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Atelier der Bewohner => Geschichten und mehr => Thema gestartet von: raitsh van faith am 09.Oktober.2007, 20:06:13



Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Oktober.2007, 20:06:13
ich weiß, im moment kommt von mir an allen möglichen ecken ziemlich viel. aber das wird schnell abebben, da bin mir sicher! also ein klein wenig geduld, bald ist alles vorbei.

nuja. eine kurzgeschichte, die fortgesetzt werden soll. also es wird eine sammlung von kurzgeschichten, um es mal so auszudrücken. und zwar vom elite clan, den ich zusammen mit meinen zwei waffenschwestern vor einigen monaten gegründet habe. noch ist in dieser und anderen kleinen geschichten spinnerei dabei, aber wir sind ganz real und erfolgreich dabei, diese geschichten in die tat umzusetzen.
die auswirkungen, die hier beschrieben sind, mögen vll noch orakelt sein, aber die anfänge sind es nicht mehr. die sind ganz real in dieser form .) wir sin sozusagen noch 'am wachsen'.
aber genug geredet. viel spaß beim lesen. kritik ist unbedingt erwünscht!



            ELITE CLAN
         - die aufzeichungen der clangründerin raitsh van faith –

Seit einigen Jahren ist ein schwer wiegendes Gerücht – das schon viel mehr Tatsache ist, als andere Ding - aufgetaucht. Auf der Welt Meithan soll ein mächtiger Clan erwacht sein.
   Gerüchten zufolge gilt das Selbe für zwei fremde Welten, über die man hier nicht viel weiß: Oz und Aravalon. Welten, die unendlich weit entfernt scheinen und trotzdem durch diesen mächtigen Clan verbunden sind.
   Ins Leben gerufen wurde er von einer Elbe, die zumindest auf dieser Welt berüchtigt ist. Sie ist den meisten als der Zwillingsstern der Göttin der Morgenröte bekannt: Die Göttin der Nachtgleiche, eine Halbgöttin, die von ihrem Zwillingsstern auserkoren wurde, ihr zur Seite zu stehen. Doch manchen ist sie besser als Raitsh van Faith bekannt, Kopfgeldjägerin im Reich des ‚Goldenen Westens’. Eine Person, die scheinbar keine Gnade für ihre Opfer kennt und als tödliche Waffe absolut zuverlässig ist.
   Über die Gründerinnen innerhalb der anderen Welten ist hierzulande weniger bekannt. Es scheint, als würden die Informationen über die Umstände des Erwachen dieses Clans ein größeres Geheimnis sein, als die Fakten, die diesen Clan betreffen.
   Über Liserion Moria, eine Frau mit dem Blute eines Feuerdrachens weiß man, dass sie, wie die Clangründerin, ein Kind des Feuers ist und auf ihrer Welt dafür berüchtigt und bekannt ist. Sie hat es, wie die anderen beiden geschafft, in nur wenigen Jahren den Clan über die Landesgrenzen berühmt zu machen. Inzwischen ist er dort ebenso gefürchtet und gefeiert, wie bei uns.
   Kiara Zarah Akarin gehört zu den dortigen vier, die über die Elemente gebieten. Auf Meithan sind es die vier Elementarwächter, auf Oz werden sie Elementengel genannt und sind nicht minder mächtig. Zarah soll über den Wind gebieten können und trägt nicht nur Wolf- als auch Drachenblut in sich.
   Der seltsame Umstand, dass der Clan auf allen drei Welten jeweils von einer Frau etabliert wurde, ist genauso besonders, wie seine Mitglieder. Es besteht sowohl die Möglichkeit erblich in den Clan aufgenommen zu werden, als auch durch besondere Auszeichnung. Doch keiner weiß genau, wie der Clan seine Mitglieder erwählt. Dies ist das gehütete Geheimnis und seine Anziehung.
   Bekannt ist dagegen, wer bis heute zum Clan gehörte und gehört. Wie der Name des Clans es schon vermuten lässt, sind es ohne Ausnahme herausragende und mächtige Wesen, jeder für sich mit speziellen Fähigkeiten und Kräften ausgezeichnet. Jedes Mitglied ist in den verschiedensten Teilen seines und anderer Länder für bestimmte Taten und Mächte berüchtigt. So hält sich hartnäckig das Gerücht auf Oz, Aravalon und Meithan, dass alle Mitglieder des Clans unbesiegbar sind. – Dies scheint offensichtlich eine überspitzte Legende zu sein, doch niemand traute sich bis heute einem Mitglied offen entgegen zu treten.
   Indes breitet sich der Clan nicht etwa sprunghaft aus, da er so machtvoll ist: Im Gegenteil. Seine Entwicklung ist nicht vorhersehbar, dafür aber deutlich: Er hat sich zu einem der mächtigsten Instrumente entwickelt, die es gibt!

Vor ein paar Jahren tauchten Dokumente der Gründerin auf, die einen kleinen Einblick in die geheimen Geschäfte des Clans ermöglichen. Doch trotzdem man diese besitzt, gibt es immer noch viel zu viele Geheimnisse, die wohl noch viele Jahre bis Jahrhunderte ein Mysterium bleiben werden.


Ich war von einer Auftragsreise zurückgekommen und erwartete sie schon in unserer Wohnung. Wir hatten uns seit Monaten nicht mehr gesehen, da jeder in seiner Heimat den eigenen Verpflichtungen nachgegangen war und so hatten wir uns schon seit Wochen auf dieses Treffen gefreut. Jeder war gespannt zu hören, wie die Dinge sich in der Heimat des anderen entwickelt hatten.
   Inzwischen war die Spannung so groß geworden, dass ich den Gang entlang rannte. Die Tür flog ohne das Zutun meiner Hände auf und wieder zu und ich stürmte den schmalen Flur auf das Wohnzimmer zu.
   Ich stand etwas außer Atem in der Tür und sah die beiden auf dem breiten Sofa vor dem Kamin sitzen, während sie die Köpfe von meinem Verlobten in meine Richtung drehten.
   »Hallo Raitsh! Iethenne sagte uns, dass du auf dem Weg bist und wir uns setzten könnten und vor ein paar Sekunden, dass du gerade hinauf kommst!« Moria lächelte mich breit an und kicherte.
   Ich verschwendete einen kurzen Gedanken daran, dass ich wohl nie etwas in seiner Richtung geheim halten könnte und setzte mich zu ihnen.
   Wir plänkelten erst ein bisschen über unwichtige Dinge rum, ließen die schweren Themen zunächst bei Seite. Es wurde jedoch schneller Abend, als wir es erwartet hatten und so schlug ich den Besuch eines Wirtshauses oder Gasthauses vor. Unsere Diener hatten für die Woche, da Moria und Zarah bei uns währten, frei bekommen. Es war unabdingbar gewesen, angesichts der Dinge, die wir zu besprechen und erledigen hatten.
   Nachdem wir uns alle fertig gemacht hatten, gingen wir vier alle hinunter in Stadt. Es war wie fast jeden Abend: Sie war mir Besuchern, Händlern und den ansässigen Einwohnern so geschäftig gefüllt, dass man in manchen Straßen Probleme hatte, sich nicht aus den Augen zu verlieren.
   Ich lief an der Spitze, da ich die beiden zu unserem Stammwirtshaus führen wollte. Nach zehn Minuten wurde ich jedoch aufgehalten. Eine Stimme hinter mir rief mich eindringlich, sodass ich mich umdrehen musste.
   Zarah schwenkte in zehn Metern Entfernung den Arm und rief mich zu ihr. Als ich sie durch die Massen schließlich erreicht hatte, stand sie mit Azreal allein neben einem Schaufenster, sich vor den Leuten in Sicherheit während.
   »Wo ist Mo hin?!«, fragte ich sofort.
   »Das ist genau das Problem: Wir wissen es nicht.«
   Iethenne, der die Nachhut gebildet hatte, nickte. »In einem Moment hatte ich sie noch im Blick, sie lief zwei, drei Meter vor mir, im nächsten war sie plötzlich verschwunden!¬«
   Ich biss mir unbewusst auf die Unterlippe, strich die durch das Laufen nach vorn gefallenen Haare nach hinten und sah in die Menge, die neben uns entlang rauschte. »Es ist ja nicht, dass ich mir Sorgen mache, jemand könnte ihr etwas antun, sondern eher-« Ich brach ab. Zarah wusste genau, was ich sagen wollte.
   »Sie wird sich schon benehmen können, Rai. Bei fremden Orten ist sie vorsichtiger.«
   »Schon«, entgegnete ich, »aber ich weiß, was diese Atmosphäre hier manchmal für eine Wirkung auf mich hat und sie ist mir in dem Fall oft nicht so unähnlich.«
   Zarah grinste düster. »Wie auch immer: Lass sie uns einfach schnell finden, bevor es wirklich Tote oder Verletzte gibt!«
   Ich nickte. Im selben Moment hob ich den Unterarm im rechten Winkel an und ließ einen graubraunen Greifvogel auf ihm erscheinen. »Ich hoffe mein Shiki wird sie finden. In diesem Gewühl ist es schwer sie ohne großes Aufsehen zu finden.«
   Mit einem leisen Schrei stieß der Vogel sich von mir ab und stieg rasch in den Himmel auf. Der Shikigami war im Grunde ein einfacher Zauber, dafür aber ein sehr wirkungsvoller.
   »Lasst uns ebenfalls losziehen.« Ich nickte Azreal zu.
   »Wir verständigen uns mit dem Stein. Azreal hat ebenfalls zugriff auf sie und wir beiden können uns sowieso austauschen!« Ich deutete auf den blauen Kristall an Zarahs Hals und drehte mich schon von ihnen weg. Ein wenig Magie und ich war auf das Dach über uns gesprungen. Der Kristall schützte Moria und Zarah eigentlich vor den veränderten Gegebenheiten auf Meithan, die fremde Wesen eigentlich sofort töten würden, war also eigentlich nichts weiter als ein Schutzbann, doch er diente uns zusätzlich als Kommunikationsmittel. Wenn etwas nicht stimmt oder wir uns gegenseitig rufen wollten, glühte er hell auf und rief uns so. Und da ich sie erschaffen hatte, konnte ich mental auf sie zurückgreifen.
   Ich rannte zunächst über die Dächer, da ich von hier oben einen besseren Überblick hatte, in die Richtung zurück, aus der wir gekommen waren. Sobald eine Seitenstraße zwischen den Häusern auftauchte, kontrollierte ich sie auf Ungereimtheiten. Ich konnte meine Schwingen nicht nutzen, da sie mich sofort verraten hätten.
   Zwei Querstraßen weiter entdeckte ich sie: Sie stand in einer Seitengasse, die parallel zu Hauptstraße verlief, mit dem Rücken zur aufragenden Hauswand und sah sich vier groben Männern gegenüber. Ich blieb auf dem Dach stehen, das quer zu der Gasse lag und beobachtete sie zunächst. Ich wusste zwar nicht, ob Moria mich bemerkt hatte, was durchaus möglich war, die Männer dagegen hatten auf jeden Fall nichts mitbekommen.
   Es dauerte nicht lang, da griffen die Männer Moria an. Ungerührt nahm sie sie aber nur halbherzig an. Sie waren absolut kein Gegner für sie und so war es eher, als wenn sie mit ihnen spielte, als sie wirklich ernsthaft zu bekämpfen.
   Sie tötete jedoch keinen von ihnen. Zumindest noch nicht. Ich hatte mich inzwischen hingesetzt und dem Shiki meine Schulter angeboten.
   Die Männer wurden immer wütender, da sie nicht das erhielten, was sie sich erwünscht und erhofft hatten und stattdessen an der Nase herum geführt wurden. Plötzlich stieß der Shikigami einen hohen Schrei aus und alle fünf drehten sich wie gesteuert zu mir. Die einzige Person, die mich nicht wütend und verzweifelt zugleich ansah, war Moria selbst. Auf ihren Lippen stand ein Lächeln.
   »Meine Herren, darf ich Ihnen den Boss vorstellen?« Einer der Männer starrte sie dümmlich an, während die anderen mich zornig ansahen.
   »Was zur Hölle willst du? Ebenfalls Ärger, wie die Kleine hier?!«
   Ich grinste und zuckte mit den Achseln. »Also für mich sieht es eher so aus, als wenn Ihr diejenigen seit, die den Ärger haben!«
   Das Gesicht des Mannes, der gesprochen hatte, wurde noch zorniger. »Wir haben alles unter Kontrolle! Ihr könnt das doch überhaupt nicht beurteilen! Ihr seit eine verdammte, schwache Frau!«
   »Und sie, die Euch die ganze Zeit beschäftigt hat, nicht?!«, entgegnete ich grinsend.
   Die Blicke wanderten zu Moria zurück. Anscheinend schien es manchen von ihnen jetzt zu dämmern. Sie waren zahlen- und kräftemäßig weit in der Überzahl und trotzdem hatte diese zierliche Frau sie alle in Schach halten können, als wenn es für sie absolut kein Problem sei? Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen!
   Moria nickte meiner vorherigen Aussage bestätigend zu, verschränkte die Arme vor den Körper und sah sie ungerührt an. »Und sie kann es sehr wohl beurteilen«, erklärte sie freundlich. »Zeig es ihn, Raitsh!«
   Mit dem selben Gesichtsausdruck, wie Moria, sprang ich vom Dach hinab ein paar Meter vor sie in die Gasse und drehte ihnen den Rücken zu. Ich wusste, wie zweifelnd sie mich ansehen mussten, doch es störte mich keineswegs. Ich schob eine Hand in meinen Nacken und hob die schwarzen Haare hoch.
   In meinem Rücken vernahm ich, wie scharf die Luft eingesogen wurde. Kurze Flüche erklangen und ich drehte mich wieder um. Ich sah noch, wie auch Moria den Stoff über einer anderen Stelle an ihrem Körper wieder fallen ließ und die ungläubigen, geschockten Blick der Männer vollkommen ignorierte.
   »C… Circafea!«, stieß einer der Männer unterdrückt aus. Moria und ich nickten gleichzeitig.
   »Es war uns eine Freude, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben!«, erklärte Moria süßlich und trat wieder auf die Männer vor sich zu. Doch sie hatte keine Chance mehr Hand an sie zu legen. Abrupt drehten sich alle vier Hals über Kopf um und rannten wie wild auf die Hauptstraße zu.
   Ich musste lachen. »Was wollten die netten Herren denn von dir?«, fragte ich meine Waffenschwester im Plauderton.
   Sie zuckte kurz mit den Achseln. »Keine Ahnung, irgendwas zwischen Beischlaf und Geld. Nach dem ‚Hey Süße’ habe ich nicht mehr zugehört.¬«
   Ich grinste. »Wenn wir das damit erledigt haben, können wir ja vielleicht endlich Essen gehen, oder?!«
   Moria hakte sich bei mir ein und lief mit mir auf die Hauptstraße zu, während ich in Gedanken Zarahs Kristall aktivierte und Iethenne bescheid gab.
   »Auf jeden Fall! Ich werde diesmal auch versuchen mich auf nichts einzulassen!« Sie grinste wie ein kleines Mädchen.
   »Das wird schwer werden, Vanyanya«, entgegnete ich lächelnd. »Dafür müssten wir dich wahrscheinlich in einen Jutesack stecken, damit du niemanden auf dich aufmerksam machst.«
   Wir mussten beide anfangen laut aufzulachen, während wir Zarah und Iethenne einige Meter weiter schon entdeckt hatten.


Nicht viele haben bis heute die Dokumente der Clangründerin zu Gesicht gesehen. Es gibt viele einflussreiche Personen außer- und innerhalb des Clans, die bis jetzt verhindern konnten, dass die Dokumente an die Öffentlichkeit geraten. Doch die wenigen, die einen Blick in die Aufzeichnungen werfen konnten, haben ausgesagt, dass sie so geheimnisvoll und scheinbar unverständlich sind, wie der Clan und alle seine Mysterien um ihn selbst.


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Seb am 09.Oktober.2007, 20:44:00
Die Drei kommen mir doch irgendwie bekannt vor *g*


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Oktober.2007, 21:12:04
*lach* ja das dürften sie .) berühmt und berüchtig sind wir^^


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 06.Dezember.2007, 17:06:49
*lach*
Ich kenn sie auch XD
Aber das klingt doch mal vielversprechend.
Los, weiterschreiben!


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 08.Dezember.2007, 22:26:28
*bedrängt fühl* aye aye XD
wenn wir wieder mal was aushecken, kommt ein neues eintrag in die chronik ;)


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Dezember.2007, 17:31:11
ich würde mal wieder eine kurzgeschichte von mir zeigen.
(gleich vorweg: der name ganz am schluss ist mein pseudonym als autorin. nicht wundern)
wie man sieht ist es im sommer 2006 entstanden. das war ende der elften klasse. ich habe einmal einen blick in die zukunft meiner freunde und mir geworfen. insofern ist es vll nicht wirklich interessant für euch. es würde mich trotzdem freuen, wenn jemand es ernsthaft liest und mir danach seine meinung dazu sagt.
ich habe mir wirklich mühe gegeben und das schreiben hat mir wahnsinning spaß gemacht. es ist viel wahrheit mit dabei - und ein wenig unsinn ;) deswegen behandelt es bitte mit respekt .)



 - May it Be -   
             For my lovely Friends – I love you all!


Ich war in meinem Leben noch nie so aufgeregt gewesen, wie in diesen fünf Minuten, die ich dort vor der hellblauen Haustür in einem kleinen englischen Dorf nahe London verbrachte. Als ich zum dritten Mal den Klingelknopf bis zum Anschlag hinunter drückte, wunderte ich mich wieder, wieso sie hierher gezogen war. Sicher, in Afrika in einem kleinen Dorf in der Savanne hätte ich sie erwartet, aber doch nicht hier. Doch das sollte bald geklärt werden.
   Wieder trat ich ein paar Schritte zurück und reckte meinen Kopf ein wenig um die Hausecke herum, um etwas sehen zu können. Doch den Garten dahinter konnte ich nicht einsehen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich noch länger hier stehen würde, könnte mein Herz geradewegs in den nächsten Busch springen, um sich zu verstecken. Wieso war ich so nervös? Das war ich nicht gewesen, als ich das erste Mal hinter einer professionellen Kamera gestanden war, oder als der Film Premiere hatte. Oder als ich eines Tage auf dem Studiogelände dem schon langsam ergrauenden Ewan McGregor über den Weg gelaufen war! Nie so übermäßig und dennoch konnte ich mich der Besonderheit dieser Situation nicht erwähren.
   Nach einem vorsichten Blick auf die Uhr, ob ich nicht viel zu früh war, stiefelte ich zurück zum Auto und kramte im Kofferraum nach meinem Terminplaner. Andere waren berüchtigt ständig eine halbe Stunde zu spät zu kommen – ich dagegen war berühmt dafür immer viel zu früh aufzukreuzen. Nein, ich war vollkommen richtig. Es war punkt drei – doch trotzdem wollte mir keiner die Tür öffnen.
   Komm schon Süße! Lass mich nicht hängen! Du weist wie sehr ich mich auf diesen Augenblick gefreut habe, dachte ich flehend. Ich würde sie alle wieder sehen und das konnte ich mir doch nicht von einer geschlossenen Tür zunichte machen lassen! Fast hätte ich zu meinem Handy gegriffen und einfach drinnen angerufen. Doch ich bezweifelte ernsthaft, dass sie das Klingeln eines Telefons eher hörte als das einer Tür. So lief ich zurück zur Tür, eine Hand auf dem Knopf der Zentralverriegelung, und versuchte es ein weiteres Mal. Mein Herz schlug sprichwörtlich bis zum Hals und von Minute zu Minute sank mein sonst so grenzenloser Optimismus. Leute…
   Und als hätte sie diesmal meine Wort gehört sprang plötzlich die Tür auf und die Miene, die mir entgegenblickte, spiegelte gleichzeitig Entschuldigung, Freude und Überraschung wieder.
   »Steffi?! Was machst du denn schon hier?!!«
   Mir klappte die Kinnlade runter und ich wusste zunächst nicht einmal, ob ich überhaupt etwas sagen konnte, geschweige denn was.
   »Ähm… na wir waren doch alle verabredet. Bei dir… um drei!« Fragend sah sie hinab auf ihre Uhr und hob sie mir dann vor die Nase. Sie zeigte fünf Minuten nach zwei. Meine ging eine Stunde vor. Dann traf es mich wie ein Schlag! Ich war nach Frankfurt a.M. geflogen um in Deutschland meine Mutter und Großmutter zu besuchen. Da hatte ich meine Uhr um irgendwas von zehn – elf Stunden zurückgestellt, doch als ich ein paar Tage später dann nach London geflogen war, hatte ich vollkommen vergessen, sie noch einmal eine Stunde zurückzustellen.
   Kläglich hob ich meinen Arm und hielt ihr nun meine Uhr vor die Augen. Doch sie musste lachen.
   »Schon gut! Ich kenne das. Komm einfach rein!« Entschuldigend nickte ich und folgte ihr.
   »War das da dein Auto auf der Strasse?! Sah teuer aus!«
   Ich kicherte, während sie mich durch den Flur in den Garten hinter dem Haus geleitete. »Immer das, was ich mir gewünscht habe, nicht war?«
   »Ob es nun genau das ist, kann ich nicht beurteilen!«, lächelte sie. »Aber es sieht einfach mal danach aus, dass es einer deiner Traumwagen ist.«
   »Ist es!«, bestätigte ich und dachte grinsend an den schwarzen M6, der am Bürgersteig parkte. Sie zeigte mir einen kleinen runden Metalltisch unter einem Baum an dessen einer Seite eine Holzbank stand und um den Rest herum Stühle. Ich setzte mich auf die Bank und sah mich dann um. Der Garten war geräumig, viele Obstbäume und ein paar Pflanzenbeete mit Blumen.
   »Wohnst du etwa hier?«, fragte ich erstaunt, als sie mit einer Tasse Cappuccino aus dem Haus zurückkehrte. Sie lächelte und schüttelte mit dem Kopf.
   »Nein. Nur vorübergehend. Nächstes Jahr will ich wieder nach Mombasa zurück. Ich bin nur für ein Praktikumsjahr gezwungenermaßen hier.«
   Ich versuchte die wenigen Informationen zusammenzuraffen und miteinander zu kombinieren. Ich hatte fast ein Jahr nicht mehr mit ihr Kontakt gehabt und dies schien deutlich Spuren hinterlassen zu haben.
   »Heißt das, dass du doch noch das Studium begonnen hast?« Sie nickte lächelnd. Ahja, wie schön. Hatte sie es also doch. Ich lächelte ebenfalls.
   »Es ist wirklich schade, dass wir so lang nichts mehr voneinander gehört haben!«, seufzte ich, als ich in dem Moment merkte, wie schade es wirklich war. Doch ich hatte mit meinem Umzug, der Arbeit dazwischen und den Wirrungen im Studio kaum Atmen holen können und war wohl der Grund für diese Funkstille gewesen. Als ich jetzt in ihrem Garten saß tat es mir doppelt und dreifach leid.
   Wir hielten ein wenig Smalltalk, nicht wirklich wichtige Dinge, als eine halbe Stunde später das Klingeln der Tür so schwach wie von Kilometern mitgetragenem Wind zu vernehmen war. Sie entschuldigte sich und lief zu Tür.
   »Das wird Stephie sein!«, rief sie.
   Noch eine in unserem Kreis. Wie zu ihr und der noch fehlenden vierten im Bunde hatte ich das vergangene Jahr so gut wie keinen Kontakt gehabt. (Ausgenommen die Festtage und der Geburtstag) Als Ise im Haus verschwand und ich ihr nachsah, fiel mir ohne ersichtlichen Grund der Urlaub nach dem letzten Schuljahr ein. Das lag nun bereits schon vierzehn Jahre zurück und doch konnte ich mich noch an nahezu jede Einzelheit erinnern. Es war, als wären wir erst letztes Jahr, so unglaublich stolz darauf, dass wir selbst fahren konnten, nach Westfrankreich an die Atlantikküste gefahren! Damals hatten wir uns fast ‚gestritten’ wer denn nun fährt, bis wir uns entschieden hatten betreffs des Gepäcks zwei Autos zu nehmen. Da hatten wir uns dann zu zweit in den Autos immer abgewechselt. Marie-Luise, seit dem Kindergarten nur noch Ise genannt, Konstanze, natürlich Konni, meine Namensvetterin Stephanie – Stephie und ich.  
   Noch ehe Stephie durch die Hintertür zum Garten kommen konnte, kam mir schreiend und rennend ein kleines blondes Mädchen entgegen. Wie besinnungslos rief sie meinen Namen und ich konnte auch nicht anders, als aufzuspringen und sie lachend in den Arm zu nehmen. »Tante Steffiii«, rief sie jauchzend, als ich sie hochgenommen hatte. »Ich hab dich so vermisst!«
   »Ich dich auch, Emma!«, grinste ich. Die Kleine musste jetzt sechs Jahre alt sein und war Stephies Tochter. Sie war so goldig, die Kleine, was nicht allein an ihrem hellen, strahlenden Haar lag, was wie das ihrer Mutter hellblond war. Sie trug ein leichtes Sommerkleid und so wunderbar niedliche Schuhe.
   »Es ist wirklich klasse, dass meine Tochter immer anziehender auf ihre Patentante ist, als ich!«, kam ihre Mutter mir wenige Minuten später entgegen. Ich ließ Emma wieder runter und ging sie begrüßen.
   »Du musst dir nur deine Kleine anschauen und dann weiß du, warum ich sie am liebsten jedes Mal mitnehmen würde!«
   »Wirst du aber nie können! Ise ist übrigens drin, um sich umzuziehen.« Sie setzte sich mit mir auf die Bank, während Emma ein wenig den Garten erkunden ging. Stephie hatte sich ihre Haare wachsen lassen, sodass sie ihr jetzt über die Schultern hinweg fielen, doch ihre Fülle hatten sie nicht verloren. Die hellen Augen leuchteten. »Na los! Erzähl, was hast du so getrieben!«
   Ich konnte ihr ihre Neugier kaum verübeln, brannte ich doch selbst darauf die anderen mit Fragen nur so zu löchern. Doch ich winkte ab.
   »Wenn ich dir jetzt alles erzähle, dann bleibt nichts mehr für die anderen beiden übrig und ich muss am Ende alles wiederholen«, lachte ich.
   Sie zog die Lippen vor, sah aus wie ein Karpfen und seufzte gespielt enttäusch. »Na schön! Dann beantworte mir wenigstens eine Frage: Wo bist du denn nun hingezogen?«
   Wieder musste ich lachen, doch diesmal noch viel herzlichen und lauter. Ich hatte so wenig Zeit gehabt, dass ich allen dreien nur mitgeteilt hatte, dass ich im Umzugsstress stecke. Jedes mal, wenn wir doch telefoniert hatten, zum Beispiel zu Weihnachten, hatte ich auf die Frage meines gegenwärtigen Schaffens immer nur die Sache mit der Arbeit erwähnt – und, dass ich eben umziehe. Doch nie gesagt wohin.
   »Na sag schon!«, wiederholte sie ihre Frage.
   Ich kicherte immer noch. »Wellington!«, rief ich ohne Erklärung lachend aus. Zum Glück hatte sie keine Zeit nachzufragen, als sie die Tragweite meiner Antwort verstanden hatte, denn in dem Moment kam Ise mit dem letzten Gast aus dem Haus in den Garten zu uns. Ich erhob mich erneut von der Bank und umarmte Konni.
   »Es ist so toll dich wieder zusehen!«, sagte ich.
   »Kann ich nur zurückgeben«, lächelte sie verschmitzt.
   »Es ist toll, dass wir uns alle gemeinsam endlich wieder sehen! Wenn es hoch kam, sahen wir uns zu zweit oder zu dritt, doch nie alle zusammen!«, fügte Ise hinzu, während sie ein Tablett mit Kaffeetassen auf den Tisch stellte. Wir nickten alle zustimmend.
   Ich konnte gar nicht glauben, dass wir alle vier wieder zusammen waren. Es war viel zu lang her. Vor allem für mich, die ich mit keinem der drei im letzten Jahr länger als eine halbe Stunde gesprochen hatte. Nicht einmal meine E-Mails hatte ich regelmäßig überprüfen können, zu oft war ich vom Studio in Los Angelas und meinem Apartment dort nach Wellington geflogen um zwischen der Arbeit immer mal wieder ein oder zwei Wochen den Umzug zu managen. Ich konnte es jetzt immer noch nicht glauben, dass meine Hauptadresse nun wirklich 6001 Wellington, New Zealand lautete und der Spuk endlich ein Ende hatte!
   Als Ise den Kuchen gebracht hatte, fingen wir zunächst zwischen ihm und dem Cappuccino an gemütlich zu reden. Über Gott und die Welt, was wir in den letzten Jahren getan hatten, wie es uns ging und was sich für uns geändert hatte. Wir waren fast alle in andere Länder verschwunden und so war es selbstverständlich äußerst schwer, dass wir uns regelmäßig sahen. Doch ich wollte irgendwie versuchen, trotz der ganzen Entfernungen, es wieder aufleben zu lassen. Zwar hatten wir alle natürlich mit den vielen Jahren andere Freunde kennen gelernt, doch diese drei waren mir immer noch die liebsten. So viele Erinnerungen hingen an ihnen.
   »Also Mädels«, fing ich weit später an, »wer außer der Mutter meiner kleinen niedlichen, äußerst intelligenten, gerissenen, phänomenal talentierten -«
   »Steffi…!«, kam es wie im Chor.
   »Schon gut!«, lachte ich. »Also noch mal: Wer, außer der Mutter des besten Patenkindes auf der Welt, ist in festen Händen von euch?« Ich konnte nicht anders als groß und breit zu grinsen. Ich liebte es, sie von Jahr zu Jahr immer wieder danach zu fragen. Das Beste, was mir passieren konnte, war schließlich eine Hochzeit von ihnen!
   Konni schüttelte den Kopf und dankte lächelnd. »Im Moment frei wie ein Vogel!« Richtig so, Kleines!, zwinkerte ich innerlich.
   Doch Ise, die mir genau gegenüber saß hob ‚schuldbewusst’ die linke Hand und präsentierte uns einen zierlichen, goldenen Ring mit tief dunkelblauen Stein.
   »Nicht doch!«, rief ich aus und ergriff ihre Hand. »Was machst du mich unglücklich! Hast du vergessen, dass ich einmal der Grund dieses Schmuckstücks sein wollte!« Sie musste lachen, als sie sich eines Rumgeblödels kurv vor Ende der Schule erinnerte.
   »Ich weiß. Und es bricht mir das Herz, es dir auf diesem Weg zu sagen!«, scherzte sie. Die anderen lachten ebenfalls. Ich war immer nach ihnen dreien verrückt gewesen und so war auch einmal in der müßigen Schulzeit die Sache mit dem Antrag an sie entstanden.
   »Seit wann denn?«, fragte Konni neugierig und ihr blondes Haar fiel dabei über eine Schulter, als sie sich vorbeugte.
   »Seit drei Monaten!«, erklärte uns die also frisch Verlobte. »Im nächsten Jahr im Sommer wollen wir Heiraten.«
   »Ich bin wirklich geschockt. Und geplättet zugleich!«, stieß ich aus. Stephie neben mir klopfte mir gespielt verständnisvoll auf die Schulter. »Du schaffst das! Wo bleibt dein Optimismus?«
   Zum unzähligsten Mal mussten wir lachen.
   »Apropos Optimismus«, warf Konni ein. »War das dein Auto da vor Ises Haus, Steffi? Dieser Schwarze?« Ich spitzte freudig die Ohren und grinste.
   »Nicht so abfällig! Den habe ich mir hart erarbeitet! Mit allem meinem verfügbaren Schweiß und noch viel mehr!«, erklärte ich zünftig.
   »Von wegen! Als erfolgreiche Filmproduzentin in Hollywood ist das doch ein Klacks für dich!«, stellte Ise richtig. Doch ich winkte mit einer Hand ab.
   »Nicht doch. So gut nun wieder auch nicht. Außerdem bin ich weniger Produzentin als hinter der Kamera, beziehungsweise an ihr, tätig. Glaubt mir. Den Hauptteil erledigt sowieso mein Partner und den meisten Ruhm heimst er auch ein!«
   Eine kurze Stille kam auf. Dann sah mich Stephie argwöhnisch von der Seite an und musterte mich eingehend. »Wie war das mit dem passionierten Singeldasein, Frau Eichler?«
   »Hä? -« Ich sah sie verständnislos an, während die beiden uns gegenüber schon zu prusten begannen. Ich sah sie aus dem Augenwinkel an bis ich begriff.
   »Was? Ach nein! Nicht doch! Ich doch nicht, Leute. Nein, ich meinte meinen Geschäftspartner. Vielleicht kennt ihr ihn, er ist Regisseur: Julian Moore?« Erwartungsvoll sah ich in Runde. Bei ein oder zwei unserer gemeinsamen Filme hatte man mich auch mit in die Werbung geschmissen. Es war zwar wahr, dass ich alle unsere Film vornehmlich auch mitproduziert hatte, doch meine Hauptaufgabe hatte ich eigentlich immer nur als ‚Director auf Photography’ gesehen – Kamerafrau. Trotzdem hatte man uns in eben diesen beiden Filmen, den letzten, als erfolgreiches Produzentenduo bezeichnet. Na ja, wenn sie meinten! Die eigentliche visionäre Arbeit hatte meiner Meinung nach Julian gemacht und nicht ich! Ich fing nur die Bilder ein.
   Ich sah deutlich wie es allen dämmerte. Man sah ihnen den Prozess der Erkenntnis schier an. Wie sie erst nach dem Namen suchten und sich dann langsam wohl an ein paar Filme von ihm erinnerten. Ich hatte ihn erst mit circa vierundzwanzig kennen gelernt. Und unsere erste erfolgreiche Arbeit war auch erst mit siebenundzwanzig entstanden. Somit ging ich noch gut und gern als ‚Newcomer’ durch. Natürlich kamen wir nicht an Spielberg oder Peter Jackson ran, aber wir schafften den ein oder anderen Erfolg. Wobei oft sein Name uns vieles erleichterte.
   »Also bist du diese ‚Megan Hunter, die so erfolgreich mit dem Genie Julian Moor dreht’?«, zitierte Konni scheinbar irgendeine Sensationszeitung mit offenen Mund.
   Jetzt war es mir fast peinlich. Ich hatte es wirklich nie so gesehen. »Ähm, na ja zumindest bin ich diese Megan Hunter, ja.
   Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich diesen Namen damals schon zum schreiben genutzt habe. Ich dachte der kommt bei einem englischen Publikum besser an, als ‚Stefanie Eichler’.« Ich lächelte schüchtern. «Aber hört bitte auf damit! Es soll doch nicht um mich gehen!«
   »Na du machst uns Spaß!«, lachte Stephie.
   »Nein wieso? Ich versteh dich nicht, du hast eine zuckersüße Tochter, von der ich auch noch die Patentante sein darf -«
   »Nicht nur du!«, verbesserte Ise mich, während Konni neben ihr pflichtgemäß nickte.
   »Ja, natürlich. Du hast einen liebevollen Mann und arbeitest in deinem Traumberuf an einer Grundschule nahe Dresden! Ich weiß nicht, was dich stört. Dein Traum ist doch wahr geworden. Bei mir war das schwer. Ich hatte zwei, die konkurriert haben und nun hab ich immer das Gefühl, dass ich den einen nicht eine gerechte Chance gegeben habe!« Dann sah ich zu meinen Gegenübers.
   »Und schau dir Ise an! Sie geht bald wieder zurück nach Afrika. Und Konni hat mehr Länder gesehen, als ich je die Chance habe werden.«
   »Wieso denkst du, dass einer deiner Träume zu kurz gekommen ist?«, fragte Ise schließlich. Ich zuckte mit den Schultern.
   »Na ja, ich habe doch immer in einem Zoo als Zoologie arbeiten wollen. Das habe ich mir immer gewünscht und habe dafür die Sache mit meiner Liebe zum Film fast vollkommen abgekapselt, weil das sowieso sicher keine Zukunft haben würde. Und nun sieh mich an. Ich bin sprichwörtlich ‚im falschen Film!«
   »I woh!«, stoppte Konni mich. »Du bist genau da, wo wir dich immer haben wollten. Da bist du gut aufgehoben!«
   »Ja genau! Schau dir nur mal dein Auto an!«, stimmte Stephie ihr zu. Und darauf konnte ich wohl kaum protestieren. Sie hatten ja Recht. Ich fühlte mich wirklich sehr wohl. Vor allem mit meinem neuen Wohnsitz, den ich mir so hart erkämpft hatte und von dem ich schon immer gewusste hatte, dass ich einmal dort enden würde. Egal für welche Zukunft ich mich damals entschieden hätte. Nun konnte ich großteils bei der Entstehung eines Films mitwirken, ohne ihn selbst regieren zu müssen. Und das nur, weil der Regisseur und ich Partner, noch dazu die besten Freunde, waren und er ein eigenes Studio besaß, das sich vor einigen Monaten von Fox getrennt hatte und nun eigenständig handelte.  Wir hatten viele andere Regisseure, Kameraleute und Schauspieler unter Vertrag, doch wenn er drehte durfte ich immer mitmachen und hatte dadurch so viel Einfluss, wie ich ihn gern hatte. Nicht zu viel und nicht zu wenig.

Bis zum Abend saßen wir dort unter dem Baum im Schatten und redeten so lang, dass wir bald alle verlorene Zeit aufgeholt hatten. Natürlich würde kein Monat dazu reichen, doch wir kamen dem zumindest nahe. Als es auf sechs zuging begann Ise den Grill aufzubauen und wir saßen bei Steaks und Würstchen noch bis in die Nacht hinein draußen. Es war für englische Verhältnisse recht warm und trocken, sodass wir es optimal ausnutzen konnten.
   Drei Tage wohnten wir bei ihr im Haus, fuhren raus nach London und hoch in die Highlands. Mein armer BMW M6 wurde dabei nur für eine Probefahrt genutzt. Er war einfach zu klein für fünf Personen auf lange Strecken. Doch nach meinen ausschweifenden Lobs hatte er dann doch einmal für eine Spritztour gereizt. Der Charme der fünfhundertsieben PS hatte seinen Reiz nicht verfehlt.
   Während der Touren kamen wir in den Geschmack von Konnis Kunst. Bevor ich zu unserem Treffen gefahren war hatte ich im Internet bei ihrem Unternehmen recherchiert. Und sie lobten sie in den höchsten Tönen und man kam nicht umhin die Reisen, die sie begleitete, extra anzupreisen. Und wir merkten bald, dass ihre Arbeitgeber nicht übertrieben hatten. Sie machte uns sogar das schrecklichste, nasse britische Wetter schmackhaft und wir verzichteten auf jegliche Broschüre von irgendeiner Stadt oder Sehenswürdigkeit. Sollte es einmal vorkommen, dass sie doch einmal nicht Auskunft geben konnte, half Ise uns.
   So kam es, dass selbstverständlich alles schneller rum war, als wir es für möglich gehabt hatten. Und so primitiv diese Aussage scheint, so schmerzlich wurden wir ihrer bewusst. Am Dienstag flog ich von Heathrow zurück nach Wellington - heute war Montag - Konni zunächst nach Berlin, bevor es, so erzählte sie uns, am Donnerstag zu einer zweiwöchigen Schiffsreise in der Karibik ging. Und Stephie musste natürlich wieder nach Hause und würde am folgenden Montag wieder unterrichten müssen. Im Moment waren  in Sachsen noch Ferien.
   Es war Abend und wir hatten noch zweiundzwanzig Grad unter dem Baum im Garten. Die Atmosphäre war leicht gedrückt, doch wir alle hatten immer noch die positive Stimmung der letzten Tage in uns.
   »Wir müssen das so bald wie nur möglich wiederholen!«, sagte ich seufzend, während ich mich erhob, um ins Haus zu gehen. »Das darf nicht wieder so lang dauern, wie das letzte Mal!« Ich wand mich von ihnen ab und schritt ins Haus. Oben im Gästezimmer, dass ich mir mit Konni teilte – Stephie schlief mit der kleinen Emma gegenüber – kramte ich in meinem Koffer und fand schließlich unten auf dem Boden drei in Schutzumschlag eingeschlagene Bücher.
   Als ich unten wieder zu den dreien trat, redeten sie gerade über Stephies derzeitige Klasse. Ohne etwas zu sagen drapierte ich je ein Buch vor einem von ihnen und legte schließlich meine Unterarme auf Konnis Schultern. Auf den Vorderseiten stand der Titel ‚Feredir ni Enedh – Jäger der Mitte’. Als Autorin würde Megan Hunter genannt.
   »Die sind für euch«, erklärte ich ihnen. »Es ist zwar schon längere Zeit fertig, doch ich habe endlich einen Verlag gefunden. Nächsten Monat soll es erscheinen und ich will euch die drei ersten Exemplare schenken!«
   »Da wird sich Jennifer Roberson aber freuen!«, lächelte Stephie freudig, als sie das Buch durchblätterte. Die anderen taten es ihr gleich.
   Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn sie es liest? Ich hoffe es.«
   »Vielleicht triffst du sie ja doch noch!«, meinte Ise.
   »Na ja.« Mehr sagte ich nicht dazu. Es wäre die Erfüllung all dem, auf was ich je hingearbeitet hätte – sogar die ganze Sache mit dem Film. Doch dies würde wohl wirklich immer nur ein Traum bleiben. Zumindest wollte ich als nächstes Julian vorschlagen, dass wir uns um die Rechte des ersten ‚Schwerttänzer’ – Buches kümmerten. So wollte ich meinem unangefochtenen Vorbild wenigstens ansatzweise gerecht werden.
   Am Abend trat ich noch mal hinaus auf die Terrasse – überraschend saß Ise mit einem Glas Wasser auf der Bank und sah in den sternenüberzogenen Himmel hinauf. Ich trug eines mit Eistee mit mir und lehnte mich neben ihr an die Wand des Hauses.
   »Und was suchst du da oben in den Sternen?«, fragte ich leise.
   »Nach dem Sinn des Lebens?«, scherzte sie. »Darüber kannst du einen Film drehen!«
   Ich lachte. »Ich werde mal mit Julian reden«, meinte ich und sah ebenfalls hinauf. Zwar was es nicht das Kreuz des Südens, dass ich jetzt von meiner eigenen, heimischen Terrasse aus sah, aber der Große Wagen weckte gleich viele Erinnerungen – und eigentlich viele, viele mehr.
   »Wie spät ist es?«, fragte ich sie, da meine Uhr oben auf dem Bett lag. Manierlicherweise hatte ich das Zimmer verlassen, als Konni von ihrem Chef angerufen worden war. Ise neben mir sah auf die Uhr. Das fahle Sternenlicht glänzte auf seltsame Weise in ihrem hellbraunen, seidigen Haar, sodass sie fast silbern wirkten.
   »Kurz nach zehn«, meinte sie lächelnd. Sie hatte verstanden, an was ich gedacht hatte. Beide grinsten wir uns vielsagend an.
   »Sag mal«, sagte sie nach ein paar Minuten des Schweigens, »willst du wirklich dein ganzes Leben allein bleiben?« Sie sah hinauf in den Himmel und so konnte ich nur ihr Profil fragend anschauen. Im Augenwinkel musste sie es wohl merken.
   »Ach komm! Ich bin doch gar nicht allein! Ich habe euch und das reicht doppelt und dreifach.« Ich lächelte munter. Sie blickte mich wieder an und legte den Kopf leicht schief. Doch sie entgegnete nichts.
   »Und außerdem habe ich doch Julian!«, lachte ich. Ich hatte natürlich im Laufe der Tage einiges von ihm uns seinen Eigenschaften, besonders Marotten, erzählt und so wussten sie, dass wir ganz gar nicht irgendetwas mehr anstrebten. Er war durch und durch mein bester Freund. Und nichts desto weniger Geschäftspartner.
   »Ist doch eigentlich schade. Es klang wirklich nett!«
   »Wie du meinst«, lächelte ich unbekümmert und sah dann ebenfalls wieder hinauf. Später dann hinunter auf den großen Baum, unter dem wir so oft gesessen hatten, während mir eine Szene vor meiner Abreise nach Frankfurt nicht aus dem Kopf gehen wollte. Vorher hatte ich ihr keine Bedeutung beigemessen, doch jetzt waberte sie durch meinen Geist, wie hartnäckige Nebelschwaben. Julian am Flughafen, er hatte mich hingefahren – das Auto war schon vorgeschickt worden – und dieses seltsame Gespräch was wir als nächstes tun würden, wenn ich wieder zurück wäre.
   Plötzlich raschelte es hinter uns und Konni und Stephie erschienen in der Schiebetür zur Küche.
   »Na was besprecht ihr zwei da Geheimes ohne uns?«, fragte Stephie mit so einer Art James Bond – Blick.
   »Dass wir wohl nie das Vergnügen haben werden unsere Kleine hier zum Altar geleiten zu können!«, seufzte Ise überaus tief und deutete dabei bedeutungsschwer auf mich.
   »Na dann kann ich ihr aber nur zustimmen«, nickte Konni. »Das ist wirklich ein großes Versäumnis.«
   »Nun hört aber auf! Ihr seit ja schlimmer als jede Partnervermittlung!«
   »Erfahrungen etwa?« Dabei hob Stephie vielsagend eine Braue und sah mich groß an. Ich konnte es nicht fassen, die wollten mich verkuppeln!
   »Natürlich nicht!«, rief ich. Glücklicherweise schien das Thema damit erledigt.
   Wir sahen alle hinauf in den Himmel und besahen uns die Sterne. Ohne, dass wir uns dagegen wehren konnten, legte sich eine tiefe melancholische Stimmung auf uns. Keiner wollte in dem Moment etwas sagen. Wahrscheinlich wäre es sowieso falsch und fehl am Platze gewesen. So schwiegen wir uns minutenlang an, sahen hinauf, ohne dass es für einen von uns langweilig oder unbequem und unangenehm wurde. Wir unterhielten uns gegenseitig mit unserer Anwesenheit und das genügte nach diesen Jahren schon.
   »Hey«, begann ich dann doch, »was haltet ihr davon, wenn ihr alle zu mir zieht? Ich kenn da noch ein paar schicke Wohnungen und kleine Häuschen in Wellington. Ich kann euch da an einen guten Makler empfehlen.« Keiner antworte mir. Entweder sie zogen es ernstlich in Erwägung oder lächelten innerlich über den Versuch der Erheiterung der etwas seltsam anmutenden Stimmung. Schön wäre es gewesen. Wirklich sehr schön.
   »Dann kommt mich beim nächsten Treffen wenigstens Besuchen!«, sagte ich dann.
   Sie nickten alle gleichzeitig. »Das machen wir«, lächelte Ise. »Das nächste Mal treffen wir uns alle bei dir! Du musst aber die Flugtickets übernehmen!« Wir lachten alle und ich nickte dabei.
   »Wenn schon, denn schon!«, grinste ich.
   Und somit hoben wir wieder die Köpfe und sahen uns die Sterne an, als wenn sie uns unsere weitere Zukunft beschreiben würden. In dem Moment wollte ich nichts so sehr wissen, wie unsere Lage in den nächsten zehn Jahren. Auch wenn ich das nie wissen würde können, hoffte ich, dass sie gut war, unsere Zukunft. Wie jetzt.
    Blubbernd und röchelnd erkannte man am Zug meines Strohhalms, dass das Glas leer war. Ich sah in es hinab und erblickte nur noch die Reste der Eiswürfel.
   »Ich glaube ich geh hinauf schlafen. Mein Flugzeug geht morgen früh viel zu zeitig. Und im Flugzeug soll ich laut meines Chefs mir das neue Drehbuch anschauen«, grinste ich breit. »Also kein Schlaf!«
   Ise erhob sich und nickte mir zu. »Ist eine gute Entscheidung. Ich glaube wir alle müssen morgen früh raus. Nicht nur um dich zu verabschieden.«
   »Genau. Mein Flug geht zwar erst ein paar Stunden später, aber trotzdem kannst du mich doch  schon mit in die Stadt nehmen!« Ich nickte Konni zu und sah Stephie erwartungsvoll an. Doch die schüttelte mit dem Kopf.
   »Wir nehmen die Fähre! Emma hat Flugangst!«
   »Wie du willst!«, meinte ich darauf.
   Ise trat zuerst wieder ins Haus und wir folgten alle. Draußen war ein leichter Wind aufgekommen und im Garten roch es nach den Blumen, die dort überall tagsüber blühten. Das kleine Städtchen um uns herum war sehr ruhig und friedlich und man konnte kaum glauben dass London nur dreißig Kilometer entfernt war. Manchmal wehte der Wind den Stadtlärm gedämpft und flüsternd bis hier her, doch an diesem Abend war dies nur eine schattenhafte Erinnerung, die wir während dieser Tage nur einmal hatten erleben dürfen.


                                Megan Hunter, im Sommer 2006


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Dezember.2007, 17:54:21
etwas anderes als ausgleich, was ihr vll interessanter findet.
meine freundin schreibt eine geschichte über bzw mit wölfen. dafür forderte sie uns vor einiger zeit aus, charaktere zu entwickeln, die sie dann in der gescihcte mit einweben wollte.
ich habe ihr ein geschwisterpaar 'designt', dessen kurze (vor-)geschichte das folgende ist. dazu gibt es sogar ein - himmelschlechtes - bild.


WOLF’s Destiny

Das Wasser bewegte sich langsam hin und her. Wellen von einer Seite der großen Pfütze zur anderen, als wäre jemand auf den Boden gestampft und hätte ein Minierdbeben ausgelöst.
   An ihr witternd senkte Feinráca die Schnauze dicht über die Wasseroberfläche. Was bewegte sie nur so? Nichts war vorbei gekommen oder hatte sich vernehmen lassen. Und er konnte es auch nicht sein, da er nicht genug wog um die Wellen zu erzeugen. Verwirrt hob er wieder den Kopf und fixierte die Umgebung. Am anderen Ende der kleinen Freifläche zwischen den einzelnen Waldstücken stand sein Bruder und sah nach Osten das Wiesenstück entlang. Dann entschloss er sich mit ihm aufzuschließen. Vorsichtig trabte er zu ihm und sah dann ebenfalls hinab ins Wasser, dass immer noch leichte Wellen produzierte, als würde etwas es in Schwingungen versetzen.
   »Was ist?«, fragte er Fei, da er nicht erkannte, warum der weiße Wolf scheinbar grundlos so steif hier stand.
   Mit einer Kopfbewegung wies Feinráca auf die Pfütze. Das Gesicht verziehend sah Lanádae hinein. Er schien nicht zu verstehen.
   »Irgendetwas liegt in der Luft«, erklärte Fei, ohne es wirklich zu erklären. Das verstand Lán erst recht nicht. Doch er kannte ja das Verhalten seines Bruders; wie er manchmal fast zu geheimnisvoll wirkte. Dabei geschah jedoch eine Handlung fast nie ohne Grund.
   Lanádae trat ein paar Schritte vor und folgte dem Blick seines Bruders, der zurück in den Wald ging, aus dem sie gekommen waren. »Glaubst du, sie folgen uns?«, fragte er.
   Feinráca schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Aber ich würde ihnen alles zutrauen. Ich bin mir nicht sicher.«
   Selten war dies, doch Lán akzeptierte. Sein Bruder war nun einmal schlauer als er, dass wusste er, auch wenn er es sich nicht gern eingestand. Also war es besser in solchen Dingen ihm zu glauben.
   Feinráca wandte den Blick wieder um und trabte in den nächsten Wald weiter – sein Bruder ihm leicht versetzt hinterher. Das schwarze Fell des Wolfrüden verschluckte das Licht um sich herum fast, auch wenn es von der Dämmerung aus noch reichlich vorhanden war. Vor allem mit den Bäumen verschmolz er dabei nahezu perfekt. Lanádae dagegen hob sich so gut von ihnen ab, wie ein Schneehase im Sommer. Strahlend weißes Fell, nur an Bauch und Beinen grau vom Schmutz. Hell strahlend blaue, leicht graue, Augen. Er sah aus wie eine Statue, wie er gekonnt durchs Unterholz eilte, um Baumstämme herum, über Äste herüber – und dabei fast vollkommen lautlos.
   Niemand nahm es ihnen ab, dass sie Brüder waren – Zwillinge. Denn wo Fei grazil und für einen Wolf fast zu unglaublich schlank war, da war Lán kräftig, stämmig gebaut – scheinbar sogar mit dichterem, längren Fell gesegnet, dass diesen Eindruck noch unterstrich.
   Láns Ohren zuckten, als er plötzlich etwas hörte.
   »Bist du dir sicher, dass sie uns nicht folgen?!«, rief er zu Feinráca vor.
   »Ich sagte doch, dass es sein kann, dass ich mich irre!«, entgegnete dieser. Lán zog die Lefzen zu einem Grinsen hoch. Aha…
   Mit jedem Tritt wurde er langsamer, bis er schließlich hielt. Er sprang auf einen Baumstamm, der sich zwischen zwei Bäumen eingekeilt hatte und sah in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Das Rascheln von bewegtem Laub und davon gestoßenen Zweigen drang an seine Ohre, die stramm in diese Richtung zeigten.
   »Lán!«, zischte Fei hinter ihm, als er bemerkte, dass sein Bruder gestoppt hatte. »Hör’ auf damit! Das bringt uns nur zusätzlichen Ärger ein!«
   Lán lachte. »Wieso? Bevor ich mir den Ärger einhandle, will ich wenigstens wissen, weswegen ich ihn bekomme. Es war ja nicht so, als hätten sie uns einen Grund für diese Hetzjagd genannt. Sie haben einfach damit angefangen!«
   Feinráca seufzte. Natürlich verstand er, warum Lán so aufgebracht war, doch er zog es vor, dies ohne Konfrontation geschehen zu lassen.
   »Sie sollen mir nur erklären, warum sie uns hinausgejagt haben! Das ist das Einzigste«, erklärte Lán knurrend. Er senkte den Kopf ein Stück, bis er mit dem Rückrad nahezu eine gerade Linie bildete und fixierte den Platz vor sich.
   In dem Moment tauchten mehrere Wölfe hinter den Bäumen auf. Sie stoppten in fünfzehn Metern Entfernung - schwiegen zunächst erklärungsschuldig.
   Dann trat ein groß gewachsener, graubrauner Rüde zwischen ihnen hervor und sah hinauf zu Lán auf dem Baumstamm. »Lanádae… Wer hat sich eigentlich diesen dummen Namen ausgedacht?!«
   Láns Rückenfell sträubte sich abrupt nach oben und er knurrte erbost.
   »Es bedeutet ‚dunkler Schatten’«, kam plötzlich Feis Stimme hinter dem Stamm hervor. »So hat ihn unsere Mutter genannt, als er gerade erst geboren war. Sie sah ihn an und dachte an den leisen, dunklen Nebel im Herbst, dem keiner entgehen kann. – Deswegen nannte sie Lán so, da sie glaubte, dass er eines Tages genauso stark sein würde, dass auch ihm keiner entgehen könnte.« Fei stand nun ein kleines Stück schräg vor dem linken Baum, an dem sich der Stamm verkeilt hatte.
   Der Graubraune sah abschätzig hinauf zu dem schwarzen Wolf auf dem Stamm, der unbeweglich, wie ein Toter, darauf stand.
   »Das sagt einer, dessen Name nicht anderes als ‚weißer Wolf’ bedeutet«, lachte der Anführer des Rudels, während er wieder zu Fei sah.
   »Es ist eine Ehre diesen Namen zu tragen«, fauchte Lán bedrohlich, sodass der Alpharüde wieder zu ihm hinauf blickte. »Sein Name benötigt keiner Erklärung – er spricht für sich selbst.« Seine Augen hatten sich zu einem dunklen Braun verfinstert und fixierten den Alpha, als wollte er ihn schon allein mit seinen Blicken zerfleischen. Immer mehr spannte er die Muskeln an, ging mit der Vorderhand immer weiter einen Zentimeter tiefer, als würde er sofort losspringen.
   »Lán! Hör’ auf damit!«, wies Feinráca seinen Bruder bestimmt zurecht. Er trat ein paar Schritte auf den graubraunen Alphawolf zu und sah ihn ruhig an. Doch auch seine Muskeln waren für jede Eventualität bereit.  
   »Sag uns, warum ihr uns vertrieben habt, Cia!«, forderte Fei den Rüden ruhig, aber entschieden auf. Doch dieser gab zunächst keine Antwort – grinste nur.
   »Weil ihr Dämonen seid! Ihr seid unheimlich, bringt nur Unheil!«, rief stattdessen ein anderer Wolf.
   Mit gekräuselter Stirn sah Fei Cia, den Alphawolf ihres zuvor verlorenen Rudels, überrascht und vor allem erzürnt an.
   »Das soll wohl ein Scherz sein!«, stieß Fei aus. So aus der Fassung, erlebte man ihn selten.
   »Nein, das soll es durchaus nicht sein, Fei«, entgegnete Cia düster grinsend. »Hast du es nicht gesehen? Die Sterne? Ein Weißer und ein Schwarzer würde kommen, und Unheil über uns bringen.«
   Lán schnaubte, als er das hörte. Das war ein Scherz! Anders ging es nicht. Sie waren das zweite Rudel gewesen, auf das die Brüder, nach ihrem Abschied aus dem elterlichen, getroffen waren. Schon das erste hatte sie nicht aufnehmen wollen, weil eine merkwürdige Abneigung gegen sie in der Luft gelegen hatte. Und jetzt sagte man ihnen, sie seien unheimlich?!
   Fei schüttelte fassungslos über so viel Dummheit den Kopf. »Lán. Lass uns gehen. Diese Beschränktheit hier bereitet mir Kopfschmerzen.«
   Erst wollte Lanádae nicht auf ihn hören, doch dann gab er sich geschlagen. In dem Moment vertraute er lieber auf das Urteilsvermögen seines Bruders, als wieder nur unnötig Ärger herauf zu beschwören, wie er es leider schon zu oft gekonnt hatte.
   Mit wütendem Blick sprang er vom Baumstamm herunter und trat neben den weißen Wolf. Sie bildeten ein solch krasses Gegenstück.
   Resigniert drehte sich Feinráca von dem Rudel, das sie bis hier hin verfolgt hatte, weg und lief los. Er wusste nicht, warum sie ihnen gefolgt waren, doch er war auch nicht wirklich erpicht darauf, es unter Einsatz aller Mittel zu erfahren.
   Nach einem schneidenden, stechend Blick drehte auch Lán sich um. Dieses Rudel widerte ihn nur noch abgrundtief an.
   Es ließ die beiden Brüder etwa zweihundert Meter in Ruhe laufen, dann setzte es plötzlich mit aberwitzigem Tempo hinter ihnen her.
   Das hatten sie also vor, murmelte Fei zu sich. Sie wollen uns zu Tode hetzen…
   Doch es gelang dem Rudel nicht. Nach zwei Kilometern schafften es die beiden sie zwischen den Spalten und Gängen einer Felsformation abzuhängen. Während Lán, den richtigen Weg suchend, die Felsen herauf voraus sprang, versuchte Fei so gut wie möglich falsche Fährten zu legen. Doch angesichts des hohen Tempos, hatte er kaum die Chance dazu. Lán war jedoch schon oben auf einer kleinen Felsplatte angelangt und hatte sich so flach wie möglich auf den Stein gelegt. Er hoffte, dass man sie dank Fei nicht mit ihrer Fährte hier finden würde, als dieser sich neben ihn legte, doch er sollte unerwartet Recht bekommen.
   Das enge Gelände zwischen den Felsen war zu ungünstig für den Verfolgertrupp, sodass sie es nach wenigen Metern in ihnen aufgaben. Schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Diese beiden Bastarde hatten erfahren, wo ihr Platz war – weit weg von ihnen. Und sie würden höchstwahrscheinlich nie zurückkehren.
   Leicht hob Lán den Kopf und sah, wie vor dem Felsen die Böschung hinab, das Rudel wieder abzog. Sie hatten sich inzwischen weit genug entfernt, dass sie die beiden nicht mehr sehen würden können. Trotzdem legte er die Schnauze wieder zurück auf seine Vorderpfoten. Er seufzte.
   »Denkst du, dass dies etwas bedeutet?«, fragte er mit schwerer Stimme und meinte dabei nicht diese Art ‚Prophezeiung’ oder Vorhersehung, von der Cia geredet hatte, sondern die gesamten Geschehnisse.
   Feinráca überlegte, bevor er etwas sagte. Auch er lag, auf den Felsen gepresst, reglos da.
   »Man wird nie einfach ‚Willkommen’ zu uns sagen, dass bedeutet es.«
   Ungewöhnlich ruhig und gefasst sah Lanádae hinüber zu seinem Bruder. Er nickte. Er würde nie verstehen, warum man so seltsam auf sie reagierte und sich so schlecht für sie erwärmen konnte, aber es sollte der Regelfall werden. Bald würde das Gerücht um sie beiden sich schnell verbreiten, bis man nur noch von dem ‚Schwarzen und Weißen Dämon’ reden würde, die irgendetwas Machtvolles in sich hatten. Doch nie würde jemand wissen oder erkennen, was es war.
   So zogen Fein und Lán allein durch die Flammberge.


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 09.Dezember.2007, 20:18:44
mh~
Ich mag beide Kurzgeschichten total gern. Bis auf ein, zwei Vertipper hier und da, ist dein Stil echt astrein ^^


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Dezember.2007, 20:34:06
ich haaaaa~ss ~eee~ diese vertipper...
die scheinen meine finger zu lieben und ständig an meinen fingern zu kleben bzw darin zu wohnen oO''' (da kann ich so oft, wie ich will auf die jagt nach denen gehen -.-)
aber danke^^ freut mich sehr! *nick*


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 09.Dezember.2007, 21:08:18
Also wenn du magst, kannst du mich gern als Betaleser anheuern, ich mach sowas gern und ich hab festgestellt, dass andere diese Fehler besser als man selbst finden.
...mh...ihc würd auch gern ma wieder ne story on stellen...aber ich glaube...die sind dafür eher nicht geeignet XD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 09.Dezember.2007, 21:40:31
das kannst du gern tun. ^^ bin ich immer sehr dankbar, wenn mir wer korektur liest. ich seh es häufig noch auf den ausdrucken, wenn was nicht stimmt. aber am monitor verstecken sich diese fiesen fehler echt immer! OO'' *annoyed*

wieso nicht?! ich würd gern was von dir lesen!


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 09.Dezember.2007, 22:09:27
find ich gut ^^
dann schick mir die sachen einfach, wenn du was fertig hast und ich seh's dann nochmal durch

weil ich großteils ffs schreib...und die seltsam sind...und meist slash, wenn auch ohne explizite szenen...und für die leute hier eher uninteressant...wenn du magst kann ich dir aber den link zu meinem ff.de-account geben, da sind ein paar sachen on (das meiste habn ich noch aufm pc, weils unausgegoren is ^^°)


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 10.Dezember.2007, 12:49:29
werd ich machen *nick* danke für das angebot!

ich hab auch schon eine extrem seltsame fanfic geschrieben XD bzw ist sie noch nicht ganz fertig. hab einfach mal (fast) alle meine lieblingschars (bzw ein paar davon) zusammen in eine talkshow gestopft X'D - das ding schreib ich eigentlich nur für mich selbst *kicha*
das kannst du allerdings mal machen^^


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 10.Dezember.2007, 15:24:27
http://www.fanfiktion.de/u/-En-
der link ^^

mir is grad eingefallen, dass ich doch was hab, was ich auhc hier on stellen kann...auch wenn das was total krankes is XDDD
ich musses nur noch mal gegenlesen XD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 10.Dezember.2007, 20:47:30
uh schön^^ viel zu lesen von ka-chan!
dann lies mal gegen! ich bin gespannt. *bis dahin dem link hinterher schleich*


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 10.Dezember.2007, 20:59:53
Joa, bin gespannt was du dazu sagst...ihc würde jetz spontan "The World in a Cage" empfehlen XD
An der Story häng ich echt X3

Hai wer dich...aber eher morgen oder so...mag jetz nimmerXD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 10.Dezember.2007, 21:36:48
*lauten applaus von irgendwo einspiel* (sry, ich allein bin zu leise ;))
toll!! ich liebe deinen stil^^ so will ich auch immer schreiben! *nick*

spontan erinnert mich 'world in a cage' an 'boys next door' von kaori yuki. auf jeden fall klingt es nach kaori yuki. irgendwie^^
ich finde es wirklich klasse!! ich werd die anderen auch noch lesen, aber erst mal die neue hier im forum *mehr haben will* XD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 10.Dezember.2007, 21:42:07
*lach*
Naja der Stil...is viel Arbeit...ihc bin um alles froh, was ich ohne meine Beta hinbekomm XD weil die oftmals sehr gute EInfälle hat wie Sachen besser klingen...

Das is mir noch nie aufgefallen...aber der Vergleich is garnich mal so übel *Kaori Yuki liebt*
Aber je weiter ich schreibe bei World in a Cage, desto mehr Eigenleben entwickeln meine Figuren...vor allem Hizumi, die Socke XD
Aber das wird ncoh spaßig (und vermutlich die einzige FF; die in so net Umgebung spielt und in der es trotzdem keine Lemonszenen geben wird XDDD)

das hier im Forum? Das war auch so ne Schnappsidee...XD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 10.Dezember.2007, 21:48:46
hm? die geschichte geht weiter? öcht?!

wai... arbeite weiter XD es ist wirklich ein genuss so was zu lesen! das ist kunst *nick* nicht so billiger nonsens, der sih schnell ohne groß nachdenken runterlesen lässt. deines liest sich auch super! aber hier ist es mehr genuss verbunden .) viel mehr!

vorallem war es meine schnapsidee XD ich will schon seit längerem was ähnliches schreiben! nur mit eine frau, paar jahre eher und mit anderem charakter! nun kann ich das nicht mehr, weil das wie nachmache wäre XD *ka-chan dafür bestraaaafen werd*sich paar sachen von zero ausleih und zuück*


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 10.Dezember.2007, 21:57:01
Ja. Geplant war World in a Cage auf 10 Kapitel maximal...jetzt schreibe ich am 8. und hab noch nichmal die Hälfte meiner Storyline verarbeitet XD
Das wird also noch Dauern...mein Baby brauch viel Arbeit...und weil ich diese Story so liebe steckt da auch echt n Haufen Arbeit dahinter. Ich hab mir noch nie so viele Gedanken um das Drumherum einer Geschichte gemacht oder darüber welche Charas welche Beziehungen untereinander haben und das alles...ich hab sogar ne ziemlich volle Charakterchart gemacht XD

Klar, kannst du das trotzdem schreiben. Es gibt so viele solcher Geschichten, da isses vollkommen egal, ob du meine nun kennst oder nicht ^^°


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 10.Dezember.2007, 22:44:02
bin grad bei der vorletzten, unstoppable. und was dachte ich im verlauf des geschie 'ka-chan killed the romantic' XD (gesungen aus video killed the radiostar)
aber zum glück hat sie die romantik wiede belebt XD
soooo süß die zwei^^ *kyo haben will* XD

nch viel schlimmer, wenn es schon so viele geschichten in der art gibt^^''' ich will was neues machen XD


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 11.Dezember.2007, 10:45:29
*lach* das würd ich nie tun, dazu bin ich viel zu kitschig XD
Ich bin am überlegen ob ich den beiden nich noch ne Fortsetzung schreib, aber das muss warten, bis ich das alles fertig hab wo ich grad noch dransitz ^^°

Naja, wenn sie gut is, is deine Geschichte trotzdem was neues. Jeder hat da ja andere Arten zu schreiben und die Dinge darzustellen.
ich würds jedenfalls gern lesen ^^


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 27.Dezember.2007, 17:21:02
vll hat wer das bild in meiner gallerie gesehen, über die jägerin, an die ich mich nach jahren wieder erinnere. ich habe sie auch wieder getroffen, noch eher, als die folgende geschie hier spielt. damals hat sie meinen lang verschollenen vater wieder gefunden.
und jetzt... na mal sehen, was aus uns wird




   »Es gibt diese Leute, die denken, dass ‚Kopfgeldjäger’ nur einfach so ein Job ist, wie jeder andere. Wenn du nichts gelernt hast, dann werde eben Kopfgeldjäger und du kommst schon an genügen Geld.«
   Sie schnaubte geräuschvoll.
   »Wie ich sie hasse… Sie sind es, die die guten Aufträge dir wegnehmen, weil sie denken, alles sei sowieso nur ein Spiel. Und dann übernehmen sie sich daran.«
   »Und für dich bleibt nichts mehr übrig?¬« Die Stimme war rauchig, wohlklingend.
   Sie lächelte bitter. »Das ist es nicht. Vielmehr macht mir meine Arbeit einfach keinen Spaß mehr. Die guten Kopfgeldjäger empfinden ihren Beruf als eine Art Passion und Berufung. Sie wissen was er wirklich bedeutet und leben ihn dementsprechend. – Ich weiß, was es wirklich bedeutet nach Abruf Elben zu töten, nur weil vielleicht jemand einen Groll gegen dein Opfer hegt. Doch du darfst darüber nicht nachdenken, musst es einfach ausführen. Denn in dem Moment, wo du beginnst deinen Kopf einzuschalten, ist es schon vorbei für dich.«
   Wenige, federnde Schritte brachten sie zu ihr. Das silberne Haar schwang im Mondlicht mit den Bewegungen mit, umspannte ihr Gesicht einem Rahmen gleich.
   »Warum erzählt Ihr mir das alles?«, fragte sie schließlich auf die Schwarzhaarige herabblickend, die den Mond betrachtend mit angewinkelten Beinen auf dem Dachfürst saß.
   Sie blickte auf. »Weil ich dich töten sollte. Du warst eines meiner Opfer, das meinem Auftraggeber überdrüssig geworden war, weil sie ihre Aufgabe das erste mal nicht erfüllt hatte.«
   »Das hat er Euch erzählt?«
   Die Elbe nickte. Die schwarzen Haare fielen dabei über die Schultern hinweg ins Gesicht und über den Oberkörper. Mit einer genervten Geste strich sie ein paar Strähnen zurück.
   »Er war vollkommen in Rage, hat sich aufgeregt, dass du doch bis heute immer dein Ziel gefunden hast, wie es sein kann, dass du auf einmal vor einer Aufgabe kapitulierst und so weiter. Eine halbe Stunde hat er nur über dich gesprochen, wie falsch du doch bist. Erst danach kam er, was meinen Auftrag angeht, auf den Punkt.«
   Die Frau, die schräg hinter ihr auf dem Dach stand, musste Lachen. »Was eine dumme Person«, sagte sie, verschränke dabei die Arme vor der Brust, »dabei hätte er wissen sollen, dass ich nicht seine Tochter finden kann, wenn sie bereits gestorben ist. Aber wie lange ich auch versuchte ihm zu erklären, dass sie tot sei, er schrie mich nur noch weiter an, dass ich meine Arbeit einfach nicht gründlich erledigt hätte.«
   Eine Pause entstand. Dann sprach sie weiter. »Deswegen sollte ich also sterben? Nur, weil sein Auftrag einen Flecken auf meiner sonst so reinen Bilanz erzeugt hat?«
   »Dank ihm habe ich nun ebenfalls einen solchen Flecken.«
   Die Elbe mit diesen ungewöhnlich hellen Haaren hob erneut eine Braue. »Ich habe doch nicht etwa Eure Bilanz ebenfalls befleckt?«
   Sie nickte. »Das hast du, mit voller Breitseite.«
   Ein entschuldigendes Grinsen erschien auf ihren Lippen. »Das tut mir Leid, glaubt mir. Ich weiß, wie schwer so etwas wiegt. – Nun dafür kann man aber jetzt sagen, dass wir quitt sind, nicht wahr?« Aufmunternd lächelte sie.
   Doch die Schwarzhaarige schüttelte mit dem Kopf und deutete mit einer leichten Bewegung auf die Stehende.
   »Immer noch trägst du zwei Wundmale, die ein fremdes Auge als ungewöhnliche Zeichnungen auf deiner Haut beschreiben würde. Ich weiß, dass sie, wenn es dir schlecht geht, immer noch brennen. Und ich weiß, dass du mich immer noch dafür hasst.«
   Die Elbe zog eines ihrer Beine an ihren Körper, ließ das andere fallen und legte das Kinn auf das angewinkelte Knie. Ein Seufzen entfuhr ihr. Es klang müde und abgespannt. »Ich kann verstehen, wenn du mir Ähnliches wolltest.«
   Wind war aufgekommen, der nun mit dem langen Haar beider spielte. Das silberne Haar der Stehenden glitzerte dabei regelrecht. Zusammen mit dem Mondlicht glühte es, als hätte es eine eigene innewohnende Energie. – Das schwarze Haar der Sitzenden dagegen wurde nahezu verschluckt. Nur die ab und zu auftretenden Reflexionen ließen es sichtbar werden.
   »Also erinnerst du dich doch«, sagte die Stehende in die Nacht heraus.
   Die Andere nicke. »Es beginnt, ja. Immer noch müsste ich dich nach deinem Namen fragen, aber erkenne ich diese Runen auf deiner Schulter und Rücken als meine Handschrift. Zwar liegt ihr Grund noch etwas verschleiert, aber ich erinnere mich deutlich eines Kampfes. – So wie es aussieht, waren wir nicht immer freundlich zueinander.« Etwas Bitternis hatte sich in ihre Stimme geschlichen.
   »Raitsh, manchmal habe ich Tagelang nach einem Weg gesucht, dir den Hals umzudrehen, weil du mich rasend machtest. Andern Tags aber trafen wir uns wieder und du hattest alles vergessen, sodass ich dir nicht einmal etwas vorwerfen konnte.«
   Die Angesprochene lachte leise. »Glaube mir, mein wechselvolles Gemüt nervt sogar mich selbst.«
   Es entstand wieder eine Pause, in der man den Wind wieder hören konnte. Leise flüsternd fuhr er durch die Bäume und bewegte dort die Blätter, als würde er ein Lied entstehend lassen wollen.
   »Sag, wieso hast du mir das vorhin erklärt?«
   Raitsh zucke mit den Schultern, als hätte sie schon wieder vergessen, was sie erzählt hatte. »Er stellte deinen Beruf hin, als sei er so einfach, wie der meinige. Er stopfte beide in einen Topf, wo sie nicht hingehörten. Wenn du nichts gelernt hast, dann werde Jägerin. Das hat mich wütend gemacht.«
   »Und du hast ihn getötet.«
   »Wenigstens kann er jetzt nicht weiter erzählen, ich hätte einen Auftrag nicht erfüllt, nur weil ich Skrupel hatte.«
   »Denn du kennst schließlich keine. Wenn du einen Auftrag annimmst, dann wird er auch auf jeden Fall erfüllt werden. Du fragst nicht nach deinen Opfern, fragst nicht nach dem Wieso und Warum und wirst deswegen so geschätzt. Dich kann man als Waffe verdingen, die sich nicht dumm stellen wird ob der Moral und Konsequenzen ihrer Taten. Nicht wahr?«
   Die Elbe lachte, etwas ironisch, etwas zynisch, etwas ehrlich amüsiert.
   »Wenn du das so siehst, werde ich dich nicht vom Gegenteil überzeugen.«
   Die Silberhaarige stieß etwas Luft aus. »Genau da lag schon immer der Unterschied. Du gehst ohne Nachzudenken über Leichen. Ich schalte mein Denken nur bei dem Durchführen eines Planes aus, wenn ich ihn einfach durchführe.«
   Breit grinsend drehte sich die Elbe um, sodass ihrer Gesprächspartnerin über den raschen Sinneswandel abrupt die Gesichtszüge entglitten. Wie ein Kleinkind deutete die Schwarzhaarige mit dem Finger auf sich selbst. »Dunkelelbe, weißt du.«
   »Ja aber nur zur Hälfte«, verbesserte die andere atemlos.
   »Das genügt schon, Graublut.«
   Mit verschränkten Armen sah die Silberhaarige hinab zu der immer noch grinsend Elbe. Ohne eine Regung blickte sie sie an, musterte und versuchte zu ergründen, was diese Frau umtrieb, was sie im Schilde führte.
   Schließlich hatte Raitsh die Lust verloren und wandte ihren Blick wieder in Richtung Mond. Das wenige Licht, das ihr Haar vom oberen Mond reflektierte, bildete eine dünne Linie um ihren Kopf.
   Die als Graublut titulierte Frau seufzte erneut. Sie wusste nicht, was sie mit derjenigen anfangen sollte, der sie die auf ewig währenden Brandwunden verdankte, die sie markierten wie die Beute eines Jägers. Wahrscheinlich war jedoch, dass sie es auch nicht wissen wollte.
   »Du wolltest meinen Namen wissen?«, fragte sie dann.
   Raitsh nickte. Von einen auf den anderen Moment hatte sich der Ausdruck in ihren Augen und auf ihrem gesamten Gesicht verändert. Sie sah ernst aus, ja düster und wissend. In ihrem Blick steckte etwas, dass ihre Opfer jedes Mal verflucht hatten. Kein Hass oder Boshaftigkeit. Nein. Ihr Blick war schlichtweg frei von Emotionen.
   Sie nickte. »Ich würde mich gern wieder an ihn erinnern.¬«
   Diesmal lächelte die Andere. »Vergiss ihn nicht wieder. Versprich mir das.«
   Die Elbe nickte. »Ai
   »Yehnnha Daleth.«
   Raitsh hob den Kopf ein paar Zoll, lächelte. »Yenn… Ich erinnere mich.«


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 24.Januar.2008, 18:25:01
ich musste für meine bewerbung unter anderem auch prosa-stoff abgeben. die wollten ungefähr 20 seiten haben und deswegen hab ich mich schließlich entschlossen, etwas neues zu schreiben. das andere von mir war mir alles zu kurz oder unfertig.
deswegen ist diese kleine story hier entstanden. ich hoffe sie gefällt euch. und ich hoffe auf kritik!! die brauche ich wirklich!






~   Snow   ~





a kind heart
but a lonely one
a lucky one
but a poor one
 
»Weißt du, Namy, Schneeflocken sehen aus wie Sterne.«
   Zwei große, schaufelartige Handschuhe senkten sich in die noch geschlossene, schimmernde Schneedecke hinab und hoben einen dicken Batzen Sterne aus.
   »Wenn nämlich eine Flocke auf meinen Händen landet, dann sieht das immer aus, als würde da ein Stern sitzen.«
   Ein Mauzen erklang.
   »Ich spinne gar nicht! Namy, das ist gemein! Sie sehen wirklich wie Sterne aus!«
   Provokant wurde eine Hand fallen gelassen und die andere, mit dem Rest der kleinen Schneepyramide, ausgestreckt. Unwillkürlich sträubte sich das Fell der Katze. Doch nur für einen winzigen Augenblick, da sie dachte, sie würde Opfer dieser Pyramide werden.
   Dann schnupperte sie daran. Doch wie sie es sich schon gedacht hatte roch er immer noch wie schon die Jahre davor. Etwas nach Wasser, ein wenig nach Eis und Frost.
   Sie mauzte wieder. – Sagte man Katzen nach, sie würden ‚miauen’, dann ‚miehte’ diese nur. Denn als wäre sie noch nicht alt genug das Wort richtig auszusprechen, stahl sie ihm die letzte Silbe.
   Frustriert wurde auch noch die zweite Hand fallen gelassen. »Namy, das ist wirklich gemein! Du hast nicht einmal richtig hingesehen!«
   Verwirrt legte die Katze den Kopf schief, mauzte. Als sich die viel zu großen Handschuhe an den kleinen Händen wieder in die – nun zerstörte – Schneedecke gruben, sprang das schlanke Tier schließlich von der Lehne der Parkbank hinunter.
   Neugierig umrundete sie ihre Freundin und dann die große Kugel, die zwei Meter weiter im Schnee lag. Was trieb die Kleine hier nur?
   Fragend hob sie den schwarzen Kopf, als die Kleine wieder zu der bereits liegenden Kugel zurückkehrte. In ihren Armen eine etwas kleinere Kugel aus Schnee. Mit einem erleichterten Seufzen hob sie sie auf die erste Kugel und rückte sie dort zurecht.
   »Na, was sagst du, Namy??¬«, fragte sie stolz und zog dabei das Y ins Unendliche.
   Die Katze sagte nichts. Konnte gar nichts sagen, weil sie nicht verstand, was die Kleine bezweckte. Schneebälle aufeinander türmen – was sollte das für einen Sinn haben?
   Da sich die Kleine sofort wieder umdrehte, um zu dem Loch im Schnee zurück zu rennen, blickte ihr auch die Katze hinterher. Hier am Rand des geräumten Weges konnte das schwarze Tier sich bequem bewegen, ohne dass der Schnee sich an ihrem Bauch verfing. Nun wenige Schritte weiter, dort, wo die Kleine das Loch vergrößerte, wäre sie bis zu den Schultern in den weißen Sternen verschwunden.
   Als die Kleine diesmal zurückkam, mauzte die Katze wieder, hob dabei den Kopf zu der Größeren und ließ so das kleine Glöckchen an ihrem Halsband erklingen.
   »Sei nicht so kritisch! Er wächst ja noch!«, verteidigte sie sich gegen den Protest der Katze. Der Ball aus Schnee in ihren Händen war diesmal nur noch halb so groß wie ihr eigener Kopf. Und trotzdem setzte sie ihn immer noch voller Stolz auf die oberste Kugel, sodass nun ein Turm aus drei unterschiedlich Großen dort stand.
   Die Katze mauzte.
   »Siehst du? Nun fehlt ihm nur noch sein Gesicht und die Arme, damit er die Krähen verscheuchen kann!«
   Im Kopf der Katze spielte sich Seltsames ab. Was für eine merkwürdige Kreatur wollte die Kleine nur erschaffen?
   Neuerlich drehte sie sich dem Schneeloch zu und rannte dahin. Diesmal blieb sie aber schon etwas eher stehen und streckte ihre Arme nach dem Busch daneben aus. Zielsicher bekamen die in ihrer Feinmotorik eingeschränkten Hände einen fingerdicken Ast zu fassen. Sofort versuchte sie ihn aus dem Busch heraus zuziehen. Mit aller Kraft stemmte sie die Füße in den Schnee und versuchte den Ast dem Busch zu stehlen. Doch so stark sie auch zog, er rührte sich kein bisschen. Vielmehr schien der ganze Busch sie noch ärgern zu wollen, wie die anderen Äste an ihrer Kleidung kratzten.
   Noch einmal setzte sie mit den Füßen nach und zog mit ihrem ganzen Gewicht an dem Ast.
   Sie war so erstaunt als sie fiel, dass ihr der Entsetzensschrei im Hals stecken blieb und sie mit erschrockenem Gesicht rücklings im Schnee landete. Dort blieb sie für einen Moment wie erstarrt liegen, sah zum dunklen Himmel und wunderte sich. Wieso hatte dieser böse Strauch plötzlich seine Rinde nicht mehr gebraucht, sodass sie abgerutscht war? Sicher war das ganz böse geplant gewesen!
   Die Kleine begriff erst wieder, dass sie noch im kalten Schnee lag, als die Katze mit einem Satz auf ihrer Brust landete und forschend ihre winzige Nase in das Gesicht der Kleinen steckte. Ein fragendes Mauzen war zu hören.
   »Keine Angst, Namy, mir ist nichts passiert. Der Ast wollte mich bloß ärgern!«
   »Oh mein Gott! Kleine Dame, ist dir etwas passiert?!«
   Große Hände fuhren unter ihre Achseln und hatten sie schneller auf die Füße erhoben, als sie etwas erwidern konnte. Mit raschen Bewegungen klopfte man ihr den Schnee von den Sachen und überprüfte gleichzeitig, ob sie irgendwo eine Schramme von dem Sturz davon getragen hatte.
   Dann hockte man sich vor sie, ergriff ihre Schultern und zwang sie so, sie anzusehen.
   Vor ihr saß eine junge Frau, ebenso warm angezogen, mit Schal und Fellmütze, wie sie selbst. Kleine, weiße Wölkchen stiegen vor ihrem Mund auf, wenn sie sprach, verschwanden aber ebenso schnell, wie sie erschienen waren. Vielleicht kannten sie einen geheimen Ort, wo sie sich trafen, um dort zusammen zu spielen?
   Die grünen Augen der Frau sahen sie aufmerksam und ernst an. ¬»Hast du dir wirklich nichts getan, kleine Dame?«
   Die Kleine lächelte breit und stolz. »Nein! Mir ist nichts passiert! Der Schnee ist ja weich! Und selbst wenn hätte Namy sicher Hilfe geholt!«
   »Namy?«
   Die Kleine nickte, sodass ihre schwarzen Haare über die Schultern hinweg fielen. »Ja! Sie ist meine Freundin, die immer auf mich aufpasst!«
   Etwas irritiert hob die Frau die Brauen ein Stück. »Und wo ist deine Freundin?«
   Einer der großen Handschuhe zeigte in Richtung der kleinen Katze, die vorsichtigen Blickes um die Beine der Parkbank strich, dabei das kleine Mädchen aber nicht aus den Augen ließ.
   »Die Katze ist deine Freundin?«, fragte die Frau daraufhin.
   »Ja! Wir kennen uns schon ewig!«
   So recht wollte sie nicht verstehen wie ein so kleines Mädchen, wohl kaum sechs Jahre alt, eine ebenso recht kleine, schwarze Katze ihre Freundin nennen konnte. Verwirrt schob sie es auf die in diesem Alter noch blühende Naivität und lächelte einfach.
   »Sag, hast du den Schneemann da drüben gebaut?«, fragte die Frau dann.
   Die Kleine nickte. »Ja! Aber er ist leider noch nicht fertig! Ich wollte ihm eigentlich seine Arme geben, aber der Busch wollte den Ast nicht loslassen!«
   Gerührt von so viel Begeisterung erhob sich die Frau lachend und schritt zu dem Busch, an dem die Kleine zuvor gestanden hatte.
   »Welchen Ast wolltest du denn dem Schneemann geben?«
Präzise deutete die Kleine auf den, an dem sie zuvor schon so angestrengt gezogen, aber nicht heraus bekommen hatte. Ohne weiteres zu sagen griff die Frau nun in den Busch, viel weiter hinten als die Kleine zuvor. Plötzlich erklang ein leises Krachen und der Ast lag schon in ihren Händen.
   Beeindruckt sah die Kleine auf das Holz hinab, aus dem sie nun endlich die Arme für den Schneemann machen konnte.
   »Ich hoffe, es wird ein ganz besonders schöner Schneemann! Viel Glück dabei!« Die Frau lächelte ihr aufmunternd zu. »Aber mach nicht zu lange! Es ist schon sehr spät und deine Eltern machen sich sicher Sorgen um dich, verstehst du?«
   Viel zu überwältigt von dem Geschenk nickte sie nur, hatte aber gar nicht recht zugehört, was die Frau gesagt hatte. In Gedanken war die Kleine schon längst wieder beim nächsten Schritt ihren Schneemann fertig zu stellen.
   So nahm sie auch nur flüchtig war, als sich die Dame wieder erhob, ihr zuwinkte und schließlich ihren eigenen Weg fortsetzte.
   Erst das Mauzen der Katze erweckte die Kleine aus ihrem Freudentaumel. Lachend rannte sie zu dem schwarzen Tier und streckte ihr den langen, dünnen Ast entgegen.
   »Guck, Namy, was mir die Dame geschenkt hat! Endlich kann der Schneemann seine Arme bekommen!«
   Die Katze mauzte, ließ das Glöckchen an ihrem Hals aber schweigen.
   »Das finde ich auch! Sie war wirklich nett. Und sehr hübsch.« Die Augen der Kleinen glänzten. »Ihre Haare waren wie die eines Engels.«


Freudig klopfte sie die dicken Handschuhe gegeneinander, um so den Schnee loszuwerden, der sich an ihnen festgehangen hatte.
   Vor ihr erhob sich der Schneemann in seiner ganzen Pracht. Er war genauso groß wie sie selbst, im Vergleich zu anderen also recht klein, aber dafür umso stolzer. Seine Arme, dünn aber stark, streckten sich stolz gen Himmel. Die aus kleinen Kieseln bestehenden Augen, die die Kleine unter der Schneedecke auf dem Weg ausgegraben hatte, glänzten vor Leben, lächelten sie an.
   Freudig nickte die Kleine. »Das ist schön, dass er dir gefällt! Ich musste lange nach ihm suchen!«
   Die schwarze Katze, die zu ihren Füßen im Schnee saß, mauzte leise.
   »Findest du auch, dass er schön ist, Namy? Wie toll, dass er euch beiden gefällt!« Freudig strahlte die Kleine erst die Katze, dann den Schneemann mit dem so hoch gelobten Hut an. Sie hatte den kleinen Eimer an einem Müllkorb stehen sehen. Der Henkel war verbeult und am Rand war ein ausgefranstes Loch, weswegen man ihn wohl weggeschmissen hatte. Aber als Hut für den Schneemann war er genau richtig.
   Glücklich lachte die Kleine über das Lob dieses einzigartigen Fundes.
   Das Glöckchen klingelte. »Sei nicht wieder so gemein, Namy«, sagte die Kleine tadelnd. »Herrn Schneemann gefallen die Knöpfe und das reicht doch! Nicht wahr, Herr Schneemann?«
   Die Kleine lachte herzlich. Sie war äußerst stolz auf ihr Werk. Und vor allem auf das Lob, das sie dafür bekam. Es sagte ihr, dass sie alles richtig gemacht hatte und dass es nicht nur sie selbst erfreute.
   Doch ihre Freundin wollte nicht aufhören zu mauzen. Die hohe, helle Stimme des schwarzen Tieres wollte einfach keine Ruhe geben. Nachdem die lebendigen Augen der Kleinen endlich zu ihr herunter blickten, verstummte die Katze schließlich.
   Sofort zupfte sie mit dem kleinen Maul an den Schnürsenkeln und versuchte das Mädchen mit sich zu ziehen.
   »Namy?! Was soll das auf einmal?«, fragte die Kleine augenblicklich. »Ich kann Herrn Schneemann gar nicht richtig zuhören!«
   Das Tier ließ jedoch nicht locker. Obwohl sie nicht die Kraft besitzen konnte, selbst eine so zierliche Person wie die Kleine zu ziehen, versuchte sie trotzdem sie dort wegzuzerren. Das Glöckchen zitterte dabei, wie um die Szene klangvoll zu untermalen, an ihrem Hals.
   »Namy, bitte!«, versuchte die Kleine es noch einmal.
   Als hätte es sich die Katze von einer auf die andere Sekunde anders überlegt ließ sie plötzlich das Band los und sah die Kleine an. Ihre intensiven Augen schienen das Mädchen fast durchbohren zu wollen. Schließlich, als jemand hätte glauben können, die Katze sei nur eine Statue, mauzte sie wieder.
   Die Kleine seufzte.
   »Na schön, Namy. Ich hoffe nur, dass es wirklich schön ist!« Mit entschuldigendem Ausdruck in den Augen drehte sie sich zu dem Schneemann. »Es tut mir Leid, Herr Schneemann, aber Namy will mir unbedingt etwas Schönes zeigen, dass ich bereuen würde, wenn ich es mir nicht ansehe. Habt bitte noch einen schönen Tag!«
   Sie drehte sich auf dem Absatz um und folgte der losrennenden Katze, die wie ein kleiner Blitz über den Schnee flog. Zum Abschied hob sie die Hand und winkte dem Schneemann zu. »Bitte seit nicht böse!«, rief sie atemlos im Rennen zurück. »Ich bin bald zurück!«
   Wahrscheinlich war ihre Stimme viel zu schwach, um noch vom Schneemann gehört zu werden, aber das war egal. Den letzten Blick, den sie auf ihn erhaschen konnte, machte sie froh. Glücklich und stark reckte er immer noch seine Arme gen Himmel und seine stolzen Augen funkelten mit den Sternen um die Wette.


Die kurzen Beine hatten Mühe mit den vier noch viel Kleineren mitzuhalten. Doch immerhin waren die schwarzen, bepfoteten Beine vier und nicht bloß zwei. Noch dazu fanden sie dank der Krallen viel mehr Halt auf dem glatten Weg, als die dicken Stiefel der Kleinen, die mit ihnen Mühe hatte nicht auszurutschen, da ihnen fast vollkommen ein Profil fehlten.
   Und sie konnte es sich einbilden oder nicht, es war fast so, als würde die kleine Katze über den Weg fliegen, ohne ihn wirklich zu berühren.
   »Namy, nicht so schnell! Ich komme kaum hinterher!«, rief sie gegen den Wind, der ihr das Laufen zusätzlich erschwerte, hinweg. Aber außer dem immer währenden Klingeln des zierlichen Glöckchens der Katze erhielt sie keine Antwort von dieser.
   »Namy!! Bitte nicht so schnell!«, schrie sie wieder, ohne etwas damit zu ändern.
   Durch den anstrengenden Lauf bekam sie nicht mit, wohin sie eigentlich rannten. Sie wusste auch nicht mehr, wie lang sie schon hinter der Katze herhetzte. Wahrscheinlich würde sie den Weg zurück zu dem Schneemann nur sehr schwer finden.
   Deutlich hörte die Kleine das Mauzen der Katze in ihren Ohren, noch ein Stück lauter als ihre eigene Stimme vorhin, die nicht hatte bis zu dem Tier vordringen wollen. Abrupt hielt sie an um zu lauschen.
   Vor ihr stand quer zum Weg die schwarze Katze mit dem goldenen Glöckchen an ihrem Halsband und sah sie von unten herauf ruhig an. Keine Regung war in ihren Augen zu erkennen.
   Die Augen der Kleinen weiteten sich. »Was ist denn los Namy?«, fragte sie schwer atmend. Egal wie lang sie gerannt war, es hatte ihre kaum vorhandenen Kräfte bis zuletzt aufgebraucht.
   Die Katze mauzte wieder, diesmal so leise, dass die Kleine ihre Ohren anstrengen musste um sie zu verstehen.
   Das angestrengte Hören hatte einen ganz anderen Effekt, als sie geglaubt hatte. Keine weiteren Worte der Katze vernahm sie, sondern feines Klingen von einem Ort, den sie noch nicht recht ausmachen konnte. Erstaunt und ein wenig verwirrt hob sie den Kopf, legte beide Hände wie zwei Schüsseln an die Ohren und versuchte so zu erkennen, von wo das sanfte Klingen kam.
   Es war nicht nur ein Klingen. Ein Säuseln, Vibrieren, ja leiser Gesang.
   »Wo kommt das her?«
   Mit einer flinken Drehung war die Katze wieder losgesprungen, kaum dass die Kleine mit ihr Schritt halten konnte. Mehr ihr Instinkt hatte sie sofort dem Tier folgen lassen, als ihr eigener Wille. Sie liefen diesmal nicht weit. Keine hundert Meter abseits vom Weg blieb die Katze hinter einem Busch stehen und setzte sich dort einfach in den Schnee, der dank der Pflanze an dieser Stelle sehr niedrig war.
   Sie mauzte.
   Als müsste sie sich vor jemanden verstecken, und dies möglichst leise, hockte sich die Kleine hinter die Katze, ergriff einen Ast des Busches, um ihr Gleichgewicht zu bewahren und horchte wieder.
   Die Klänge waren viel deutlicher, mehrstimmiger und schöner.
   Vollkommen erstaunt riss die Kleine die Augen auf. Nicht weit hinter dem Busch erhob sich eine schimmernde, leuchtende Kuppel im Park. Wie, als würden Engel in ihr singen, erfüllte feinste Musik die Luft um sie.
   Ohne recht darüber nachzudenken, kroch die Kleine näher, am Busch vorbei, ließ die erschrockene Katze hinter sich und setzte sich unter einen kleinen Obstbaum ganz dicht an die Kuppel.
   Endlich sah sie, was sich innerhalb befand.
   Hunderte Stühle mit wunderschön gekleideten Menschen. Frauen und Männer in kostbaren Kostümen lauschten anderen, die ihnen gegenüber mit glänzenden Instrumenten saßen. Die Kleine kannte kaum die Hälfte der verschiedenen Musikinstrumente.
   Um diese riesige Gruppe aus Musikern und Zuhörern standen Leuchter mit unzählbaren Kerzen. Begann die Kleine an einer Stelle die Lichter zu zählen, stockte sie keine Minute später, weil sie ein paar übersehen oder sich verzählt hatte.
   Zwischen den Kerzenleuchtern standen Pflanzenkübel, viel schöner, als alle hier draußen. Nicht nur Stauden, in voller Pracht stehende Blumen, sondern auch kleine Zitrusbäume und Palmen, die die Kleine noch nie zuvor gesehen hatte. Diese ganze Pracht war in ihrer Größe und Schönheit so unglaublich, dass ihr ganz schwindlig wurde. Die himmelsgleiche Musik tat ihr ihriges dazu.
   Sie fühlte sich, als säße sie in einem Traum, umringt von kleinen Engeln, die sie mit ihrer Musik in den Schlaf singen wollten. Zufrieden schloss sie die Augen, lächelte glücklich, als die Klänge sanfte Koloraturen webten, die ihr eine feine Gänsehaut auf Armen und Beinen schufen.
   Ganz eingenommen von der Musik lehnte sie sich gegen die gläserne Kuppel. Wabenartig überspannten die einzelnen, klaren Scheiben die große Halle.
   Das Glas war warm, fast wie das Fell der Katze. Vorsichtig strich die Kleine mit dem rechten Handschuh über das Glas, das keinerlei Unebenheiten erkennen ließ.
   »Die Menschen dort sind alle sehr glücklich«, antwortete sie lächelnd auf das Mauzen der Katze. »Sie sehen alle so glücklich aus. Sie sind wunderbar warm.« Ihre Augen strahlten auf. Die Katze antwortete mit einem Mauzen.
   »Lass uns noch ein wenig hier bleiben«, sagte die Kleine lächelnd. »Ich bin so froh, dass du mir das hier gezeigt hast!« Ganz bedächtig lehnte sie ihre Stirn gegen die Wabe. Noch ein Stück verengten sich ihre Augen vor Glück.
   »Sie sind so schön warm«, flüsterte sie schwach. »Warm…«
   Die Katze hob den Kopf, sah die Kleine forschend an. Immer noch selig lächelnd, als wenn sie mit sich und ihrer Welt vollkommen im Reinen wäre, hatte sie die Augen geschlossen. Vollkommen gleichmäßig bewegte sich ihr Brustkorb, hob und senkte sich in einem nie endenden Takt.
   Ein wenig den Hals reckend schnupperte die Katze an dem Handschuh, der ihr am Nächsten war, sah dann wieder die Kleine ruhig an. Binnen keiner Minute war sie im Hocken, den Kopf an der Glaswand gelehnt, eingeschlafen.


Es kitzelte, als wenn eine kleine Raupe über ihre Wange laufen würde. Instinktiv zuckte sie mit der Nase, drehte ihren Kopf ein kleines Stück zur Seite, doch das Krabbeln wollte nicht gehen. Diese Raupe musste ganz schön stur sein. Vielleicht war ihr aber auch nur kalt und sie fand ihr warmes Gesicht auf ihrem Weg als eine angenehme Raststätte.
   Nachdem das Kitzeln anhielt, hob sie die behandschuhte Rechte und ließ sie einmal über ihr Gesicht fahren, ohne dass sie dabei auf ein Hindernis traf. Das Kitzeln blieb weiterhin.
   Schließlich kniff sie die Augen zusammen und zog dann schweren Herzens die Lider hoch. Sofort musste sie sie wieder schließen, da helle Sonnenstrahlen unangenehm in die Pupillen stachen. Diesmal drehte sie den Kopf richtig, schob sich dabei gleichzeitig auf die Schienbeine und rieb sich verschlafen die Augen.
   Als sie dann die Augen erneut versuchte zu öffnen, hatte sie die helle Morgensonne im Rücken, die sie sanft zu wärmen versuchte, dafür aber viel zu schwach war, da ihre Strahlen zu flach auf den Park fielen, nicht wie im Sommer, wenn sie steil alles in eine flimmernde Atmosphäre tauchten.
   »Guten Morgen, Namy!«
   Die Katze, die kerzengerade vor ihr saß und sie still beobachtete, entlockte sich ein begrüßendes Mautzen.
   »Ja habe ich. Ich habe von Engeln geträumt«, erklärte die Kleine immer munterer werdend. »Sie haben mich zu einem Picknick eingeladen und dann haben wir alle zusammen Verstecken gespielt!«
   Wieder ein Mauzen.
   »Doch, doch. Vielen Dank noch mal, dass du mir das gezeigt hast, Namy!«
   Inzwischen war sie wieder vor auf den Weg gelaufen, klopfte sich den letzten Schnee von der Kleidung und strahlte dann die Katze an. »So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen! Ich freue mich immer noch.«
   Das goldene Glöckchen schellte, die Katze jedoch schwieg.
   Abrupt drehte sie den Kopf und starrte unbeweglich den Weg entlang. Blinzelnd sah die Kleine das Tier an. »Namy? Was ist los? Alles in Ordnung?«
   Die Katze gab keine Antwort, blieb unbeweglich stehen und sah weiter in dieselbe Richtung. Sie bewirkte, dass die Kleine ihrem Blick folgte, versuchte heraus zu finden, was die Schwarze entdeckt oder gehört hatte, was sie jetzt so einnahm.
   Stimmen waren zu hören, ein Lachen, lautes Rufen.
   Sie musste nicht lange warten. Mit dem nächsten Herzschlag erschien eine Gruppe dreier Jungen hinter der Wegkurve. Unbewusst spürte die Kleine sofort die Versteifung der Katze, die die Drei nicht aus den Augen lies.
   »Namy?«
   Die Jungen hatten kaum ihre Worte hören können, trotzdem blieben sie plötzlich stehen und musterten sie. Der Vorderste von ihnen begann zu grinsen.
   »Na, Kleine? Ist das da deine Katze?« In seiner Stimme lag etwas Schneidendes. Er und die anderen waren vielleicht fünf Jahre älter als sie, aber schon über einen Kopf größer und stärker. Dieser Fakten waren sich alle bewusst und spielten deutlich mit dem Gedanken.
   Unsicher machte die Kleine einen Schritt zurück. Die Katze blieb an Ort und Stelle.
   »Nein, sie gehört mir nicht. Namy und ich sind Freunde.¬«
   Einer der Jungen lachte laut. »Namy? Heißt sie so, ja?«
   Sie nickte knapp, ängstlich.
   »Aber wenn sie nicht deine Katze ist, wieso hast du ihr dann einen Namen gegeben? Sie hat ein Halsband, also gehört sie jemanden und der hat ihr sicher schon einen Namen gegeben. Einen anderen.«
   Diesmal lachten sie alle drei. Höhnisch, als müssten sie ihren verbalen Sieg feiern, weil sie stolz darauf waren.
   Neuerlich trat sie einen Schritt zurück. Was wollten diese viel zu freundlichen Jungen von ihr und Namy? Wenn sie sie nur aufziehen wollten, sollten sie sich doch jemand anderen suchen.
   Versucht ruhig sah sie zu der Katze hinab. »Namy, komm wir gehen.«
   Die Katze nickte nicht, sondern wandte den Kopf einfach in ihre Richtung und stakste davon. Den Schwanz dabei wie eine im Wind wehende Fahne erhoben.
   Als sie auf gleicher Höhe mit der Kleinen war, drehte auch diese sich um und folgte ihr still.
   In Gedanken betete sie, dass die Gruppe ihr nicht folgen würde, sie einfach in Ruhe ließe.
   »Hey, was soll das?«, rief einer der Jungen. »Wieso haust du einfach ab?! Wir haben mit dir gesprochen!«
   Unwillkürlich kniff sie die Augen zusammen. Lasst mich in Frieden!
   Das Knirschen schneller Schritte über frischen Schnee folgte ihr plötzlich. Sofort drehte sie den Kopf herum und sah, wie die Jungen auf sie zu rannten. Augenblicklich beschleunigte sie ihren Lauf, versuchte von ihnen wegzukommen.
   Sie zählte nicht ganz sechs Jahre – selbst wusste sie es nicht so genau, weil sie Zahlen noch nicht so recht verstand –, war bis heute nicht allzu großzügig gewachsen und hatte auch so nicht genügend Kraft um große Strecken schnell zu laufen.
   Die Luft, die sie stoßweise einsog, war kalt und tat in ihrer Lunge weh. Es fühlte sich ein wenig so an, als wenn ein paar Nadeln bei jedem Atemzug mit in ihren Mund rutschten und sich von dort ihren Weg in die Bronchien bahnten. Sie spürte genau, wo sie überall hinrutschten.
   Die schwarze Katze hatte viel weniger Probleme. Sie flog über den Schnee, als würden ihre kleinen Pfoten ihn gar nicht berühren. Überhaupt kannte sie keine Müdigkeit, Erschöpfung, Etwas, das sie von ihrem schnellen Lauf abhielt.
   »Namy!«
   Die flehenden  Worte verließen vor Erschöpfung kaum ihre Lippen.
   Vor Schreck war sie so starr, dass ihr die Beine versagten, einknickten und sie unsanft auf dem kratzigen, leicht gefrorenen Schnee aufkam. Von hinten kniff eine unsanfte Hand in ihre Schultern und hielt sie so fest, dass sie keine Chance auf Flucht sah. Trotzdem ruderte sie wild mit den Händen um sich freizukämpfen.
   »Du bist wirklich unfreundlich, Kleine!«, raunte man ihr grob ins Ohr. »Wir wollten doch nur mit dir reden! Und du rennst einfach weg!«
   Man riss sie an der Kapuze des Mantels ein Stück zurück. Zwar versuchte sie instinktiv mit den Füßen dem Druck entgegen zu wirken, aber es half nichts.
   »Da du uns nun gekränkt hast, musst du uns etwas als Entschuldigung geben!«
   Sie war selbst darüber überrascht, dass sie die Stimme wieder fand, fühlte es sich doch eher so an, als hätten Kälte und Schrecken sie in die hinterste Ecke ihres Geistes verdrängt. »Aber ich habe doch nichts!«, schrie sie halb in Zorn und Angst. »Lasst mich in Ruhe!«
   Sie lachten noch höhnischer auf als zuvor.
   »Bist also auch noch eine Lügnerin!« Raue Hände fuhren in ihre Manteltaschen - während jemand anderes sie auf die Füße zerrte - kramten da wie wild herum, fanden aber nichts außer leerem Papier und zwei Kiesel.
   Jemand schnaubte genervt auf. Dann wurde sie wieder zu Boden gestoßen.
   »Hat sie keine Tasche bei sich?«, rief einer der Drei.
   Ein Anderer: »Nichts zu finden. Absolut nichts!« Der Zorn in dessen Stimme war hörbar gewachsen.
   Von hinten fuhr etwas Schweres in ihren Rücken, ließ sie augenblicklich nach vorn überfallen, sodass die kleinen Eiskristalle im Schnee ihre Wange aufschürften. Sie zog die Hände mit den weichen Fäustlingen über den Kopf, konnte sich aber nicht gegen einen zweiten Tritt, diesmal in die Seite, schützen.
   Schwer atmend zog man sie an Kragen und Schal auf den Po. Gekrümmt, mit Übelkeit kämpfend, blinzelte sie zu den Jungen hinauf. Wie ein Rat, der sie verurteilen sollte, standen sie im Halbkreis um sie herum.
   »Du kleiner Dämon hast wirklich nichts!«, beschwerte sich der Größte von ihnen, als würde sie ihnen immer noch etwas schulden. »Aber du musst dich entschuldigen!«
   Aus Trotz reckte sie das Kinn und sah demonstrativ an ihm vorbei. Woher sie plötzlich diese Willenskraft nahm, obwohl sie sich kaum mehr bewegen konnte, wusste sie nicht.
   »Muss ich nicht!«, fauchte sie, wirklich einem kleinen Dämon gleich.
   Wieder lachte die Gruppe. So fies und heimtückisch, als warteten sie nur auf ihren nächsten Schlag, der noch viel grausamer und böser sein würde, als der letzte.
   Der größte Junge sprach wieder, viel zu süßlich, als es gesund gewesen wäre. »Dann nehmen wir eben die Katze mit! Da du behauptest, dass sie dir gehört, nehmen wir sie!«
   Ohne ein weiteres Wort der Erklärung stieß einer ihr einen Schuh in den Magen.
   So schnell, wie es passierte, fiel es ihr schwer dem mit den Augen zu folgen. Auch die Katze, die über blitzschnelle Reaktionen, scharfe Instinkte und eine ordentliche Kraft verfügte, konnte es nur mit ansehen, so schnell stand plötzlich einer der Drei vor ihr und streckte seine Hände gierig nach ihr aus.
   »Namy!!!«, schrie die Kleine panikerfüllt. Der Schnee hatte ihr die Wimpern verklebt und die Bande versperrte die Sicht auf die Katze. Wild blinzelnd schrie sie immer wieder den Namen des schwarzen Tieres.
   Das Klingeln des Glöckchens stoppte sie augenblicklich. Trotz der Schmerzen riss sie die Augen auf und sah die Katze verwirrt an. »Namy…«
   Die Katze mauzte.
   »Was zur Hölle ist hier los?«, schrie einer der Jungen außer sich. Wie eine wilde Horde machte die Gruppe kehrt und rannte auf die vor der Kleinen stehende Katze zu. Der Erste von ihnen streckte die Hände aus, machte einen Sprung wie ein Raubtier, dass seine Beute attackierte.
   Durch den Satz beschleunigt, schlug er hart auf dem Eisboden auf. Seine Hände fuhren durch den Rumpf der Katze wie jemand, der versuchte eine Nebelfigur zu erfassen.
   Mit einem sauren Fauchen sprang die Katze hoch, auf die Hüfte der Kleinen. Mit rundem Rücken stand sie wie ein böser Geist da, Haare und Schwanz steil erhoben, die Jungen mit den leuchtenden Augen fixiert.
   »Was zum-«, begann der Junge wieder, der sich vom Boden erhob. »Was zur Hölle bist du?!«
   Die Katze fauchte laut und erzürnt.
   Noch einmal versuchte jemand die Hand nach ihr auszustrecken. Keine fünf Zentimeter vor dem gesträubten Fell zog er sie plötzlich schmerzhaft aufschreiend zurück. Ein deutlicher Tetanus durchzog seinen rechten Arm bis zum Ellbogen hoch.
   Angewidert starrte er das Tier an. »Sie hat mir einen Schlag gegeben!«
   »Aber du hast sie doch gar nicht berührt!«, rief der Jüngste von ihnen.
   Er bekam keine Antwort. Verwirrt blickten er und sein Freund ihrem Kumpanen nach, der einfach auf dem Absatz kehrt gemacht hatte. Er rannte noch nicht ganz, lief aber so schnell, dass man deutlich sah, dass Furcht ihn durchschüttelte.
   »Warte, verdammt!«, schrieen sie im Chor.
   Es dauerte zwei Minuten bis der Park wieder so still da lag wie zuvor.
   Schnuppernd betastete die Katze das Gesicht der Kleinen mit der Nase. Sie mauzte ängstlich.
   Ein Lächelnd erschien. »Danke, Namy«, flüsterte sie schwach. »Du hast mich vor ihnen beschützt.«
   Muskelzuckungen durchfuhren ihren Körper. Vor allem ihr Brustkorb schmerzte. Tiefer Husten hatte eingesetzt, sodass sie zwischendurch kaum Luft bekam.
   Sorgenvoll legte die Katze den Kopf auf die Seite. Das Glöckchen schellte leise. Die Handschuhe der Kleinen waren mit kleinen roten Tropfen übersäht.
   Ein Mauzen erklang im Wind.
   Die Kleine schüttelte mit dem Kopf. »Es muss dir nicht Leid tun. Wirklich! Ich war einfach zu langsam für sie. Ich konnte weder dich, noch uns beide retten. Es tut mir Leid.«
   Vorsichtig stupste die Katze ihre Schulter an.
   »Mach dir keine Vorwürfe, Namy. Es wird schon. Wir-« Ihre Stimme versagte. Als hätte jemand bei einem Radio den Stecker gezogen brach der Klang der hellen Stimme einfach ab. Sie seufzte stattdessen leicht, erzeugte kleine Wölkchen in der kalten Luft.
   Der Griff an ihre Brust wollte das Stechen einfach nicht verjagen. Auch das leichte Drücken verhinderte nichts.
   Wieder hörte sie das Mauzen der Katze, diesmal leiser.
   Die Kleine lächelte freundlich. »Ich werd’ ein wenig schlafen«, flüsterte sie, als sie wieder etwas Kraft zum Sprechen gefunden hatte. »Bitte pass derweil auf mich auf, Namy.«
   Die Katze mauzte.
   Das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens wurde breiter, ihre Augen fast geschlossen. Sie nickte. »Danke.«
   Das letzte Mauzen, was sie hörte, war noch ein Stück leiser, als das davor. Es mischte sich in einer komischen Melodie mit dem Wind, der es aufnahm und mit sich trug. Zusammen schienen sie es viel mehr auszudehnen, als es üblich gewesen wäre. Sie machten Musik daraus. Ein Klingen, das sich mit dem Schellen des Glöckchens verband.


Es war warm, sehr schön warm. Der Wind, der um sie strich, war wie Seide, schwebend und leicht.
   Als sie die Augen öffnete, sah sie zuerst nur Farben. Wie ausgeschüttete Farbbecher wirbelten die bunten Flächen um sie herum und hüllten sie in ihrem Tanz ein. Der Wind bauschte sie zu immer neuen Kringeln auf, sodass sie nur erstaunt den Kopf heben konnte, um das Kunstwerk um sich zu bestaunen. Ihr fehlten vollkommen die Worte.
   Ein Mauzen ließ sie aufmerken und den Blick wieder senken.
   »Namy!«, rief sie glücklich und rannte auf die Stelle zu.
   Eine Katze schien dort zu stehen, mit einem goldenen Glöckchen am Halsband. Doch wie die bunten Nebelschwaden um sie herum war das Tier schemenhaft, nicht fest auszumachen. Vielmehr war es, als wenn sich ihre Konturen leicht ausgefranst mit der Umgebung verbanden.
   Wieder ein Mauzen.
   Eine Stimme von irgendwoher aus den Nebeln.
   …
   »Willkommen zu Hause, kleine Gabriella.«
 
Epilog

                  
- Kennst du ihn? Nein? Dir hat keiner von dem Schutzgeist erzählt?
   Viele hier erzählen sich von ihm. Er soll alle paar Jahre in Form einer kleinen Katze auftreten und die Schwachen beschützen. Keiner weiß dabei, warum er diese Personen begleitet. Besser gesagt, wie er gerade die findet. Denn sie haben alle etwas gemeinsam.
   Es ist komisch. Das erste Mal, erzählt man sich, soll der Geist bei einer alten Dame vor der Tür gestanden haben. In Form einer kleinen, schwarzen Katze, die kaum erwachsen zu sein scheint. Sie trug ein Halsband mit einem Glöckchen daran.
   Erst glaubte die alte Dame, die Katze sei jemandem weggelaufen. Doch sie tauchte immer wieder vor ihrer Tür auf, bis sie sie schließlich bei sich aufnahm, ihr Futter und Wasser und Streicheleinheiten gab.
   Ein paar Wochen lebte diese Katze zufrieden bei der alten Dame, dann starb die Frau plötzlich.
   Die Katze verschwand spurlos und keiner sah sie wieder.
   Jahre später erzählte man sich von einem Herrn, der hart arbeitete und dank seiner wenigen Freizeit keine Freunde hatte. Eines Abends stand eine kleine schwarze Katze mit einem Glöckchen am Halsband vor seiner Tür.
   Keine zwei Monate lebte die Katze bei dem Mann, der trotz seines Schicksals nicht unglücklich war. Dann fiel er plötzlich nach einem Autounfall ins Koma und starb eine Woche später.
   Eine ähnliche Katze besuchte eine Zwillingsmutter, deren Kinder schon lang außer Haus waren. Keiner schien sich mehr an die Frau zu erinnern. Sie lebte allein, war trotzdem aber glücklich. Dann kam die Katze.
   Ahnst du es?
   Ja. Sie wurde krank und erlag schließlich ihrer Lungenentzündung.
   Da waren Kinder, Jugendliche, viele alte Menschen, die der schwarzen Katze begegneten. Bei allen blieb sie ein paar Monate, bis diese Menschen mehr oder weniger überraschend plötzlich starben.
   Man sagt sich, dass diese Menschen alle ausnahmslos glücklich gewesen sind. Komisch, oder?
   Keiner von ihnen hatte ein einfaches, leichtes Leben geführt, bis sie die Katze trafen. Alle waren sie auf ihre ganz eigene Weise glücklich gewesen. Und weißt du was? Man sagt sich, sie sind alle auch besonders glücklich eingeschlafen. Alle bereuten sie nichts, was sie in ihrem Leben getan hatten und wie sie sich entschieden hatten. Es war für diese Personen ein besonders friedlicher Tod.
   Der Grund dafür war diese Katze, der Schutzgeist.
   Für die letzten Monate ihres Lebens begleitete sie der Geist, half ihnen, beschützte sie, ließ sie vor allem aber nicht allein. Keiner von diesen Menschen starb einsam. Keiner von ihnen starb vor seiner Zeit. Der Schutzgeist ließ sie erst dann gehen, wenn sie auch bereit dafür waren.
   Wenn also eine kleine schwarze Katze, fast zu dünn zum Überleben, mit einem Glöckchen an ihrem Halsband, eines Tages vor deiner Tür steht, dann habe keine Angst! Begrüße sie freundlich, nimm sie in deinem Heim auf und gib ihr etwas Futter, es wird nicht viel sein. Doch am Wichtigsten ist: Habe keine Angst! Es besteht kein Grund dazu. Denn dieser kleine Geist wird dich mit seinem vollen Schutz umfangen und dafür sorgen, dass dir kein Leid widerfährt.
   Es wird für dich warm und weich sein.
   Ich schwöre es! -




a kind heart
but a lonely one
a lucky one
but a poor one.


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 24.Januar.2008, 19:06:56
wow...das ist wirklich wunderschön...
Ich hatte beim Epilog echt Tränen in den Augen (aber ich bin auhc nah am Wasser gebaut ^^°9
Das einzige, was mir aufgefallen ist...diese "als wenn..."-Sätze würde vielleicht besser klingen, wenn du sie stattdessen im Konjungtiv schreiben würdest^^


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: raitsh van faith am 24.Januar.2008, 19:23:23
das aber neeett, danke!!
huch... du hast recht o.o ist mir noch nie aufgefallen, aber die dinger benutze ich wirklich sehr oft^^''' *vergleichfanatiker* werd versuchen das in nächster zeit mal bissi zu reduzieren.
vielen dank für den hinweis!!


Titel: Kurzgeschichten und ander Gräueltaten
Beitrag von: Karasu am 24.Januar.2008, 19:37:55
Immer gern ^^ ich kenn das ja, einem selbst fallen solchen Sachen meistens nich auch *lach*
Aber ich find das wirklich toll ^^