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Autor Thema: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten  (Gelesen 8818 mal)
raitsh van faith
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« Antworten #20 am: 10.Dezember.2007, 22:44:02 »

bin grad bei der vorletzten, unstoppable. und was dachte ich im verlauf des geschie 'ka-chan killed the romantic' XD (gesungen aus video killed the radiostar)
aber zum glück hat sie die romantik wiede belebt XD
soooo süß die zwei^^ *kyo haben will* XD

nch viel schlimmer, wenn es schon so viele geschichten in der art gibt^^''' ich will was neues machen XD
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Karasu
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« Antworten #21 am: 11.Dezember.2007, 10:45:29 »

*lach* das würd ich nie tun, dazu bin ich viel zu kitschig XD
Ich bin am überlegen ob ich den beiden nich noch ne Fortsetzung schreib, aber das muss warten, bis ich das alles fertig hab wo ich grad noch dransitz ^^°

Naja, wenn sie gut is, is deine Geschichte trotzdem was neues. Jeder hat da ja andere Arten zu schreiben und die Dinge darzustellen.
ich würds jedenfalls gern lesen ^^
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raitsh van faith
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« Antworten #22 am: 27.Dezember.2007, 17:21:02 »

vll hat wer das bild in meiner gallerie gesehen, über die jägerin, an die ich mich nach jahren wieder erinnere. ich habe sie auch wieder getroffen, noch eher, als die folgende geschie hier spielt. damals hat sie meinen lang verschollenen vater wieder gefunden.
und jetzt... na mal sehen, was aus uns wird





   »Es gibt diese Leute, die denken, dass ‚Kopfgeldjäger’ nur einfach so ein Job ist, wie jeder andere. Wenn du nichts gelernt hast, dann werde eben Kopfgeldjäger und du kommst schon an genügen Geld.«
   Sie schnaubte geräuschvoll.
   »Wie ich sie hasse… Sie sind es, die die guten Aufträge dir wegnehmen, weil sie denken, alles sei sowieso nur ein Spiel. Und dann übernehmen sie sich daran.«
   »Und für dich bleibt nichts mehr übrig?¬« Die Stimme war rauchig, wohlklingend.
   Sie lächelte bitter. »Das ist es nicht. Vielmehr macht mir meine Arbeit einfach keinen Spaß mehr. Die guten Kopfgeldjäger empfinden ihren Beruf als eine Art Passion und Berufung. Sie wissen was er wirklich bedeutet und leben ihn dementsprechend. – Ich weiß, was es wirklich bedeutet nach Abruf Elben zu töten, nur weil vielleicht jemand einen Groll gegen dein Opfer hegt. Doch du darfst darüber nicht nachdenken, musst es einfach ausführen. Denn in dem Moment, wo du beginnst deinen Kopf einzuschalten, ist es schon vorbei für dich.«
   Wenige, federnde Schritte brachten sie zu ihr. Das silberne Haar schwang im Mondlicht mit den Bewegungen mit, umspannte ihr Gesicht einem Rahmen gleich.
   »Warum erzählt Ihr mir das alles?«, fragte sie schließlich auf die Schwarzhaarige herabblickend, die den Mond betrachtend mit angewinkelten Beinen auf dem Dachfürst saß.
   Sie blickte auf. »Weil ich dich töten sollte. Du warst eines meiner Opfer, das meinem Auftraggeber überdrüssig geworden war, weil sie ihre Aufgabe das erste mal nicht erfüllt hatte.«
   »Das hat er Euch erzählt?«
   Die Elbe nickte. Die schwarzen Haare fielen dabei über die Schultern hinweg ins Gesicht und über den Oberkörper. Mit einer genervten Geste strich sie ein paar Strähnen zurück.
   »Er war vollkommen in Rage, hat sich aufgeregt, dass du doch bis heute immer dein Ziel gefunden hast, wie es sein kann, dass du auf einmal vor einer Aufgabe kapitulierst und so weiter. Eine halbe Stunde hat er nur über dich gesprochen, wie falsch du doch bist. Erst danach kam er, was meinen Auftrag angeht, auf den Punkt.«
   Die Frau, die schräg hinter ihr auf dem Dach stand, musste Lachen. »Was eine dumme Person«, sagte sie, verschränke dabei die Arme vor der Brust, »dabei hätte er wissen sollen, dass ich nicht seine Tochter finden kann, wenn sie bereits gestorben ist. Aber wie lange ich auch versuchte ihm zu erklären, dass sie tot sei, er schrie mich nur noch weiter an, dass ich meine Arbeit einfach nicht gründlich erledigt hätte.«
   Eine Pause entstand. Dann sprach sie weiter. »Deswegen sollte ich also sterben? Nur, weil sein Auftrag einen Flecken auf meiner sonst so reinen Bilanz erzeugt hat?«
   »Dank ihm habe ich nun ebenfalls einen solchen Flecken.«
   Die Elbe mit diesen ungewöhnlich hellen Haaren hob erneut eine Braue. »Ich habe doch nicht etwa Eure Bilanz ebenfalls befleckt?«
   Sie nickte. »Das hast du, mit voller Breitseite.«
   Ein entschuldigendes Grinsen erschien auf ihren Lippen. »Das tut mir Leid, glaubt mir. Ich weiß, wie schwer so etwas wiegt. – Nun dafür kann man aber jetzt sagen, dass wir quitt sind, nicht wahr?« Aufmunternd lächelte sie.
   Doch die Schwarzhaarige schüttelte mit dem Kopf und deutete mit einer leichten Bewegung auf die Stehende.
   »Immer noch trägst du zwei Wundmale, die ein fremdes Auge als ungewöhnliche Zeichnungen auf deiner Haut beschreiben würde. Ich weiß, dass sie, wenn es dir schlecht geht, immer noch brennen. Und ich weiß, dass du mich immer noch dafür hasst.«
   Die Elbe zog eines ihrer Beine an ihren Körper, ließ das andere fallen und legte das Kinn auf das angewinkelte Knie. Ein Seufzen entfuhr ihr. Es klang müde und abgespannt. »Ich kann verstehen, wenn du mir Ähnliches wolltest.«
   Wind war aufgekommen, der nun mit dem langen Haar beider spielte. Das silberne Haar der Stehenden glitzerte dabei regelrecht. Zusammen mit dem Mondlicht glühte es, als hätte es eine eigene innewohnende Energie. – Das schwarze Haar der Sitzenden dagegen wurde nahezu verschluckt. Nur die ab und zu auftretenden Reflexionen ließen es sichtbar werden.
   »Also erinnerst du dich doch«, sagte die Stehende in die Nacht heraus.
   Die Andere nicke. »Es beginnt, ja. Immer noch müsste ich dich nach deinem Namen fragen, aber erkenne ich diese Runen auf deiner Schulter und Rücken als meine Handschrift. Zwar liegt ihr Grund noch etwas verschleiert, aber ich erinnere mich deutlich eines Kampfes. – So wie es aussieht, waren wir nicht immer freundlich zueinander.« Etwas Bitternis hatte sich in ihre Stimme geschlichen.
   »Raitsh, manchmal habe ich Tagelang nach einem Weg gesucht, dir den Hals umzudrehen, weil du mich rasend machtest. Andern Tags aber trafen wir uns wieder und du hattest alles vergessen, sodass ich dir nicht einmal etwas vorwerfen konnte.«
   Die Angesprochene lachte leise. »Glaube mir, mein wechselvolles Gemüt nervt sogar mich selbst.«
   Es entstand wieder eine Pause, in der man den Wind wieder hören konnte. Leise flüsternd fuhr er durch die Bäume und bewegte dort die Blätter, als würde er ein Lied entstehend lassen wollen.
   »Sag, wieso hast du mir das vorhin erklärt?«
   Raitsh zucke mit den Schultern, als hätte sie schon wieder vergessen, was sie erzählt hatte. »Er stellte deinen Beruf hin, als sei er so einfach, wie der meinige. Er stopfte beide in einen Topf, wo sie nicht hingehörten. Wenn du nichts gelernt hast, dann werde Jägerin. Das hat mich wütend gemacht.«
   »Und du hast ihn getötet.«
   »Wenigstens kann er jetzt nicht weiter erzählen, ich hätte einen Auftrag nicht erfüllt, nur weil ich Skrupel hatte.«
   »Denn du kennst schließlich keine. Wenn du einen Auftrag annimmst, dann wird er auch auf jeden Fall erfüllt werden. Du fragst nicht nach deinen Opfern, fragst nicht nach dem Wieso und Warum und wirst deswegen so geschätzt. Dich kann man als Waffe verdingen, die sich nicht dumm stellen wird ob der Moral und Konsequenzen ihrer Taten. Nicht wahr?«
   Die Elbe lachte, etwas ironisch, etwas zynisch, etwas ehrlich amüsiert.
   »Wenn du das so siehst, werde ich dich nicht vom Gegenteil überzeugen.«
   Die Silberhaarige stieß etwas Luft aus. »Genau da lag schon immer der Unterschied. Du gehst ohne Nachzudenken über Leichen. Ich schalte mein Denken nur bei dem Durchführen eines Planes aus, wenn ich ihn einfach durchführe.«
   Breit grinsend drehte sich die Elbe um, sodass ihrer Gesprächspartnerin über den raschen Sinneswandel abrupt die Gesichtszüge entglitten. Wie ein Kleinkind deutete die Schwarzhaarige mit dem Finger auf sich selbst. »Dunkelelbe, weißt du.«
   »Ja aber nur zur Hälfte«, verbesserte die andere atemlos.
   »Das genügt schon, Graublut.«
   Mit verschränkten Armen sah die Silberhaarige hinab zu der immer noch grinsend Elbe. Ohne eine Regung blickte sie sie an, musterte und versuchte zu ergründen, was diese Frau umtrieb, was sie im Schilde führte.
   Schließlich hatte Raitsh die Lust verloren und wandte ihren Blick wieder in Richtung Mond. Das wenige Licht, das ihr Haar vom oberen Mond reflektierte, bildete eine dünne Linie um ihren Kopf.
   Die als Graublut titulierte Frau seufzte erneut. Sie wusste nicht, was sie mit derjenigen anfangen sollte, der sie die auf ewig währenden Brandwunden verdankte, die sie markierten wie die Beute eines Jägers. Wahrscheinlich war jedoch, dass sie es auch nicht wissen wollte.
   »Du wolltest meinen Namen wissen?«, fragte sie dann.
   Raitsh nickte. Von einen auf den anderen Moment hatte sich der Ausdruck in ihren Augen und auf ihrem gesamten Gesicht verändert. Sie sah ernst aus, ja düster und wissend. In ihrem Blick steckte etwas, dass ihre Opfer jedes Mal verflucht hatten. Kein Hass oder Boshaftigkeit. Nein. Ihr Blick war schlichtweg frei von Emotionen.
   Sie nickte. »Ich würde mich gern wieder an ihn erinnern.¬«
   Diesmal lächelte die Andere. »Vergiss ihn nicht wieder. Versprich mir das.«
   Die Elbe nickte. »Ai
   »Yehnnha Daleth.«
   Raitsh hob den Kopf ein paar Zoll, lächelte. »Yenn… Ich erinnere mich.«
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« Antworten #23 am: 24.Januar.2008, 18:25:01 »

ich musste für meine bewerbung unter anderem auch prosa-stoff abgeben. die wollten ungefähr 20 seiten haben und deswegen hab ich mich schließlich entschlossen, etwas neues zu schreiben. das andere von mir war mir alles zu kurz oder unfertig.
deswegen ist diese kleine story hier entstanden. ich hoffe sie gefällt euch. und ich hoffe auf kritik!! die brauche ich wirklich!






~   Snow   ~





a kind heart
but a lonely one
a lucky one
but a poor one
 
»Weißt du, Namy, Schneeflocken sehen aus wie Sterne.«
   Zwei große, schaufelartige Handschuhe senkten sich in die noch geschlossene, schimmernde Schneedecke hinab und hoben einen dicken Batzen Sterne aus.
   »Wenn nämlich eine Flocke auf meinen Händen landet, dann sieht das immer aus, als würde da ein Stern sitzen.«
   Ein Mauzen erklang.
   »Ich spinne gar nicht! Namy, das ist gemein! Sie sehen wirklich wie Sterne aus!«
   Provokant wurde eine Hand fallen gelassen und die andere, mit dem Rest der kleinen Schneepyramide, ausgestreckt. Unwillkürlich sträubte sich das Fell der Katze. Doch nur für einen winzigen Augenblick, da sie dachte, sie würde Opfer dieser Pyramide werden.
   Dann schnupperte sie daran. Doch wie sie es sich schon gedacht hatte roch er immer noch wie schon die Jahre davor. Etwas nach Wasser, ein wenig nach Eis und Frost.
   Sie mauzte wieder. – Sagte man Katzen nach, sie würden ‚miauen’, dann ‚miehte’ diese nur. Denn als wäre sie noch nicht alt genug das Wort richtig auszusprechen, stahl sie ihm die letzte Silbe.
   Frustriert wurde auch noch die zweite Hand fallen gelassen. »Namy, das ist wirklich gemein! Du hast nicht einmal richtig hingesehen!«
   Verwirrt legte die Katze den Kopf schief, mauzte. Als sich die viel zu großen Handschuhe an den kleinen Händen wieder in die – nun zerstörte – Schneedecke gruben, sprang das schlanke Tier schließlich von der Lehne der Parkbank hinunter.
   Neugierig umrundete sie ihre Freundin und dann die große Kugel, die zwei Meter weiter im Schnee lag. Was trieb die Kleine hier nur?
   Fragend hob sie den schwarzen Kopf, als die Kleine wieder zu der bereits liegenden Kugel zurückkehrte. In ihren Armen eine etwas kleinere Kugel aus Schnee. Mit einem erleichterten Seufzen hob sie sie auf die erste Kugel und rückte sie dort zurecht.
   »Na, was sagst du, Namy??¬«, fragte sie stolz und zog dabei das Y ins Unendliche.
   Die Katze sagte nichts. Konnte gar nichts sagen, weil sie nicht verstand, was die Kleine bezweckte. Schneebälle aufeinander türmen – was sollte das für einen Sinn haben?
   Da sich die Kleine sofort wieder umdrehte, um zu dem Loch im Schnee zurück zu rennen, blickte ihr auch die Katze hinterher. Hier am Rand des geräumten Weges konnte das schwarze Tier sich bequem bewegen, ohne dass der Schnee sich an ihrem Bauch verfing. Nun wenige Schritte weiter, dort, wo die Kleine das Loch vergrößerte, wäre sie bis zu den Schultern in den weißen Sternen verschwunden.
   Als die Kleine diesmal zurückkam, mauzte die Katze wieder, hob dabei den Kopf zu der Größeren und ließ so das kleine Glöckchen an ihrem Halsband erklingen.
   »Sei nicht so kritisch! Er wächst ja noch!«, verteidigte sie sich gegen den Protest der Katze. Der Ball aus Schnee in ihren Händen war diesmal nur noch halb so groß wie ihr eigener Kopf. Und trotzdem setzte sie ihn immer noch voller Stolz auf die oberste Kugel, sodass nun ein Turm aus drei unterschiedlich Großen dort stand.
   Die Katze mauzte.
   »Siehst du? Nun fehlt ihm nur noch sein Gesicht und die Arme, damit er die Krähen verscheuchen kann!«
   Im Kopf der Katze spielte sich Seltsames ab. Was für eine merkwürdige Kreatur wollte die Kleine nur erschaffen?
   Neuerlich drehte sie sich dem Schneeloch zu und rannte dahin. Diesmal blieb sie aber schon etwas eher stehen und streckte ihre Arme nach dem Busch daneben aus. Zielsicher bekamen die in ihrer Feinmotorik eingeschränkten Hände einen fingerdicken Ast zu fassen. Sofort versuchte sie ihn aus dem Busch heraus zuziehen. Mit aller Kraft stemmte sie die Füße in den Schnee und versuchte den Ast dem Busch zu stehlen. Doch so stark sie auch zog, er rührte sich kein bisschen. Vielmehr schien der ganze Busch sie noch ärgern zu wollen, wie die anderen Äste an ihrer Kleidung kratzten.
   Noch einmal setzte sie mit den Füßen nach und zog mit ihrem ganzen Gewicht an dem Ast.
   Sie war so erstaunt als sie fiel, dass ihr der Entsetzensschrei im Hals stecken blieb und sie mit erschrockenem Gesicht rücklings im Schnee landete. Dort blieb sie für einen Moment wie erstarrt liegen, sah zum dunklen Himmel und wunderte sich. Wieso hatte dieser böse Strauch plötzlich seine Rinde nicht mehr gebraucht, sodass sie abgerutscht war? Sicher war das ganz böse geplant gewesen!
   Die Kleine begriff erst wieder, dass sie noch im kalten Schnee lag, als die Katze mit einem Satz auf ihrer Brust landete und forschend ihre winzige Nase in das Gesicht der Kleinen steckte. Ein fragendes Mauzen war zu hören.
   »Keine Angst, Namy, mir ist nichts passiert. Der Ast wollte mich bloß ärgern!«
   »Oh mein Gott! Kleine Dame, ist dir etwas passiert?!«
   Große Hände fuhren unter ihre Achseln und hatten sie schneller auf die Füße erhoben, als sie etwas erwidern konnte. Mit raschen Bewegungen klopfte man ihr den Schnee von den Sachen und überprüfte gleichzeitig, ob sie irgendwo eine Schramme von dem Sturz davon getragen hatte.
   Dann hockte man sich vor sie, ergriff ihre Schultern und zwang sie so, sie anzusehen.
   Vor ihr saß eine junge Frau, ebenso warm angezogen, mit Schal und Fellmütze, wie sie selbst. Kleine, weiße Wölkchen stiegen vor ihrem Mund auf, wenn sie sprach, verschwanden aber ebenso schnell, wie sie erschienen waren. Vielleicht kannten sie einen geheimen Ort, wo sie sich trafen, um dort zusammen zu spielen?
   Die grünen Augen der Frau sahen sie aufmerksam und ernst an. ¬»Hast du dir wirklich nichts getan, kleine Dame?«
   Die Kleine lächelte breit und stolz. »Nein! Mir ist nichts passiert! Der Schnee ist ja weich! Und selbst wenn hätte Namy sicher Hilfe geholt!«
   »Namy?«
   Die Kleine nickte, sodass ihre schwarzen Haare über die Schultern hinweg fielen. »Ja! Sie ist meine Freundin, die immer auf mich aufpasst!«
   Etwas irritiert hob die Frau die Brauen ein Stück. »Und wo ist deine Freundin?«
   Einer der großen Handschuhe zeigte in Richtung der kleinen Katze, die vorsichtigen Blickes um die Beine der Parkbank strich, dabei das kleine Mädchen aber nicht aus den Augen ließ.
   »Die Katze ist deine Freundin?«, fragte die Frau daraufhin.
   »Ja! Wir kennen uns schon ewig!«
   So recht wollte sie nicht verstehen wie ein so kleines Mädchen, wohl kaum sechs Jahre alt, eine ebenso recht kleine, schwarze Katze ihre Freundin nennen konnte. Verwirrt schob sie es auf die in diesem Alter noch blühende Naivität und lächelte einfach.
   »Sag, hast du den Schneemann da drüben gebaut?«, fragte die Frau dann.
   Die Kleine nickte. »Ja! Aber er ist leider noch nicht fertig! Ich wollte ihm eigentlich seine Arme geben, aber der Busch wollte den Ast nicht loslassen!«
   Gerührt von so viel Begeisterung erhob sich die Frau lachend und schritt zu dem Busch, an dem die Kleine zuvor gestanden hatte.
   »Welchen Ast wolltest du denn dem Schneemann geben?«
Präzise deutete die Kleine auf den, an dem sie zuvor schon so angestrengt gezogen, aber nicht heraus bekommen hatte. Ohne weiteres zu sagen griff die Frau nun in den Busch, viel weiter hinten als die Kleine zuvor. Plötzlich erklang ein leises Krachen und der Ast lag schon in ihren Händen.
   Beeindruckt sah die Kleine auf das Holz hinab, aus dem sie nun endlich die Arme für den Schneemann machen konnte.
   »Ich hoffe, es wird ein ganz besonders schöner Schneemann! Viel Glück dabei!« Die Frau lächelte ihr aufmunternd zu. »Aber mach nicht zu lange! Es ist schon sehr spät und deine Eltern machen sich sicher Sorgen um dich, verstehst du?«
   Viel zu überwältigt von dem Geschenk nickte sie nur, hatte aber gar nicht recht zugehört, was die Frau gesagt hatte. In Gedanken war die Kleine schon längst wieder beim nächsten Schritt ihren Schneemann fertig zu stellen.
   So nahm sie auch nur flüchtig war, als sich die Dame wieder erhob, ihr zuwinkte und schließlich ihren eigenen Weg fortsetzte.
   Erst das Mauzen der Katze erweckte die Kleine aus ihrem Freudentaumel. Lachend rannte sie zu dem schwarzen Tier und streckte ihr den langen, dünnen Ast entgegen.
   »Guck, Namy, was mir die Dame geschenkt hat! Endlich kann der Schneemann seine Arme bekommen!«
   Die Katze mauzte, ließ das Glöckchen an ihrem Hals aber schweigen.
   »Das finde ich auch! Sie war wirklich nett. Und sehr hübsch.« Die Augen der Kleinen glänzten. »Ihre Haare waren wie die eines Engels.«


Freudig klopfte sie die dicken Handschuhe gegeneinander, um so den Schnee loszuwerden, der sich an ihnen festgehangen hatte.
   Vor ihr erhob sich der Schneemann in seiner ganzen Pracht. Er war genauso groß wie sie selbst, im Vergleich zu anderen also recht klein, aber dafür umso stolzer. Seine Arme, dünn aber stark, streckten sich stolz gen Himmel. Die aus kleinen Kieseln bestehenden Augen, die die Kleine unter der Schneedecke auf dem Weg ausgegraben hatte, glänzten vor Leben, lächelten sie an.
   Freudig nickte die Kleine. »Das ist schön, dass er dir gefällt! Ich musste lange nach ihm suchen!«
   Die schwarze Katze, die zu ihren Füßen im Schnee saß, mauzte leise.
   »Findest du auch, dass er schön ist, Namy? Wie toll, dass er euch beiden gefällt!« Freudig strahlte die Kleine erst die Katze, dann den Schneemann mit dem so hoch gelobten Hut an. Sie hatte den kleinen Eimer an einem Müllkorb stehen sehen. Der Henkel war verbeult und am Rand war ein ausgefranstes Loch, weswegen man ihn wohl weggeschmissen hatte. Aber als Hut für den Schneemann war er genau richtig.
   Glücklich lachte die Kleine über das Lob dieses einzigartigen Fundes.
   Das Glöckchen klingelte. »Sei nicht wieder so gemein, Namy«, sagte die Kleine tadelnd. »Herrn Schneemann gefallen die Knöpfe und das reicht doch! Nicht wahr, Herr Schneemann?«
   Die Kleine lachte herzlich. Sie war äußerst stolz auf ihr Werk. Und vor allem auf das Lob, das sie dafür bekam. Es sagte ihr, dass sie alles richtig gemacht hatte und dass es nicht nur sie selbst erfreute.
   Doch ihre Freundin wollte nicht aufhören zu mauzen. Die hohe, helle Stimme des schwarzen Tieres wollte einfach keine Ruhe geben. Nachdem die lebendigen Augen der Kleinen endlich zu ihr herunter blickten, verstummte die Katze schließlich.
   Sofort zupfte sie mit dem kleinen Maul an den Schnürsenkeln und versuchte das Mädchen mit sich zu ziehen.
   »Namy?! Was soll das auf einmal?«, fragte die Kleine augenblicklich. »Ich kann Herrn Schneemann gar nicht richtig zuhören!«
   Das Tier ließ jedoch nicht locker. Obwohl sie nicht die Kraft besitzen konnte, selbst eine so zierliche Person wie die Kleine zu ziehen, versuchte sie trotzdem sie dort wegzuzerren. Das Glöckchen zitterte dabei, wie um die Szene klangvoll zu untermalen, an ihrem Hals.
   »Namy, bitte!«, versuchte die Kleine es noch einmal.
   Als hätte es sich die Katze von einer auf die andere Sekunde anders überlegt ließ sie plötzlich das Band los und sah die Kleine an. Ihre intensiven Augen schienen das Mädchen fast durchbohren zu wollen. Schließlich, als jemand hätte glauben können, die Katze sei nur eine Statue, mauzte sie wieder.
   Die Kleine seufzte.
   »Na schön, Namy. Ich hoffe nur, dass es wirklich schön ist!« Mit entschuldigendem Ausdruck in den Augen drehte sie sich zu dem Schneemann. »Es tut mir Leid, Herr Schneemann, aber Namy will mir unbedingt etwas Schönes zeigen, dass ich bereuen würde, wenn ich es mir nicht ansehe. Habt bitte noch einen schönen Tag!«
   Sie drehte sich auf dem Absatz um und folgte der losrennenden Katze, die wie ein kleiner Blitz über den Schnee flog. Zum Abschied hob sie die Hand und winkte dem Schneemann zu. »Bitte seit nicht böse!«, rief sie atemlos im Rennen zurück. »Ich bin bald zurück!«
   Wahrscheinlich war ihre Stimme viel zu schwach, um noch vom Schneemann gehört zu werden, aber das war egal. Den letzten Blick, den sie auf ihn erhaschen konnte, machte sie froh. Glücklich und stark reckte er immer noch seine Arme gen Himmel und seine stolzen Augen funkelten mit den Sternen um die Wette.


Die kurzen Beine hatten Mühe mit den vier noch viel Kleineren mitzuhalten. Doch immerhin waren die schwarzen, bepfoteten Beine vier und nicht bloß zwei. Noch dazu fanden sie dank der Krallen viel mehr Halt auf dem glatten Weg, als die dicken Stiefel der Kleinen, die mit ihnen Mühe hatte nicht auszurutschen, da ihnen fast vollkommen ein Profil fehlten.
   Und sie konnte es sich einbilden oder nicht, es war fast so, als würde die kleine Katze über den Weg fliegen, ohne ihn wirklich zu berühren.
   »Namy, nicht so schnell! Ich komme kaum hinterher!«, rief sie gegen den Wind, der ihr das Laufen zusätzlich erschwerte, hinweg. Aber außer dem immer währenden Klingeln des zierlichen Glöckchens der Katze erhielt sie keine Antwort von dieser.
   »Namy!! Bitte nicht so schnell!«, schrie sie wieder, ohne etwas damit zu ändern.
   Durch den anstrengenden Lauf bekam sie nicht mit, wohin sie eigentlich rannten. Sie wusste auch nicht mehr, wie lang sie schon hinter der Katze herhetzte. Wahrscheinlich würde sie den Weg zurück zu dem Schneemann nur sehr schwer finden.
   Deutlich hörte die Kleine das Mauzen der Katze in ihren Ohren, noch ein Stück lauter als ihre eigene Stimme vorhin, die nicht hatte bis zu dem Tier vordringen wollen. Abrupt hielt sie an um zu lauschen.
   Vor ihr stand quer zum Weg die schwarze Katze mit dem goldenen Glöckchen an ihrem Halsband und sah sie von unten herauf ruhig an. Keine Regung war in ihren Augen zu erkennen.
   Die Augen der Kleinen weiteten sich. »Was ist denn los Namy?«, fragte sie schwer atmend. Egal wie lang sie gerannt war, es hatte ihre kaum vorhandenen Kräfte bis zuletzt aufgebraucht.
   Die Katze mauzte wieder, diesmal so leise, dass die Kleine ihre Ohren anstrengen musste um sie zu verstehen.
   Das angestrengte Hören hatte einen ganz anderen Effekt, als sie geglaubt hatte. Keine weiteren Worte der Katze vernahm sie, sondern feines Klingen von einem Ort, den sie noch nicht recht ausmachen konnte. Erstaunt und ein wenig verwirrt hob sie den Kopf, legte beide Hände wie zwei Schüsseln an die Ohren und versuchte so zu erkennen, von wo das sanfte Klingen kam.
   Es war nicht nur ein Klingen. Ein Säuseln, Vibrieren, ja leiser Gesang.
   »Wo kommt das her?«
   Mit einer flinken Drehung war die Katze wieder losgesprungen, kaum dass die Kleine mit ihr Schritt halten konnte. Mehr ihr Instinkt hatte sie sofort dem Tier folgen lassen, als ihr eigener Wille. Sie liefen diesmal nicht weit. Keine hundert Meter abseits vom Weg blieb die Katze hinter einem Busch stehen und setzte sich dort einfach in den Schnee, der dank der Pflanze an dieser Stelle sehr niedrig war.
   Sie mauzte.
   Als müsste sie sich vor jemanden verstecken, und dies möglichst leise, hockte sich die Kleine hinter die Katze, ergriff einen Ast des Busches, um ihr Gleichgewicht zu bewahren und horchte wieder.
   Die Klänge waren viel deutlicher, mehrstimmiger und schöner.
   Vollkommen erstaunt riss die Kleine die Augen auf. Nicht weit hinter dem Busch erhob sich eine schimmernde, leuchtende Kuppel im Park. Wie, als würden Engel in ihr singen, erfüllte feinste Musik die Luft um sie.
   Ohne recht darüber nachzudenken, kroch die Kleine näher, am Busch vorbei, ließ die erschrockene Katze hinter sich und setzte sich unter einen kleinen Obstbaum ganz dicht an die Kuppel.
   Endlich sah sie, was sich innerhalb befand.
   Hunderte Stühle mit wunderschön gekleideten Menschen. Frauen und Männer in kostbaren Kostümen lauschten anderen, die ihnen gegenüber mit glänzenden Instrumenten saßen. Die Kleine kannte kaum die Hälfte der verschiedenen Musikinstrumente.
   Um diese riesige Gruppe aus Musikern und Zuhörern standen Leuchter mit unzählbaren Kerzen. Begann die Kleine an einer Stelle die Lichter zu zählen, stockte sie keine Minute später, weil sie ein paar übersehen oder sich verzählt hatte.
   Zwischen den Kerzenleuchtern standen Pflanzenkübel, viel schöner, als alle hier draußen. Nicht nur Stauden, in voller Pracht stehende Blumen, sondern auch kleine Zitrusbäume und Palmen, die die Kleine noch nie zuvor gesehen hatte. Diese ganze Pracht war in ihrer Größe und Schönheit so unglaublich, dass ihr ganz schwindlig wurde. Die himmelsgleiche Musik tat ihr ihriges dazu.
   Sie fühlte sich, als säße sie in einem Traum, umringt von kleinen Engeln, die sie mit ihrer Musik in den Schlaf singen wollten. Zufrieden schloss sie die Augen, lächelte glücklich, als die Klänge sanfte Koloraturen webten, die ihr eine feine Gänsehaut auf Armen und Beinen schufen.
   Ganz eingenommen von der Musik lehnte sie sich gegen die gläserne Kuppel. Wabenartig überspannten die einzelnen, klaren Scheiben die große Halle.
   Das Glas war warm, fast wie das Fell der Katze. Vorsichtig strich die Kleine mit dem rechten Handschuh über das Glas, das keinerlei Unebenheiten erkennen ließ.
   »Die Menschen dort sind alle sehr glücklich«, antwortete sie lächelnd auf das Mauzen der Katze. »Sie sehen alle so glücklich aus. Sie sind wunderbar warm.« Ihre Augen strahlten auf. Die Katze antwortete mit einem Mauzen.
   »Lass uns noch ein wenig hier bleiben«, sagte die Kleine lächelnd. »Ich bin so froh, dass du mir das hier gezeigt hast!« Ganz bedächtig lehnte sie ihre Stirn gegen die Wabe. Noch ein Stück verengten sich ihre Augen vor Glück.
   »Sie sind so schön warm«, flüsterte sie schwach. »Warm…«
   Die Katze hob den Kopf, sah die Kleine forschend an. Immer noch selig lächelnd, als wenn sie mit sich und ihrer Welt vollkommen im Reinen wäre, hatte sie die Augen geschlossen. Vollkommen gleichmäßig bewegte sich ihr Brustkorb, hob und senkte sich in einem nie endenden Takt.
   Ein wenig den Hals reckend schnupperte die Katze an dem Handschuh, der ihr am Nächsten war, sah dann wieder die Kleine ruhig an. Binnen keiner Minute war sie im Hocken, den Kopf an der Glaswand gelehnt, eingeschlafen.


Es kitzelte, als wenn eine kleine Raupe über ihre Wange laufen würde. Instinktiv zuckte sie mit der Nase, drehte ihren Kopf ein kleines Stück zur Seite, doch das Krabbeln wollte nicht gehen. Diese Raupe musste ganz schön stur sein. Vielleicht war ihr aber auch nur kalt und sie fand ihr warmes Gesicht auf ihrem Weg als eine angenehme Raststätte.
   Nachdem das Kitzeln anhielt, hob sie die behandschuhte Rechte und ließ sie einmal über ihr Gesicht fahren, ohne dass sie dabei auf ein Hindernis traf. Das Kitzeln blieb weiterhin.
   Schließlich kniff sie die Augen zusammen und zog dann schweren Herzens die Lider hoch. Sofort musste sie sie wieder schließen, da helle Sonnenstrahlen unangenehm in die Pupillen stachen. Diesmal drehte sie den Kopf richtig, schob sich dabei gleichzeitig auf die Schienbeine und rieb sich verschlafen die Augen.
   Als sie dann die Augen erneut versuchte zu öffnen, hatte sie die helle Morgensonne im Rücken, die sie sanft zu wärmen versuchte, dafür aber viel zu schwach war, da ihre Strahlen zu flach auf den Park fielen, nicht wie im Sommer, wenn sie steil alles in eine flimmernde Atmosphäre tauchten.
   »Guten Morgen, Namy!«
   Die Katze, die kerzengerade vor ihr saß und sie still beobachtete, entlockte sich ein begrüßendes Mautzen.
   »Ja habe ich. Ich habe von Engeln geträumt«, erklärte die Kleine immer munterer werdend. »Sie haben mich zu einem Picknick eingeladen und dann haben wir alle zusammen Verstecken gespielt!«
   Wieder ein Mauzen.
   »Doch, doch. Vielen Dank noch mal, dass du mir das gezeigt hast, Namy!«
   Inzwischen war sie wieder vor auf den Weg gelaufen, klopfte sich den letzten Schnee von der Kleidung und strahlte dann die Katze an. »So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen! Ich freue mich immer noch.«
   Das goldene Glöckchen schellte, die Katze jedoch schwieg.
   Abrupt drehte sie den Kopf und starrte unbeweglich den Weg entlang. Blinzelnd sah die Kleine das Tier an. »Namy? Was ist los? Alles in Ordnung?«
   Die Katze gab keine Antwort, blieb unbeweglich stehen und sah weiter in dieselbe Richtung. Sie bewirkte, dass die Kleine ihrem Blick folgte, versuchte heraus zu finden, was die Schwarze entdeckt oder gehört hatte, was sie jetzt so einnahm.
   Stimmen waren zu hören, ein Lachen, lautes Rufen.
   Sie musste nicht lange warten. Mit dem nächsten Herzschlag erschien eine Gruppe dreier Jungen hinter der Wegkurve. Unbewusst spürte die Kleine sofort die Versteifung der Katze, die die Drei nicht aus den Augen lies.
   »Namy?«
   Die Jungen hatten kaum ihre Worte hören können, trotzdem blieben sie plötzlich stehen und musterten sie. Der Vorderste von ihnen begann zu grinsen.
   »Na, Kleine? Ist das da deine Katze?« In seiner Stimme lag etwas Schneidendes. Er und die anderen waren vielleicht fünf Jahre älter als sie, aber schon über einen Kopf größer und stärker. Dieser Fakten waren sich alle bewusst und spielten deutlich mit dem Gedanken.
   Unsicher machte die Kleine einen Schritt zurück. Die Katze blieb an Ort und Stelle.
   »Nein, sie gehört mir nicht. Namy und ich sind Freunde.¬«
   Einer der Jungen lachte laut. »Namy? Heißt sie so, ja?«
   Sie nickte knapp, ängstlich.
   »Aber wenn sie nicht deine Katze ist, wieso hast du ihr dann einen Namen gegeben? Sie hat ein Halsband, also gehört sie jemanden und der hat ihr sicher schon einen Namen gegeben. Einen anderen.«
   Diesmal lachten sie alle drei. Höhnisch, als müssten sie ihren verbalen Sieg feiern, weil sie stolz darauf waren.
   Neuerlich trat sie einen Schritt zurück. Was wollten diese viel zu freundlichen Jungen von ihr und Namy? Wenn sie sie nur aufziehen wollten, sollten sie sich doch jemand anderen suchen.
   Versucht ruhig sah sie zu der Katze hinab. »Namy, komm wir gehen.«
   Die Katze nickte nicht, sondern wandte den Kopf einfach in ihre Richtung und stakste davon. Den Schwanz dabei wie eine im Wind wehende Fahne erhoben.
   Als sie auf gleicher Höhe mit der Kleinen war, drehte auch diese sich um und folgte ihr still.
   In Gedanken betete sie, dass die Gruppe ihr nicht folgen würde, sie einfach in Ruhe ließe.
   »Hey, was soll das?«, rief einer der Jungen. »Wieso haust du einfach ab?! Wir haben mit dir gesprochen!«
   Unwillkürlich kniff sie die Augen zusammen. Lasst mich in Frieden!
   Das Knirschen schneller Schritte über frischen Schnee folgte ihr plötzlich. Sofort drehte sie den Kopf herum und sah, wie die Jungen auf sie zu rannten. Augenblicklich beschleunigte sie ihren Lauf, versuchte von ihnen wegzukommen.
   Sie zählte nicht ganz sechs Jahre – selbst wusste sie es nicht so genau, weil sie Zahlen noch nicht so recht verstand –, war bis heute nicht allzu großzügig gewachsen und hatte auch so nicht genügend Kraft um große Strecken schnell zu laufen.
   Die Luft, die sie stoßweise einsog, war kalt und tat in ihrer Lunge weh. Es fühlte sich ein wenig so an, als wenn ein paar Nadeln bei jedem Atemzug mit in ihren Mund rutschten und sich von dort ihren Weg in die Bronchien bahnten. Sie spürte genau, wo sie überall hinrutschten.
   Die schwarze Katze hatte viel weniger Probleme. Sie flog über den Schnee, als würden ihre kleinen Pfoten ihn gar nicht berühren. Überhaupt kannte sie keine Müdigkeit, Erschöpfung, Etwas, das sie von ihrem schnellen Lauf abhielt.
   »Namy!«
   Die flehenden  Worte verließen vor Erschöpfung kaum ihre Lippen.
   Vor Schreck war sie so starr, dass ihr die Beine versagten, einknickten und sie unsanft auf dem kratzigen, leicht gefrorenen Schnee aufkam. Von hinten kniff eine unsanfte Hand in ihre Schultern und hielt sie so fest, dass sie keine Chance auf Flucht sah. Trotzdem ruderte sie wild mit den Händen um sich freizukämpfen.
   »Du bist wirklich unfreundlich, Kleine!«, raunte man ihr grob ins Ohr. »Wir wollten doch nur mit dir reden! Und du rennst einfach weg!«
   Man riss sie an der Kapuze des Mantels ein Stück zurück. Zwar versuchte sie instinktiv mit den Füßen dem Druck entgegen zu wirken, aber es half nichts.
   »Da du uns nun gekränkt hast, musst du uns etwas als Entschuldigung geben!«
   Sie war selbst darüber überrascht, dass sie die Stimme wieder fand, fühlte es sich doch eher so an, als hätten Kälte und Schrecken sie in die hinterste Ecke ihres Geistes verdrängt. »Aber ich habe doch nichts!«, schrie sie halb in Zorn und Angst. »Lasst mich in Ruhe!«
   Sie lachten noch höhnischer auf als zuvor.
   »Bist also auch noch eine Lügnerin!« Raue Hände fuhren in ihre Manteltaschen - während jemand anderes sie auf die Füße zerrte - kramten da wie wild herum, fanden aber nichts außer leerem Papier und zwei Kiesel.
   Jemand schnaubte genervt auf. Dann wurde sie wieder zu Boden gestoßen.
   »Hat sie keine Tasche bei sich?«, rief einer der Drei.
   Ein Anderer: »Nichts zu finden. Absolut nichts!« Der Zorn in dessen Stimme war hörbar gewachsen.
   Von hinten fuhr etwas Schweres in ihren Rücken, ließ sie augenblicklich nach vorn überfallen, sodass die kleinen Eiskristalle im Schnee ihre Wange aufschürften. Sie zog die Hände mit den weichen Fäustlingen über den Kopf, konnte sich aber nicht gegen einen zweiten Tritt, diesmal in die Seite, schützen.
   Schwer atmend zog man sie an Kragen und Schal auf den Po. Gekrümmt, mit Übelkeit kämpfend, blinzelte sie zu den Jungen hinauf. Wie ein Rat, der sie verurteilen sollte, standen sie im Halbkreis um sie herum.
   »Du kleiner Dämon hast wirklich nichts!«, beschwerte sich der Größte von ihnen, als würde sie ihnen immer noch etwas schulden. »Aber du musst dich entschuldigen!«
   Aus Trotz reckte sie das Kinn und sah demonstrativ an ihm vorbei. Woher sie plötzlich diese Willenskraft nahm, obwohl sie sich kaum mehr bewegen konnte, wusste sie nicht.
   »Muss ich nicht!«, fauchte sie, wirklich einem kleinen Dämon gleich.
   Wieder lachte die Gruppe. So fies und heimtückisch, als warteten sie nur auf ihren nächsten Schlag, der noch viel grausamer und böser sein würde, als der letzte.
   Der größte Junge sprach wieder, viel zu süßlich, als es gesund gewesen wäre. »Dann nehmen wir eben die Katze mit! Da du behauptest, dass sie dir gehört, nehmen wir sie!«
   Ohne ein weiteres Wort der Erklärung stieß einer ihr einen Schuh in den Magen.
   So schnell, wie es passierte, fiel es ihr schwer dem mit den Augen zu folgen. Auch die Katze, die über blitzschnelle Reaktionen, scharfe Instinkte und eine ordentliche Kraft verfügte, konnte es nur mit ansehen, so schnell stand plötzlich einer der Drei vor ihr und streckte seine Hände gierig nach ihr aus.
   »Namy!!!«, schrie die Kleine panikerfüllt. Der Schnee hatte ihr die Wimpern verklebt und die Bande versperrte die Sicht auf die Katze. Wild blinzelnd schrie sie immer wieder den Namen des schwarzen Tieres.
   Das Klingeln des Glöckchens stoppte sie augenblicklich. Trotz der Schmerzen riss sie die Augen auf und sah die Katze verwirrt an. »Namy…«
   Die Katze mauzte.
   »Was zur Hölle ist hier los?«, schrie einer der Jungen außer sich. Wie eine wilde Horde machte die Gruppe kehrt und rannte auf die vor der Kleinen stehende Katze zu. Der Erste von ihnen streckte die Hände aus, machte einen Sprung wie ein Raubtier, dass seine Beute attackierte.
   Durch den Satz beschleunigt, schlug er hart auf dem Eisboden auf. Seine Hände fuhren durch den Rumpf der Katze wie jemand, der versuchte eine Nebelfigur zu erfassen.
   Mit einem sauren Fauchen sprang die Katze hoch, auf die Hüfte der Kleinen. Mit rundem Rücken stand sie wie ein böser Geist da, Haare und Schwanz steil erhoben, die Jungen mit den leuchtenden Augen fixiert.
   »Was zum-«, begann der Junge wieder, der sich vom Boden erhob. »Was zur Hölle bist du?!«
   Die Katze fauchte laut und erzürnt.
   Noch einmal versuchte jemand die Hand nach ihr auszustrecken. Keine fünf Zentimeter vor dem gesträubten Fell zog er sie plötzlich schmerzhaft aufschreiend zurück. Ein deutlicher Tetanus durchzog seinen rechten Arm bis zum Ellbogen hoch.
   Angewidert starrte er das Tier an. »Sie hat mir einen Schlag gegeben!«
   »Aber du hast sie doch gar nicht berührt!«, rief der Jüngste von ihnen.
   Er bekam keine Antwort. Verwirrt blickten er und sein Freund ihrem Kumpanen nach, der einfach auf dem Absatz kehrt gemacht hatte. Er rannte noch nicht ganz, lief aber so schnell, dass man deutlich sah, dass Furcht ihn durchschüttelte.
   »Warte, verdammt!«, schrieen sie im Chor.
   Es dauerte zwei Minuten bis der Park wieder so still da lag wie zuvor.
   Schnuppernd betastete die Katze das Gesicht der Kleinen mit der Nase. Sie mauzte ängstlich.
   Ein Lächelnd erschien. »Danke, Namy«, flüsterte sie schwach. »Du hast mich vor ihnen beschützt.«
   Muskelzuckungen durchfuhren ihren Körper. Vor allem ihr Brustkorb schmerzte. Tiefer Husten hatte eingesetzt, sodass sie zwischendurch kaum Luft bekam.
   Sorgenvoll legte die Katze den Kopf auf die Seite. Das Glöckchen schellte leise. Die Handschuhe der Kleinen waren mit kleinen roten Tropfen übersäht.
   Ein Mauzen erklang im Wind.
   Die Kleine schüttelte mit dem Kopf. »Es muss dir nicht Leid tun. Wirklich! Ich war einfach zu langsam für sie. Ich konnte weder dich, noch uns beide retten. Es tut mir Leid.«
   Vorsichtig stupste die Katze ihre Schulter an.
   »Mach dir keine Vorwürfe, Namy. Es wird schon. Wir-« Ihre Stimme versagte. Als hätte jemand bei einem Radio den Stecker gezogen brach der Klang der hellen Stimme einfach ab. Sie seufzte stattdessen leicht, erzeugte kleine Wölkchen in der kalten Luft.
   Der Griff an ihre Brust wollte das Stechen einfach nicht verjagen. Auch das leichte Drücken verhinderte nichts.
   Wieder hörte sie das Mauzen der Katze, diesmal leiser.
   Die Kleine lächelte freundlich. »Ich werd’ ein wenig schlafen«, flüsterte sie, als sie wieder etwas Kraft zum Sprechen gefunden hatte. »Bitte pass derweil auf mich auf, Namy.«
   Die Katze mauzte.
   Das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens wurde breiter, ihre Augen fast geschlossen. Sie nickte. »Danke.«
   Das letzte Mauzen, was sie hörte, war noch ein Stück leiser, als das davor. Es mischte sich in einer komischen Melodie mit dem Wind, der es aufnahm und mit sich trug. Zusammen schienen sie es viel mehr auszudehnen, als es üblich gewesen wäre. Sie machten Musik daraus. Ein Klingen, das sich mit dem Schellen des Glöckchens verband.


Es war warm, sehr schön warm. Der Wind, der um sie strich, war wie Seide, schwebend und leicht.
   Als sie die Augen öffnete, sah sie zuerst nur Farben. Wie ausgeschüttete Farbbecher wirbelten die bunten Flächen um sie herum und hüllten sie in ihrem Tanz ein. Der Wind bauschte sie zu immer neuen Kringeln auf, sodass sie nur erstaunt den Kopf heben konnte, um das Kunstwerk um sich zu bestaunen. Ihr fehlten vollkommen die Worte.
   Ein Mauzen ließ sie aufmerken und den Blick wieder senken.
   »Namy!«, rief sie glücklich und rannte auf die Stelle zu.
   Eine Katze schien dort zu stehen, mit einem goldenen Glöckchen am Halsband. Doch wie die bunten Nebelschwaden um sie herum war das Tier schemenhaft, nicht fest auszumachen. Vielmehr war es, als wenn sich ihre Konturen leicht ausgefranst mit der Umgebung verbanden.
   Wieder ein Mauzen.
   Eine Stimme von irgendwoher aus den Nebeln.
   …
   »Willkommen zu Hause, kleine Gabriella.«
 
Epilog

                  
- Kennst du ihn? Nein? Dir hat keiner von dem Schutzgeist erzählt?
   Viele hier erzählen sich von ihm. Er soll alle paar Jahre in Form einer kleinen Katze auftreten und die Schwachen beschützen. Keiner weiß dabei, warum er diese Personen begleitet. Besser gesagt, wie er gerade die findet. Denn sie haben alle etwas gemeinsam.
   Es ist komisch. Das erste Mal, erzählt man sich, soll der Geist bei einer alten Dame vor der Tür gestanden haben. In Form einer kleinen, schwarzen Katze, die kaum erwachsen zu sein scheint. Sie trug ein Halsband mit einem Glöckchen daran.
   Erst glaubte die alte Dame, die Katze sei jemandem weggelaufen. Doch sie tauchte immer wieder vor ihrer Tür auf, bis sie sie schließlich bei sich aufnahm, ihr Futter und Wasser und Streicheleinheiten gab.
   Ein paar Wochen lebte diese Katze zufrieden bei der alten Dame, dann starb die Frau plötzlich.
   Die Katze verschwand spurlos und keiner sah sie wieder.
   Jahre später erzählte man sich von einem Herrn, der hart arbeitete und dank seiner wenigen Freizeit keine Freunde hatte. Eines Abends stand eine kleine schwarze Katze mit einem Glöckchen am Halsband vor seiner Tür.
   Keine zwei Monate lebte die Katze bei dem Mann, der trotz seines Schicksals nicht unglücklich war. Dann fiel er plötzlich nach einem Autounfall ins Koma und starb eine Woche später.
   Eine ähnliche Katze besuchte eine Zwillingsmutter, deren Kinder schon lang außer Haus waren. Keiner schien sich mehr an die Frau zu erinnern. Sie lebte allein, war trotzdem aber glücklich. Dann kam die Katze.
   Ahnst du es?
   Ja. Sie wurde krank und erlag schließlich ihrer Lungenentzündung.
   Da waren Kinder, Jugendliche, viele alte Menschen, die der schwarzen Katze begegneten. Bei allen blieb sie ein paar Monate, bis diese Menschen mehr oder weniger überraschend plötzlich starben.
   Man sagt sich, dass diese Menschen alle ausnahmslos glücklich gewesen sind. Komisch, oder?
   Keiner von ihnen hatte ein einfaches, leichtes Leben geführt, bis sie die Katze trafen. Alle waren sie auf ihre ganz eigene Weise glücklich gewesen. Und weißt du was? Man sagt sich, sie sind alle auch besonders glücklich eingeschlafen. Alle bereuten sie nichts, was sie in ihrem Leben getan hatten und wie sie sich entschieden hatten. Es war für diese Personen ein besonders friedlicher Tod.
   Der Grund dafür war diese Katze, der Schutzgeist.
   Für die letzten Monate ihres Lebens begleitete sie der Geist, half ihnen, beschützte sie, ließ sie vor allem aber nicht allein. Keiner von diesen Menschen starb einsam. Keiner von ihnen starb vor seiner Zeit. Der Schutzgeist ließ sie erst dann gehen, wenn sie auch bereit dafür waren.
   Wenn also eine kleine schwarze Katze, fast zu dünn zum Überleben, mit einem Glöckchen an ihrem Halsband, eines Tages vor deiner Tür steht, dann habe keine Angst! Begrüße sie freundlich, nimm sie in deinem Heim auf und gib ihr etwas Futter, es wird nicht viel sein. Doch am Wichtigsten ist: Habe keine Angst! Es besteht kein Grund dazu. Denn dieser kleine Geist wird dich mit seinem vollen Schutz umfangen und dafür sorgen, dass dir kein Leid widerfährt.
   Es wird für dich warm und weich sein.
   Ich schwöre es! -




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« Antworten #24 am: 24.Januar.2008, 19:06:56 »

wow...das ist wirklich wunderschön...
Ich hatte beim Epilog echt Tränen in den Augen (aber ich bin auhc nah am Wasser gebaut ^^°9
Das einzige, was mir aufgefallen ist...diese "als wenn..."-Sätze würde vielleicht besser klingen, wenn du sie stattdessen im Konjungtiv schreiben würdest^^
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« Antworten #25 am: 24.Januar.2008, 19:23:23 »

das aber neeett, danke!!
huch... du hast recht o.o ist mir noch nie aufgefallen, aber die dinger benutze ich wirklich sehr oft^^''' *vergleichfanatiker* werd versuchen das in nächster zeit mal bissi zu reduzieren.
vielen dank für den hinweis!!
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« Antworten #26 am: 24.Januar.2008, 19:37:55 »

Immer gern ^^ ich kenn das ja, einem selbst fallen solchen Sachen meistens nich auch *lach*
Aber ich find das wirklich toll ^^
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