der Richtige war.
   „Nun Herr, wer ist es?“, fragte Astaroth gespannt. Wenn sie nicht unter sich waren sprach er Luzifer immer mit Herr an.
Leider hatte Luzifer es schon geschafft Astaroths gesamten Reserven an Geduld aufzubrauchen. Zugegeben, er besaß nicht viel davon, nicht umsonst hatte er den Ruf sich auf nichts konzentrieren zu können, das nichts mit Blut zu tun hatte.
Luzifers neblige Gestalt wurde etwas dichter als er sprach: „Wir haben zu reden.“ Er deutete irgendwohin. Astaroth war sich sicher, dass in dieser Richtung ganz bestimmt kein Stuhl war.
   „Ich wüsste nicht, über das es zu reden gilt, Herr.“
Astaroth hatte sich für schwierige Gespräche extra diese abgehobene Art zu Reden angeeignet. Oftmals reichte das schon, um den Gesprächspartner zu verunsichern. Natürlich war es schon lange nicht mehr angesagt so zu Sprechen, aber wen interessierte das. Durch gelegentliche Besuche auf der Erde konnte man auch in der Hölle immer mit der Zeit gehen. Der, der den Abstecher unternommen hatte musste dann eben die Anderen einweihen.
   „Setz dich.“ Sagte Luzifer. Sein Tonfall unterschied sich nicht im Geringsten, trotzdem wurde irgendwie klar, dass er nichts anderes dulden würde.
Astaroth setzte sich langsam auf seinen Platz an der Runde, genau dort wo Hochmut eingraviert war. Aber das hatte nichts zu sagen.
   „Alastor. Erkläre ihm die Situation.“ Sagte Luzifer zuckersüß.
Alastor traute sich nun, da er direkt angesprochen wurde, in die gespannte Unterhaltung einzugreifen.
   „Einen schönen Abend, Astaroth.“
Schlagartig sackte Astaroths Laune noch um einige Kilometer in den Keller. Erstens wusste man hier nie genau ob es Tag oder Nacht war, ganz einfach, weil es das hier nicht gab!
Zweitens mochte er Alastor nicht und es war ihm am Liebsten, wenn er den Mund geschlossen hielt.
Trotzdem zwang er sich, obwohl in ihm schon der Drang aufkam ganz schnell ganz viel Blut zum spritzen zu bringen, ruhig zu bleiben.
   „Lass hören.“ Sagte er gezwungen.
   „Also, du warst jetzt zwanzig Jahre auf der Erde, aber das war nicht wirklich weil dieser Mensch unser Ziel war, sondern weil wir den Richtigen kennen, er aber schwer zu holen ist. Du kennst dich perfekt aus und kannst uns gemeinsam mit Balbero Hilfe leisten. Wir holen uns den Wächter.“
RUMMS! Damit war Astaroths Laune endgültig abgeschossen... Er bezweifelte, dass sie sich jemals davon erholen würde.
   „Also hast du mich sozusagen ‚getestet’? Ich kanns nicht glauben.“, rief er zornig.
   „Ein notwendiges Übel sobald du hörst auf was für ein Problem wir stoßen.“ Sagte Luzifer eisig.
Alastor ergriff wieder das Wort: „Wir haben erkennen müssen, dass die Konkurrenz nicht geschlafen hat und der Wächter ironischerweise selbst bewacht wird.“
   „Bewacht? Das ist doch bloß ein Mensch, der mit Luzifers Macht herumrennt und sich darüber Gedanken macht warum es regnet und nicht die Sonne scheint, verdammt noch mal. Wen interessiert das schon? Holen wir ihn uns einfach dann sind wir frei! FREI Alastor. Kennst du dieses Gefühl noch?“
Alastor ließ sich von Astaroths Worten nicht aus dem Konzept bringen.
   „Reden wir doch besser von ihr, denn Er ist in Wahrheit eine Sie. Und außerdem könntest du mir besser zuhören.“
   „Welcher Engel macht sich schon die Mühe auf einen Menschen aufzupassen?“ fragte Astaroth.
Statt Alastor antwortete nun Luzifer wieder selbst: „Sogar zwei. Raphael und seine Tochter Sharith.“
Für eine Sekunde zögerte Astaroth, dann sagte er leise:
   „Wir haben wirklich ein Problem.“
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« Antworten #6 am: 12.Juni.2005, 14:42:16 »

Excellent. Einfach großartig geschrieben. Ich konnte mich bis jetzt nicht losreißen von deiner Geschichte. Selbst als ich im Zug gesessen bin, hab ich sie noch gelesen. (Sry, aber ich musste sie ausdrucken ^^). Auf jeden Fall würdest du einen äußerst interessanten Autoren abgeben. *lächelt* Ich bin erstaunt von deinem enormen Hintergrundwissen. Ich meine alleine die "Szene" mit der "Mafia", die Waffenbeschreibungen, die Geschichte über die Dämonen, die einzelnen Namen... bemerkenswert... Das soll jetzt keinerlei Schleimerei sein, aber das ist eine deiner besten Geschichten bis jetzt.

Noch mehr davon!!!!! ^^
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« Antworten #7 am: 12.Juni.2005, 15:11:24 »

der anfang erinnert mich an irgendwas...*drop* nich das ich mal schuld bist, wenn du von nem dämonn gekillt wirst ^^
und du hast ja sogar die schreibweise geändert *froi* schaut besser aus so...falls noch fragen hast, nur zu ^^ *smile*
auf jeden fall sehr gut geschriebn ^^
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« Antworten #8 am: 13.Juni.2005, 15:57:12 »

Ja...ähm... so kanns gehen. Man muss schon sehr aufpassen, wen man auf dem Schulweg trifft. ^^
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« Antworten #9 am: 13.Juni.2005, 17:21:48 »

...muss ich jetz angst um dich ham O.o? ...also hände weg von gutaussehenden typen mit lederklamotten, ok? *fg*
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« Antworten #10 am: 13.Juni.2005, 19:39:38 »

Boah, nach deiner Beschreibung wäre ich ja selbst einer dieser Kerle. ^^
 :lol:
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« Antworten #11 am: 13.Juni.2005, 20:36:09 »

dein selbstbewusstsein is echt noch größer als früher...wobei ichs ja net mal bestreiten kann...aber du weißt was ich mein

edit: OH MY GOD: was hast du getan...raphael is mein mann net mein vater *kicher* das wär ja noch shcöner...mein vater is Leviathan (erzdämon; todsünde neid)
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« Antworten #12 am: 14.Juni.2005, 19:04:23 »

Weiß nich was du hast, du bist ja vielleicht gar nicht gemeint.  Tongue
Außerdem will ich ja schließlich eine eigene Story schreiben und nicht deine kopieren. ^^
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« Antworten #13 am: 14.Juni.2005, 19:33:24 »

Ach übrigens, hier habt ihr ein Bild von Astaroths Scheingestalt, falls es euch interessiert:
http://astaroth-fire.tripod.com/

Und hier von Belial:
http://www.angelicvoice.net/~shrine/galleries/fanart/leguman_belial.jpg

Aber das ist nur, wie ich sie mir vorstelle. ^^
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« Antworten #14 am: 14.Juni.2005, 19:57:35 »

also das erste funktioniert nicht...

das Bild von Belial sieht aber echt supi aus. ^^ Der Teddy passt so gut zu ihr.  Cheesy
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« Antworten #15 am: 14.Juni.2005, 19:58:22 »

Der letzte Post stammt von mir ... upps ^^'
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« Antworten #16 am: 14.Juni.2005, 20:51:05 »

is des ent n hase? aber der stil kommt mir bekannt vor...

aber es is seltsam raphael als meinen vater zu lesn *schluck*
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« Antworten #17 am: 14.Juni.2005, 20:52:53 »

Das jetzt gleich wird dir noch viel seltsamer vorkommen. ^^









Kapitel 7
Zwei Monate später
Astaroth schwang sich lautlos wie ein Schatten auf den Fenstersims.
Unter ihm zog sich die sichere Straße entlang, vor ihm lag die einladende Stille eines leeren Wohnung.
Er ließ sich geräuschlos auf den Boden sinken und sah sich berechnend um. Die Stiefel würden bei jedem Schritt ein unverkennbares Geräusch auf dem Holzboden ergeben.
Trotzdem richtete er sich auf und durchquerte das Zimmer. Es gab hier keine Türen. Die Leute, die hier gewohnt hatten, waren vor einem Monat ausgezogen.
Und der Wächter wohnte gegenüber des Innenhofes.
Und was noch viel besser war, Sharith befand sich direkt unter ihm.
Genießerisch durchquerte er auch noch den Flur, öffnete leise die Tür und trat in das Treppenhaus.
Unter sich konnte er ihre Schritte hören. Gemäß Belials Beobachtungen kam sie gerade zurück von ihrem abendlichen Rundgang. Seit genau vier Wochen und fünf Tagen tat sie das jeden Abend.
Astaroth beobachtete sie gerne. Irgend etwas an ihr faszinierte ihn.
Er spähte über das Geländer. Gleich war es soweit. Sobald sie dir Tür geschlossen hatte würde er das Zeichen geben und sich dann systematisch dem Haus widmen, während Balbero und Alastor sich um Sharith kümmerten.
Raphael allerdings würde mit Sicherheit sofort die Falle erkennen und sofort zu Mikes Exfreundin laufen.
Astaroth hatte es erst vor zwei Monaten erfahren. Luzifer wusste ganz genau, dass Hanna in Wirklichkeit der Schlüssel war, aber er wollte kein Risiko eingehen.
Alastor hatte das natürlich erst erklärt, als sie schon allesamt wieder in der Welt der Menschen waren.
Astaroth, Balbero, Mephisto, Alastor und Belial.
   „Sie wohnt hier, das habe ich schon in Erfahrung gebracht.“, hatte Alastor gesagt, „Der Komplex besteht aus vier Häusern mit einem Innenhof. Ich glaube die Menschen haben dafür irgendeinen Namen...fällt mir aber jetzt nicht ein. Nennen wir es Wohnanlage. In dieser Wohnanlage befindet sie sich. Da, hinteres Gebäude, vierter Stock.“
Er fuchtelte in einer gewagt großen Bewegung auf der Kreidezeichnung herum, die daraufhin endgültig unkenntlich wurde.
Astaroth hörte schon gar nicht mehr zu. Er holte einen neuen MP3-Player heraus und suchte einen Song von Linkin Park heraus. Mit einem schnellen Blick vergewisserte er sich, dass auch die Anderen nicht bei der Sache waren.
Belial lehnte entspannt schlafend in ihrem Sessel und gab hin und wieder unverständliche Worte von sich.
Mephisto saß am Fenster und schrieb wahnwitzige Behauptungen und Formeln auf Papierfetzen, die er dann durchs Fenster davon segeln ließ. Im Moment schrieb er:
   Wahrheit = Realität x Lüge
Dann betrachtete er das Ganze und setzte die „Lüge“ zum Quadrat. Noch ein kritischer Blick.
Um „Realität x Lüge²“ kam eine Klammer und ein „ : Wissen“.
Alles in Allem stand jetzt da:
   Wahrheit = (Realität x Lüge²) : Wissen
Astaroth hatte so seine Zweifel an dem was da stand. Er ließ die Blicke weiterschweifen.
Balbero lehnte, wie konnte es auch anders sein, rücklings auf ihrem Stuhl und hatte die Hand tief in ihrem Höschen vergraben. Hin und wieder entkam ihr ein leises Stöhnen.
Astaroth vergrub den Kopf in seinen Händen.
Gestern Abend war es spät gewesen. Um genau zu sein war es heute morgen spät gewesen!
Und dann kam Alastor daher und verlangte eine ausführliche Besprechung... Bastard!
So lange Astaroth in diesem elenden zerbrechlichen Körper steckte konnte er auch an Schlafentzug leiden, das sollte Alastor doch wissen.
Astaroth lehnte sich zurück und lauschte den versöhnlichen Klängen von Meteora...

Schlagartig kehrten seine Gedanken zur Gegenwart zurück.
Sharith stand jetzt vor der Tür und suchte nach ihrem Schlüssel. Die Augen glitten suchend über die Wand als könne sie ihn dort finden, die Hände rutschen unachtsam über die enge Hose.
Unendlich langsam zog Astaroth die MP5, die an einem Gurt um seine Schulter baumelte. Noch langsamer lud er sie durch. Klickend fuhr die erste 10mm Kugel, wie man an dem geraden Magazin erkennen konnte, in die Kammer der Waffe.
Belial hatte ihn nur bemitleidenswert angesehen, als er sagte er wolle zwei MP5 10mm. Kein Mensch konnte zwei dieser Heckler und Koch Maschinenpistolen gleichzeitig halten.
Insgeheim war sich Astaroth auch im klaren darüber, dass seine Kraft vermutlich nur für je ein Magazin reichen würde, dann wären seine Arme lahm. Trotzdem, er mochte die Waffen und er mochte ihre Durchschlagskraft.
Im Grunde ist die Wirkung eines 10mm Kaliber genau die gleiche wie die eines 9mm Kalibers, doch die 10mm lassen den Getroffenen gleich noch ein bis zwei Meter nach hinten wegfliegen.
WAMMS – Die Tür fiel ins Schloss.
Wieder kehrten Astaroths Gedanken zurück in die Gegenwart. Er hatte sich zum zweiten mal ablenken lassen.
Wie furchtbar unprofessionell.
Er schwang den Arm durch den Gurt der MP und hoffte, dass sie nicht zu sehr schlackern würde, dann schwang er sich über das Geländer.
Für einige Sekunden hatte er das Gefühl er würde fliegen, dann trafen die Stiefel so hart auf Fließen, dass der Krach noch kilometerweit zu hören sein musste.
Sofort wurde oben die Tür wieder aufgerissen. Man wollte wohl nachsehen, was es mit diesem schussähnlichen Geräusch auf sich hatte.
Pfeifend öffnete Astaroth die Haustür. Er hatte noch ein ganzes Haus leer zu räumen und nur so wenig Zeit.
Er hörte nur noch entfernt wie Sharith die Sicherheit ihrer Zuflucht verließ. Er hörte unendlich leise wie Balberos Peitsche sich knallend um ihren Hals schlang und über das Gelände zerrte.
Was er allerdings noch gut hörte war, wie sie mit voller Wucht auf den Fließen aufschlug.
Astaroth pfiff fröhlich vor sich hin.



Alastor unterdessen saß im Schneidersitz auf dem Dach des fraglichen Gebäudes und wartete.
Er hörte einen lauten Knall. Astaroths abgesprochenes Zeichen.
Er gab Belial einen Wink. Ihre funkelnd blauen Augen strahlten erfreut aus ihrem rotumrahmten Gesicht.
   „Gibt es endlich Spaß?“, fragte sie lächelnd.
   „In der Tat.“, antwortete Alastor und strich seinen maßgeschneiderten Anzug glatt.



   „Na Töchterchen.“, fragte Balbero zuckersüß und rollte die Peitsche zusammen.
Aus dem etwas geplätteten Bündel kam ein leises Geräusch. Sharith hatte lustigerweise den Fall überstanden.
   „Mephisto, geh und sieh nach was Raphael macht.“, sagte Balbero kurz.
Dieser nickte und verschwand. Er machte sich nicht die Mühe nachzufragen oder etwas zu erwidern.
   „So sieht man sich wieder.“, seufzte Balbero und setzte sich, peinlich auf ihre Strapse achtend, gegenüber ihrer Tochter, „Wäre Raphael bei uns wären wir sogar eine richtige Familie. Leider hat er zu tun.“ Sie zuckte die Schultern und hob Shariths Kinn etwas an, so dass sie in ihr von Blut besudeltes Gesicht sehen konnte, „Er hat schon immer die Pflicht über alles andere gestellt. Siehst du? Wie ich dachte, er kommt dir nicht zu Hilfe. Ein schöner Gedanke, nicht wahr.“
Balberos Hände schraken zurück, als Sharith Genick ein protestierendes Krachen von sich gab.
   „Hure...“
Der feuchte gestöhnte Laut kam offenbar von Sharith.
   „Nun, wir alle tun das, was wir tun wollen. Der eine mag es Pflicht nennen, der andere ist klug genug und nennt es Völlerei, doch letztendlich hat man oft die Wahl zwischen so vielen Dingen und man entscheidet sich nie für das, was man machen sollte, sondern für das, was man machen möchte.“, antwortete Balbero lächelnd und hob wieder vorsichtig das Kinn ihrer Tochter an.
   „Schlampe...“, blubberte Sharith noch gequälter.
   „Langsam fürchte ich wirklich, dass du dich verletzt hast, meine Kleine.“, sagte Balbero immer noch lächelnd, „Na komm schon hoch. Es war Luzifers Befehl Raphael als Präsent mitzubringen, vielleicht freut er sich ja auch über dich.“
Ungeachtet der vielen Krachenden Laute aus Shariths Körper zog Balbero sie an den Schultern in die Höhe und trug sie ohne Mühe aus dem Gefahrenbereich.



Alastor klopfte einmal, zweimal, dreimal. Keine Antwort. - Er trat die Tür ein und zückte sofort seine UZI.
   „Einen schönen Tag, mein Name ist Alastor, ich bin vom überirdischen Geheimdienst und müsste Ihnen einige Fragen stellen.“, brüllte er mit seinem ganzen Lungenvolumen in die Wohnung.
Von irgendwo aus dem Wohnzimmer kam ein Schrei gefolgt von lauten schritten.
Dann sah Alastor endlich die Chance auf Freiheit.
Sie hatte schwarzes Haar, braune Augen und eine zerbrechliche Brille. Hanna, Mikes ehemalige Freundin, war nicht schön, aber hübsch. Sie trug ein schwarzes Top zu einer blauen Jeans.
Und sie hatte keine Ahnung, was in ihr schlummerte, das sah ihr Alastor sofort an.
Grinsend hob er die UZI und drückte ab. Ein Feuerstoß schlug krachend in das Holz, wo eben noch Hannas Gesicht gewesen war. Sie hatte sich geistesgegenwärtig zurückgeworfen.
   „Frevler! Verräter des einen Gottes“, rief plötzlich jemand von der zertrümmerten Tür.
Alastor drehte sich herum und gab Belial einen Wink schnell abzutauchen. Ihr Plan ging Stück für Stück auf.
Belial schwang sich blitzschnell aus dem Fenster und machte sich auf die Suche nach Balbero.
   „Ja, dir auch einen schönen Tag, Raphael.“, begrüßte Alastor den Engel, der etwas unentschlossen zwischen Alastor und dem Fenster, durch das Belial gerade entschwunden war, hin und hersah, „Lange nicht gesehen.“
   „Bei Gott, geh zurück wo du herkommst, Dämon.“, rief Raphael und griff zum Gürtel.
Was immer er greifen wollte, Alastor war schneller.
Er hob die UZI so schnell, dass Raphael, der völlig überrascht von der Situation war, keine Chance hatte. Dann drückte er ab.
Raphael wurde von dem Feuerstoß zurückgeworfen. Unangenehm ertönte das Geräusch der Kugel, die Fleisch trafen. Raphaels blondes Haar verpasste dem Blutnebel einen goldenen Schimmer.
   „Wooohooouuuuuu!!!!!!!“, rief Alastor aus und nahm die UZI wieder herunter, „Bei allen Flammen. Das war ja leicht.“
   „Und es besiegelte deinen Tod.“ Wieder kam die Stimme von irgendwo hinter Alastor, doch diesmal kannte er sie. Er kannte sie gut.
Langsam drehte er sich um.
   „Gabriel, Gottes Vertreter auf Erden.“, sagte er ehrlich überrascht, „Und wir dachten schon Gott selbst stünde hinter dem hier. Ah, was für eine irrige Annahme. Gott würde sich niemals einmischen. Du schon.“
Gabriel warf einen kurzen Blick zu Raphael, der trotz seiner Verletzungen noch lebte. Er musste Höllenqualen erleiden. Alastors UZI war mit Patronen bestückt, die gegen Gottes Diener sehr wirksam waren. Sie waren kurz in Luzifers Blut getaucht worden.
Wunderbar wie verletzlich Engel werden, wenn man nur ihren Glauben angreift, dachte Alastor und betrachtete Gabriel.
Der Erzengel hatte sich nicht verändert. Er trug einen ebenso maßgeschneiderten Anzug wie Alastor, jedoch in hellem Weiß. Man hätte sie für Vorstandsvorsitzende halten können, der Eine in dem Pechschwarzen, der Andere in dem Hellweißen Anzug.
Gabriels dunkle Augen strahlten Selbstsicherheit aus. Sein Haar war genau so, dass man nicht erkennen konnte, ob er männlich oder weiblich war. Auch seine Körperproportionen gaben keinen Aufschluss. Schon früher hatte Gabriel sich in dieses Geheimnis gehüllt.
Aber er war nicht allein. Hinter ihm trat ohne Vorwarnung Michael auf den Plan.
Endlich zeigte sich der große Krieger Gottes. Michael verabscheute Luzifer und seine Gefolgschaft. Luzifer und Michael, das war wie Feuer und Wasser. Allerdings waren auch Astaroth und Michael wie Feuer und Wasser. Genaugenommen war Michael der Feind eines jeden Dämonen.
Und jeder Dämon war Michaels Feind. Michael war eindeutig männlich. Auch er hatte blondes Haar, aber seines war schon deutlich dunkler als Gabriels. Für gewöhnlich trug er eine silberne Rüstung, die die wichtigsten Stellen deckte. Jetzt trug er nur eine weiße Hose und ein weißes Muskelshirt.
Er hatte braune Augen, die nie auf einer Stelle zu ruhen schienen, sondern immer umhersuchten nach etwas, von dem kein anderer eine Ahnung hatte.
Langsam hob Alastor die UZI. Er wusste zwar, dass er weder gegen Gabriel noch gegen Michael eine Chance hatte, und schon gar nicht gegen beide, aber es gehörte zum Plan.
Hanna hatte sich schon bei Gabriels Auftreten aus dem Staub gemacht.
Alastor warf die UZI von sich.
   „Schade, dass wir keine Zeit haben zu plaudern.“, sagte er kalt lächelnd, „Aber wir haben endlich unser Ziel erreicht, das muss gefeiert werden.“
   „Nicht solange ich lebe.“, sagte Michael angeekelt.
Alastor zog noch immer lächelnd unter Michaels kritischem Blick einen zusammengerollten Gürtel hervor. Überall daran baumelten Splitter- und Sprenggranaten.
   „Was nicht mehr lange sein könnte, mein Freund.“. sagte Alastor kalt und zog an der Schnur, die er am Tag vorher extra angebaut hatte. Der Sicherheitsring jeder Granate wurde herausgezogen. Alastor ließ den Gürtel fallen.
   „Bye bye...“, kicherte er leise, dann warf er sich herum, packte den immer noch zuckenden Raphael und warf sich durch ein Fenster.


Hanna rannte was das Zeug hielt. Sie wusste doch, dass etwas nicht stimmen konnte. Erst die merkwürdigen Leute, die sie auf Schritt und Tritt verfolgten, jetzt ein Kerl, der mit gezogener Waffe bei ihr einbrach und auf sie schoss.
Ihr Handy hatte sie vergessen. Wenigstens war sie schon fast davon.
Sie musste nur noch durch den Innenhof.
Kaum hatte sie das gedacht, ging das Gebäude über ihr in Flammen auf.
Eine gewaltige Explosion erschütterte das gesamte Viertel. Ein ganzes Stockwerk schien in einer Wolke aus Feuer, Glassplitter und Hitze zu vergehen.
Hanna sah ängstlich den Flammen zu, die nun auch noch zwei Gestalten preisgaben, die lichterloh brennend aus dem Feuer sprangen um sich zu retten.
   „Was für ein Schauspiel, nicht?“
Hanne warf sich herum. Vor ihr stand ein gänzlich in Schwarz gekleideter Mann, an dessen Klamotten mehr oder weniger willkürlich einige silberne Ketten baumelten.
Er kam auf sie zu und sie wich im gleich Schritt vor ihm zurück. Obwohl der Mann nicht schlecht aussah wusste sie instinktiv, dass er verdorben war. Nicht wirklich böse, aber so vom Bösen in Versuchung geführt, dass er einfach nur noch verdorben sein konnte.

Astaroth ging gemächlich auf sie zu. Er wusste, Alastor war gerade dabei Raphael mit Mephistos Hilfe zur unheiligen Kirche zu schaffen und dort Belial, Balbero und Sharith zu treffen. Er wusste Gabriel und Michael waren demnächst noch beschäftigt die Flammen zu löschen, die an ihnen loderten.
Und so ließ er sich Zeit und ging einfach nur auf Hanna zu.
Irgendwann stand sie an der Wand.
   „Du weißt ja gar nicht, was das für mich bedeutet.“, flüsterte er.
   „Bitte nicht.“, wimmerte Hanna und tastete in ihrer Hosentasche, „Wollen Sie Geld? Nehmen Sie!“
Astaroth lachte kurz, dann legte er ihr die Hand auf die Brust.
   „Geld ist es nicht. Ich will dich.“, antwortete er, drückte sie gegen die Wand und sah fröhlich zum Himmel.
Dann stieß er einmal fest zu. Hannas Brustkorb gab krachend nach.
Sie sank röchelnd und panisch zu Boden. Erst schlug sie wild um sich als sie merkte, dass ihre Lunge keine Luft mehr einsog, dann krallte sie sich an Astaroths Hose fest.
Er zögerte kurz, dann schoss er ihr mit der MP einmal durch den Kopf und einmal durch die Brust.
Ihr Blut befleckte den Boden.
Astaroth erinnerte sich an das, was Luzifer ihm gesagt hatte. Er bückte sich und streckte die Hand nach der Blutlache aus. Wenn Luzifer recht hatte, so war es genug wenn ein Dämon das Blut berührte.
Genau in diesem Moment wurde ihm schmerzlich bewusst, dass sie alle Michael unterschätzt hatten, denn dieser war plötzlich heran und schlug Astaroth mit aller Kraft weg.
Astaroth flog mehrere Meter und prallte dann krachend gegen die Hauswand. Obwohl er spürte wie etwas in ihm protestierende Wogen aus Schmerz aussandte fragte er sich, sobald er einen klaren Gedanken fassen konnte, warum Michael so schwach zugeschlagen hatte.
Es gab nur eine Erklärung: Gabriel handelte ohne Gottes Wissen, weshalb er nicht riskieren wollte ein Chaos auszulösen. Er hatte Michael wohl verboten seine wahre Gestalt zu zeigen.
Und Michaels Scheingestalt war angreifbar.
Astaroth rappelte sich auf.
Fast wie von selbst glitt ihm das Schwertheft in die Hand. Glühende Flammen schossen hervor und wurden zu blitzendem Stahl, als er es in einer offensiven Haltung mit beiden Händen vor die Brust hielt.
Michael lächelte glücklich: „Du hast ja keine Ahnung  wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe, Verräter.“, sagte er und zückte einen mit Ornamenten und Goldketten verzierten Stab, aus dem sofort zwei Stahlrohre schossen, die wiederum mit einem kalten Klicken zwei brutal aussehende widerhakenbesetzte Spitzen preisgaben.
   „Und du weißt nicht, mit wem du dich anlegst.“, meinte Astaroth kalt.
Er sprang ab. Endlich war der Moment da! Engel gegen Dämon. Noch niemals zuvor hatte es das gegeben. Es war vorgekommen, dass Engel gegeneinander kämpften, aber das war mehr. Es war das personifizierte Gute gegen das personifizierte Böse.
Astaroths Schwert hinterließ einen rötlichen Schimmer in der Luft und gab das Geräusch einer schnell durch die Luft gewirbelten Fackel von sich.
Michaels Doppelspeer wirbelte kurz herum, erstrahlte in gleißendem Licht und blockte dann den Angriff ab.
Obwohl beide Kreaturen nicht ihre wirkliche Gestalt hatten und deshalb nicht einmal die Hälfte ihrer wahren Macht ausspielen konnten, war die Wucht gewaltig.
Ein verästelter Blitz schoss vom Himmel und schlug genau an dem Punkt ein, an dem die Waffen sich berührt hatten.
Es begann in Strömen zu Regnen. Schon nach Sekunden waren Astaroth und Michael, die von der Wucht des Blitzes weit auseinandergefegt worden waren, bis auf die Haut durchnässt.
Sofort sprang Astaroth wieder ab. Michael tat es ihm gleich. Mit aller Kraft hackten sie hasserfüllt aufeinander ein. Wieder berührten sich die Waffen funkensprühend, wieder schoss ein Blitz vom Himmel und trennte die beiden Kämpfenden.
Die Wucht wurde mit jedem Zusammenstoß stärker, ganz so als wollte der Himmel an sich sagen: „Stoppt euren Kampf, es darf nicht sein. Nicht hier, nicht jetzt!“
Und trotzdem hackten, schlugen, sprangen, warfen sie sich immer wieder aufeinander zu und wurden von einem hellen Blitz aus den dunklen, donnernden Wolken zurückgeworfen.
Minuten vergingen wie nichts und schließlich spürte Astaroth seine Arme lahm werden. Er verfluchte die schwachen Menschen und wünschte sich seinen dämonischen Körper herbei.
Aber das Glück spielte ihm endlich den Triumph zu.
Astaroth, gerade wieder von der Wucht eines Blitzes von Michael getrennt, schlitterte obwohl auf beiden Füßen stehend weit über den Asphalt.
Und fiel über Hannas Leiche.
Wie in Zeitlupe schlug er auf dem Boden auf. Er sah Michael erst vor Schrecken bleich werden und dann so schnell es ging auf ihn zurennen.
Astaroth hob seine Hand. Die Zeit verrann auf einmal zäh wie Brei. Michael schaffte es nicht mehr.
Astaroths Hand senkte sich platschend in Hannas Blut.
Und die Welt um sie herum reagierte sofort.
Wie ein gequältes Tier ächzte und krümmte sie sich, als wäre gerade ein wahnwitziger Frevel begangen worden. Der Regen stockte für einen Moment und setzte dann noch heftiger wieder ein.
Und dann, von einem Augenblick auf den Anderen, war es vorbei.
Michael trat zu dem am Boden liegenden Astaroth.
   „Das war es dann, Narr!“, sagte er abschätzend und hob den Speer.
Pitsch – Pitsch. Das Geräusch des Regens hatte sich verändert.
Verwirrt sah Michael auf die roten Flecken auf seiner von wasser durchtränkten Kleidung.
Blutflecken.
Es regnete Blut!
Michael sah angeekelt zum Himmel. Da erklang das Lachen.
Astaroth kannte dieses Lachen. Er hatte es bisher nur einmal gehört, aber er kannte es. Es hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt.
Es klang befreit und verführerisch, aber auf so finstere und von Eiseskälte dominierte Art, dass niemand jemals mitgelacht hätte. Es vereinte wahre Fröhlichkeit mit brutaler Rücksichts- und Hoffnungslosigkeit.
Es war Luzifers Lachen.
Astaroths Blick wanderte zu dem Torbogen, der direkt zur Hauptstraße führte.
Das ganze Tor mochte vielleicht gute Drei Meter breit sein, doch nun war es ganz ausgefüllt.
Eine in Schatten gehüllte Gestalt stand darin. Ihre weiten Schwingen füllten das Tor zur Gänze aus und hatten nicht mal annähernd genug Platz darunter.
Luzifer Morgenstern, der Fürst der Hölle, stand dort und lachte als gäbe es nichts lustigeres.
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« Antworten #18 am: 18.Juni.2005, 14:57:40 »

Kapitel 8
Jetzt, da er sich im Klaren darüber war, dass er beobachtet wurde, stellte Luzifer sein Lachen ein.
Michael drehte sich herum. In seinem Antlitz spiegelte sich ehrliche Angst wider.
Trotzdem fragte er provozierend: „Und hier kommt der Drahtzieher der Verschwörung gegen den einen Gott. Luzifer, lehnst du dich erneut gegen althergebrachte Regeln auf!“
Luzifer blieb in den Schatten und antwortete ohne sich zu regen. Seine Stimme klang fast schon beängstigend angenehm in den Ohren, rief aber im Kopf eine instinktive Warnung hervor, diesem Wesen nicht zu trauen.
   „Und wie, Michael, alter Freund. Ich tat viele Tausend Jahre nichts anderes. Ihr habt es nur nicht gemerkt. Wir alle taten nichts anderes. Ihr habt uns gedemütigt, verbannt und dem Wahnsinn verkauft. Welch ein Wahnwitz ist es, mich hier darauf anzusprechen, Michael, Erzengel! Und wenn ich dich in dieser Gestalt auch nicht töten kann, so sollst du doch erfahren was es heißt zu leiden, so wie ich es tat, so wie es alle meine treuen Diener taten.“
Michael wich einen Schritt zurück, dann rief er: „So zeig dich, Dämon! Zeig dein abstoßendes Gesicht!“

Und Luzifer zeigte sich. Er trat aus den Schatten. Seine gewaltigen Rabenflügel falteten sich zusammen und verschwanden dann ganz in seinem Rücken. Astaroth beachtete es nicht. Er raffte sich auf und kniete vor seinem Herrn nieder.
Luzifer war keineswegs abstoßend. Astaroth wusste von sich selbst, dass er schön war, ganz einfach weil alle Engel schön waren, zumindest in dem Maßen, in denen die Sterblichen es empfanden.
Doch wenn Astaroth schön war, so war Luzifer abgöttisch.
Wirres schwarzes Haar fiel ihm über die Stirn und verlor sich in Strähnen, die leicht vom Kopf abstanden. Leuchtend blaue Augen strahlten wie Diamanten aus dem Gesicht, das an sich schon so herrlich anzusehen war, dass man es fast nicht aushalten konnte.
Luzifer war groß und schlank, bewegte sich aber so elegant und bedacht, dass man ihn in Gedanken sofort mit einem Raubtier verglich. Als Kleidung hatte er eine enge schwarze Lederhose, die in einen silbernen Gürtel mündete. Er hatte ein dünnes, schwarzes Hemd an, auf dem groß und unübersehbar ein Pentagramm prangte. Es sollte nichts mit Satanismus oder Luzifer selbst zu tun haben, sondern stand einfach für die fünf Punkte, die ein gestreckter Körper bildete. Darüber trug Luzifer einen schweren Stoffmantel, der langsam mehr und mehr den Blutregen aufsog.
Und trotz seines wunderschönen imposanten Aussehens hätte sich niemals ein Sterblicher dazu aufgerafft ihm offen Vertrauen zu zeigen.
Luzifers schönes Gesicht wurde von grausamen Zügen entstellt, die ihn rücksichtslos und hart erscheinen ließen. Die Augen waren nicht in dem warmen Blau gehalten, wie zum Beispiel einige Menschen sie hatten, sondern in so erschreckend kühlem Blau, dass selbst der Vergleich mit Eis völlig untertrieben gewesen wäre.

Und dieser Mann schritt nun langsam auf Michael zu.
   „Siehst du, alter Freund, ich habe mich nicht verändert. Du übrigens auch nicht.“, sagte Luzifer tonlos.
   „Du irrst, Luzifer. Wir waren nie Freunde.“, sagte Michael ablehnend.
Luzifer bemerkte endlich Astaroth, der noch immer neben Hannas Leiche kniete und nicht wagte zu seinem Meister aufzusehen.
   „Astaroth, mein Freund. Erhebe dich. Lass uns bitte allein. Folge Alastor und hilf ihm bei Raphaels Abtransport.“, sagte Luzifer.
   „Ja Herr.“, antwortete Astaroth. Er konnte den Blick dieser Augen nicht sehr lange ertragen. Obwohl er sich nicht an Luzifers früheres Antlitz erinnern konnte - diese Augen waren niemals so teilnahmslos kalt gewesen.
Michael wartete bis Astaroth den Innenhof verlassen hatte, dann rief er erbost: „Ihr Bastarde habt Raphael? Gebt ihn frei, sonst gnade euch Gott!“
Von einem Moment verzog sich Luzifers Gesicht vor Zorn, wie eine Maske aus Wachs, die zu nahe an eine Flamme geriet.
Hass und Rachsucht überfluteten das eben noch so beherrscht aussehende Antlitz.
   „GNADE EUCH GOTT!“, schrie Luzifer. Ein kalter Wind kam auf und wirbelte voll auf Michael zu. Von der Kraft des Windes wurden sogar die Pfützen aus Blut des Regens noch einmal in die Luft gezogen und platschten auf Michael ein, der sich so gut wie gar nicht schützen konnte.
   „GOTT IST NICHTS GEGEN MICH!
Du nennst mich Verräter? Ich frage, was habe ich verraten? Du forderst meine Bestrafung? Ich frage, wurde ich nicht schon genug bestraft? Michael, was war mein Frevel? Ich tat, was ich tun musste, was mein Herz mir gebot! Bist du stolz darauf dieses Herz bis zur Unkenntlichkeit gedemütigt und in einen Panzer aus Eis gesperrt zu haben? IHR SEID DIE WAHREN VERRÄTER! Niemals werde ich ruhen, als bis euer Blut für meinen Schmerz geflossen ist. Jede Sekunde wird gesühnt werden, egal wie sehr ich dafür noch leiden muss. GOTT WIRD VERNICHTET WERDEN! SEIN ANDENKEN WIRD ENTWEIHT UND FÜR IMMER IN DEN DRECK GEZOGEN WERDEN! ICH BIN DER WAHRE HERRSCHER ÜBER HIMMEL UND ERDE! ICH UND NIEMAND ANDERS, DENN ICH LITT DAFÜR WIE NIEMAND ANDERS!
Was du nun in mir siehst, habt IHR zu verantworten. Das hat dein wunderbarer Gott zu verantworten. Ich bin ein Echo, ein Abbild seiner selbst, verstoßen und verachtet. Doch der Tag wird kommen, an dem das Echo über die wirkliche Stimme siegt! Nichts kann mich aufhalten, nichts und niemand!“
Luzifers Hand hob sich kurz. Sofort stoppte der Wind und auch der Regen wurde schwächer, bis er ganz endete.
   „Doch, ich kann dich aufhalten. Ich werde dich zerschmettern, Luzifer! Zu Ehren des wahren Gottes!“, rief Michael und sprang mit aller Kraft auf Luzifer zu. Sein Speer zuckte tückisch nach vorne und – wurde von Luzifer gefangen.
Luzifer packte Michaels Hand und brach sie mit einem Zucken seiner Faust. Der Speer fiel polternd zu Boden.
Luzifer sah Michael kurz in die Augen, dann meinte er: „Nun, das war dein Zug, jetzt bin ich an der Reihe.“
Er stieß Michael von sich. Sofort warf er beide Hände nach vorne und richtete sie auf Michael.
Sengende Flammen schossen hervor und hüllten den Engel völlig ein, der gar nicht anders konnte als seine unbeschreiblichen Qualen laut herauszubrüllen.
Immer und immer wieder züngelten die Flammen vor bis der beißende Geruch verbrannten Fleisches die Luft verpestete, dann stoppten sie.
Doch Luzifer gab Michael keine Gnade. Jetzt schoss eine flirrende Eiswolke hervor und umglitt Michael.
Erst die sengenden Flammen, dann die brutale Kälte mussten Michael wahnsinnig vor Schmerz werden lassen. Blitzenden Eiskristalle fetzten durch den Eisnebel und hinterließen ab dort wo Michael stand eine rötliche Färbung im Kältenebel.
Einige unendlich erscheinende Sekunden hielt Luzifer diese Tortur aufrecht, dann hörte er auf.
Michael war nun nicht mehr der strahlende Engel, der sich nur für kurze Zeit eines menschlichen Körpers bediente, er war jetzt ein Bündel aus verbranntem Fleisch, tiefen Schnittwunden und Erfrierungen.
Die Schmerzen mussten jedwede Vorstellungskraft sprengen.
Und noch lebte Michaels Körper. Die Qualen hielten seinen Geist gefangen, so dass er den Wirt nicht verlassen konnte. Er wimmerte und versuchte die zerfetzen und verkohlten Sehnen und Muskeln zu bewegen.
Und Luzifer stand daneben und lächelte.
   „Schade Michael, ich hätte dir eine Chance gegeben. So hast du mir leider keine Wahl gelassen.“
Er drehte sich herum und schnippte mit den Fingern. Der Regen setzte wieder ein, diesmal jedoch normaler Regen aus Wasser.
Luzifer verließ immer noch lächelnd den Innenhof, trat auf die Straße hinaus und machte sich auf, Astaroth zu folgen.





Ja, und hier einen kurzen Schnitt, zur Zeit geht bei mir einiges drunter und drüber. ^^
Ich werde natürlich trotzdem weiterschreiben.
Übrigens wurde ich nun schon öfter nach meinem Antrieb gefragt immer und immer wieder solche Geschichten niederzuschreiben.
Die Antwort: Es gibt keinen. ^^
Ich mache das, weil es mir Spaß macht. Die ganze Geschichte und jede einzelne Szene entsteht in meinem Kopf. Sicherlich, Personen und Gegenstände im wirklichen Leben bringen immer wieder guten Stoff und werden in die Geschichte eingebaut, aber im Großen und Ganzen kann man sagen, dass ich mich meistens auf mich selbst verlasse.
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« Antworten #19 am: 19.Juni.2005, 08:50:46 »

Ej azarun ej die geschichte ist echt geil! wenn ich so viel geschrieben hätt dann hätt ich bei meiner geburt anfngen müssen!^^

bussal irene
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