TheDragonworld Drachenburg Board

Atelier der Bewohner => Geschichten und mehr => Thema gestartet von: Greldon am 06.August.2007, 20:37:46



Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 06.August.2007, 20:37:46
Pünktlich zur DDC ist mein zweites Buch "Blazestorm" in einer exklusiven Sonderauflage (in ganz streng limitierter Auflage, nahezu schon weider vergriffen) erschienen.


Sozusagen als "Teaser" möchte ich die "Kurzversion" von Blazestorm hier posten.
Das englischsprachige (noch kürzere) Original von mir hat vor ein paar Jahren im Drachental eine Goldmedaille gewonnen.
Ich wünsche Euch viel Vergnügen beim Lesen.

Liebe Grüße
Greldon

PS:
Ich mußte leider feststellen, dass viele Formartierungen des Woddokumentes, die den Text leichter lesbar machen würden (z.B. Kursivdruck von indirekten Reden und Gedanken), beim Posten weggefallen sind. Sorry.


Titel: BLAZESTORM
Beitrag von: Greldon am 06.August.2007, 20:40:03
Es war ein sonniger Tag im Mai zu einer Zeit, als das alte Europa noch von Rom beherrscht wurde. Nicht aber von den römischen Cäsaren, wie es noch vor Jahrhunderten der Fall war, sondern es war der Vatikan, der alle Fäden in der Hand hielt. Zumindest sah so die Wirklichkeit aus. Während dieser dunklen Zeit der Inquisition war die katholische Kirche die herrschende Macht und viele Leute mussten grausame Tode sterben, der Hexerei bezichtigt oder der Ketzerei schuldig gesprochen.

Zwei Schatten glitten über dichte Wälder und tiefe, blaue Seen, irgendwo in den nordwestlichen Ausläufern des Schweizer Mont Blanc - Massivs. Trotz der kalten Morgenluft waren schon überall die ersten Anzeichen des nahenden Sommers zu erkennen.
Der eine Schatten war ein wenig größer als der andere. Der kleinere wurde von einer wunderschönen Drachin geworfen. Sie hatte Schuppen dunkler als die dunkelste Nacht und ihre Augen glänzten wie flüssiges Gold.  Ihr Name war Starbolt.
Ihr Gefährte stand in der Blüte seines Lebens: Sein prächtiger Körper war von tiefgrünen Schuppen ummantelt, dunkelgelbe Schuppen liefen Blazestorms Kehle hinab, bedeckten seine Brust, seinen Bauch und auch die Innenseite seiner Gliedmaßen.

„Ich bin müde, mein Lieber“, erklärte sie, als sie ein wenig zurückfiel.
„Ich brauche ein wenig Ruhe und vor allem etwas, um meinen Bauch zu füllen. Wie Du weißt, ich brauche nun auch Nahrung für die da drin.“
Ihr Gefährte flog unter ihren Bauch und leckte zärtlich über die leichte Wölbung.
„Ich weiß, mein Liebes. Da vorne ist eine Lichtung. Lass uns dort rasten.“

Nachdem sie sich auf der einsamen Lichtung für die kommende Nacht eingerichtet hatten, zog Blazestorm aus. In diesen Tagen verbrachte er viel Zeit damit für sie beide zu jagen, denn sie war viel zu schwer mit Eiern beladen, um für sich selbst auf Jagd gehen zu können.  
Ein Reh, ein Hirsch oder vielleicht eine Wildsau - irgendetwas musste es in diesem Wald geben, um ihren Hunger zu stillen.
Schon bald war ihm das Glück hold und er konnte zwei stattliche Hirsche schlagen. Den einen verschlang er an Ort und Stelle, der andere sollte seine Gefährtin und seine ungeborenen Kinder stärken.

Es mochte seit seinem Aufbruch zur Jagd eine Stunde vergangen sein, als seine empfindlichen Ohren ein grauenvolles Geräusch auffingen, den Schrei eines verwundeten Drachens.
Voller Furcht und voller dunkler Vorahnungen flog er so schnell ihn seine Schwingen trugen zurück zur Lichtung.

Er fand einen Menschen in glänzender Rüstung vor, der mit gezücktem Schwert über Starbolt stand, die Klinge feucht rot glänzend von ihrem Blut. Der Ritter hatte sie im Schlaf gemeuchelt: Mit seiner Lanze hatte er ihr ein Auge durchbohrt und als sie sich in ihrer Qual aufbäumte, boten ihre weichen Bauchschuppen keinerlei Schutz gegen sein Schwert.
Blazestorms Blick fiel auf die drei zerstörten Eier, die aus dem Unterleib der Drachenmutter herausgeschnitten waren. Niemals zuvor in seinem langen Leben war der Drache so zornig gewesen. Das „Warum“ interessierte ihn nicht, er wollte Blut. Der Ritter sollte für den feigen Mord büßen und für den schmerzlichen Verlust mit seinem Leben bezahlen - alle Menschen sollten dafür bezahlen.
Blazestorm brüllte laut seine Herausforderung hinaus, doch zu seiner größten Verwunderung zeigte dieser Ritter nicht die geringsten Anzeichen von Angst.
Sein peitschender Schwanz zerschmetterte ein Bein des Menschen und streckte ihn auf diese Weise nieder. Er pinnte ihn mit einer Klaue auf den Boden fest.
„Du!!!“ donnerte der Drache und kleine Funken stoben aus seinen Nüstern.
„Du wirst mir dafür bezahlen. Das schwöre ich!“
„Dann sehen wir uns in der Hölle wieder, Satan! Komm schon, töte mich. Ich habe mein ganzes Leben danach getrachtet, Euch geschupptes Ungeziefer vom Antlitz dieser Welt zu tilgen. Töte mich, wenn Du kannst, es wird das Letzte sein, was Du tust!“
Die Stimme des Ritters war voller Hass.
„Dich töten? Oh, glaube mir, der Tod wird für Dich mehr Erlösung denn Strafe sein. Du wirst noch meine Krallen mit Deiner Zunge von Deinem eigenen Blut und Gedärm säubern und mich auf Knien um Deinen Tod anflehen, das versichere ich Dir!“

Mit einer lässigen Bewegung seiner Pranke schlug er den Ritter bewusstlos und pellte den Menschen aus seiner schimmernden Rüstung, so wie man den Panzer eines Hummers knackt und löst, um an dessen Fleisch zu kommen. Gewand und Unterwäsche des Mannes wurden kurzerhand mit scharfen Drachenkrallen zerrissen.
In der Ausrüstung des Ritters fand der Drache einige Seile, band damit die Hände und Beine des Menschen zusammen und hängte ihn schließlich an seinen Handgelenken an einem starken Ast eines Baumes auf.

In tiefer Trauer hob Blazestorm Starbolts leblosen Körper auf und flog mit ihr davon. Er wollte sie im Gebirge bestatten, in ihrer Höhle, die sie so lange miteinander geteilt hatten.  Blazestorm versiegelte den Eingang zu ihrer letzten Ruhestätte mit einem großen Felsen und einem Zauberspruch, damit nichts und niemand mehr den ewigen Schlaf seiner Gefährtin stören würde.
Danach kehrte er zu seinem Gefangenen zurück. Ja, dieser Mensch sollte dafür bezahlen, was er Starbolt und auch ihm, Blazestorm, angetan hatte.

Geduldig wartete der Drache, bis der aufgehängte Ritter sein Bewusstsein wiedererlangte.
Mit einer klauenbewehrten Hand streichelte er nahezu zärtlich das bleiche Gesicht des Mannes.

„W… was hast Du vor?“
In der Stimme des Ritters lag nun blankes Entsetzen, ohne seine schimmernde Rüstung war aller Stolz und alle Stärke von ihm gewichen.
„Du hast meine geliebte Gefährtin erschlagen! Du hast mich meiner ungeborenen Kinder beraubt! Du hast einen Teil meiner selbst zerstört! Und dafür wirst Du mir mit Deinem Blut büßen, Tropfen um Tropfen!“
Mit von Trauer gebrochener Stimme fügte der Drache leiser hinzu: „Ich werde niemals mehr ihre Anmut schauen können. Niemals wieder werde ich zu ihr sprechen können. Ich werde niemals mehr ihre Gesellschaft verspüren. Für diesen Verlust wirst Du mit Deinem wertlosen Körper bezahlen.“
Geradezu behutsam zog Blazestorm mit seiner scharfen Kralle die Gesichtskonturen des Ritters nach, eine feine rote Linie hinterlassend...

Erneut hallten die Schmerzensschreie des Ritters durch den Wald, als sein linkes Auge vollends herausgerissen wurde. Der Drache labte sich an den Qualen seines Opfers.
„Keine Angst, mein Freund, ich werde Dir Dein anderes Auge lassen. Schließlich möchte ich, dass Du zusiehst, wie Dein eigenes Herz aufhört zu schlagen. Aber ich versichere Dir, bis Du endlich Erleichterung im Tode findest, wird einiges an Zeit vergehen“, zischte der Drache.  

Abgesehen von einigen Fällen der Selbstverteidigung hatte Blazestorm niemals zuvor in seinem langen Leben einen Menschen getötet; im Gegenteil, etliche Menschen zählten zu seinen Freunden, sogar Kinder waren darunter.
Aber der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Gefährtin trieb ihn beinahe in den Wahnsinn, in einen wahren Blutrausch.
Mit Klauen, Zähnen und seinem Feuer zerstörte er nicht lebenswichtige Organe und Gliedmaßen des Menschen. Tagelang wurde der zähe Körper des Ritters unvorstellbaren Qualen unterzogen, bis ihn Blazestorm schließlich mit einem verzehrenden Feuerstrahl restlos vernichtete.

Bald wich der Zorn des Drachen Kummer und Trauer. Er verfiel in tiefste Depressionen. Er hatte das Kostbarste in seinem Leben verloren, seine Gefährtin und seinen Nachwuchs. Dafür tötete er den Drachentöter. Aber obwohl die Schmerzensschreie seines Opfers wie Musik in seinen Ohren klangen und er voller Genuss dem Flehen um Gnade mit weiterem Foltern begegnete, es hatte ihm seine Liebsten nicht zurückgebracht.
Nach der Hinrichtung des Ritters wollte er alle Dörfer, die er nur erreichen konnte, dem Erdboden gleichmachen - alle Menschen sollten für die Untat dieses einen Mannes bezahlen.
Aber jetzt war er nicht mehr fähig, dieses Vorhaben umzusetzen.
Er wollte alleine sein und seinem nun leeren Leben ein Ende setzen.
Er schwang sich in die Lüfte.
Der Drache entschied sich, zu der Höhle zurückzukehren, in die er Starbolts Leichnam gebracht hatte. Er wollte sich zu seiner Gefährtin legen und auf seinen eigenen Tod warten, auf dass er wieder mit ihr vereint würde.

Auf einmal war er von tiefster Dunkelheit umgeben, eine samtige Schwärze umfing ihn. Doch noch bevor es ihm so richtig bewusst wurde, klärte sich seine Sicht auch schon wieder. Er war hoch in den Wolken, irgendwo über den Bergen, als er einen unangenehmen Geruch wahrnahm, anders als alle ihm bisher bekannten Gerüche. Auch die Sonne war seltsam blass und fahl. Dann sah er es: Knapp zweihundert Meter unter ihm stieg ein anderer Drache auf, offenkundig mit der Absicht, Blazestorm anzugreifen. Wie konnte er es wagen? Blazestorm sah zu, wie sich der Fremde näherte. Er würde ihm eine Lektion erteilen, schließlich war er der Herr der Berge und er würde, solange er lebte, keinen anderen Drachen in seinem Revier dulden. Dieser Fremdling war mit Sicherheit ein übermütiger Jüngling, der seine eigenen Grenzen noch nicht kannte.
Blazestorm brüllte seine Herausforderung hinaus und stürzte sich auf den Eindringling...

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 06.August.2007, 20:41:26
***

Die Maschine beschrieb unmittelbar nach dem Abheben eine lang gezogene Rechtskurve. Die Anschnallzeichen waren noch nicht erloschen, dennoch herrschte bereits eine rege Aktivität in dem engen Raum zwischen dem Cockpit und dem Passagierraum. Die Servicewägen wurden gefüllt, Zeitungen und Zeitschriften aus den entsprechenden Stauräumen genommen, der Duft von Kaffee breitete sich in dem Flugzeug aus.
Eine Stewardess hatte mit einem Tablett das Cockpit betreten, während ihre Kollegin sich mit der Bordsprechanlage an die Fluggäste wandte.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie im Namen unseres Kapitäns Jean-Luc Pascal und unserer Fluggesellschaft ganz herzlich an Bord des Fluges SW 6-3-6 von Genf nach Washington DC. Die geschätzte Flugzeit beträgt derzeit acht Stunden, die Flugbedingungen sind gut. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt bei uns an Bord. Sobald wir unsere Reisehöhe erreicht haben, werden wir einen Imbiss servieren, das Bord-Entertainment-System ist jetzt bereits aktiv. Sollten Sie irgendwelche Wünsche oder Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, sich an meine Kolleginnen und mich zu wenden.“
„Und, gefällt Dir der Flug bisher, Kuschelmaus?“ fragte der junge Mann in der dritten Reihe der Businessclass die junge Frau neben sich. Sie waren frisch verheiratet und auf dem Weg in ihre Flitterwochen.
„Ich weiß nicht so recht“, erwiderte sie nervös.
„Ich kann mich einfach nicht entspannen. Ich fühle mich einfach der Technik und dem Mann da vorne so hilflos ausgeliefert.“
Ihr Mann nahm ihre Hände und streichelte sie sanft, gab ihr Trost und Geborgenheit.

Über zweihundert Passagiere waren an Bord der nagelneuen Boeing 767. Geschäftsleute, Touristen... Amerikaner, Europäer, alles bunt gemischt.
Die erste Klasse war für die übrigen Passagiere gesperrt, da einige hochrangige Politiker mit an Bord waren. Ein Baby schrie, ein Manager arbeitete mit seinem Notebook und die Stewardessen begannen mit dem Bordservice.

„Papi, Papi, schau! Da ist ein Drache vor dem Fenster!“

Der überraschte Ausruf des kleinen Kindes irgendwo im Flugzeugheck drang vor bis in die Businessclass.
Der junge Mann lächelte seine Frau an: „Und ich habe schon geglaubt, die heutigen Kids stehen nur noch auf Gameboy oder surfen im Internet. Schön, dass sich einige doch noch ihre eigne Phantasie bewahrt haben. Hoffentlich wird unserer auch so.“
Liebevoll strich er seiner Frau über ihren leicht gewölbten Bauch.
Da bemerkte er ihre vor Schreck weit aufgerissenen Augen und wie ein Schatten vor dem Fenster plötzlich die Sonne regelrecht verschluckte....


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 06.August.2007, 20:41:54
„MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY Calling all Stations. Hotel Echo Charlie Delta Hotel Swissair 6-3-6, calling all stations, Swissair 6-3-6 in great difficulty, declaring an emergency...“
Damit brach der Kontakt zu dem Flugzeug ab.
Die entsetzten Fluglotsen im Tower des Genfer Flughafens sahen hilflos ein zweites Radarecho als roten Punkt neben dem des Flugzeugs aufblitzen. Einen Moment später verschmolzen die beiden Punkte auf dem Radarschirm und erloschen.


Die Passagiere im Heck hörten gerade noch das grausige Geräusch berstenden Metalls und Kunststoffs, als das hintere Drittel der Boeing regelrecht abgerissen wurde und nur noch wenige von ihnen hatten genug Zeit, die sichelartige Krallen durch die Flugzeugwand dringen zu sehen, bevor sie durch den gewaltigen Luftsog der Dekomprimierung der Kabine ins Freie gezogen wurden.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 06.August.2007, 20:43:22
Besessen von dem Wunsch, diesen fremden Jungdrachen für das Eindringen in sein Revier mit dem Tod zu bestrafen, war Blazestorm kaum noch in der Lage, seine Umgebung bewusst wahrzunehmen. Er konzentrierte sich darauf, den Eindringling noch in der Luft abzufangen und ihn ohne Umstände in Stücke zu reißen.
Sein Blick trübte sich und er hatte das Gefühl, die Kontrolle über seinen eigenen Flug zu verlieren und abzustürzen. Aber noch immer schlugen seine Flügel im gewohnt gleichmäßigen Rhythmus.
Er konnte nichts mehr erkennen, lediglich die Gegenwart des Drachens spüren, als er über dem Rivalen in Stellung ging. Mit einem markerschütternden Brüllen stürzte er sich auf ihn und packte ihn mit seinen Vordertatzen. Blazestorm zog ihn zu sich heran und ergriff den Hinterleib des Eindringlings mit seinen hinteren Tatzen, um ihn einfach auseinanderzureißen. Doch anstatt eines berstenden Schuppenpanzers und warmen Fleisches fühlte er kühles Metall zwischen seinen Pranken....
Allmählich klärte sich sein Blick.
„Was ist das?!“
Sein überraschter Ausruf ging in ein zorniges Grollen über und er riss diese bizarre Karikatur eines Drachens mit seinen Klauen in Stücke.
„Was für eine Art Drache bist Du? Gehüllt in eine Rüstung, genau wie sie diese elenden drachentötenden Ritter tragen? Bist Du einer von ihnen? Bist Du ein Reittier eines solch verdammten Menschen?“
Aber er erhielt von diesem „Drachen“ keine Antwort und Blazestorm beobachtete, wie der geschlagene Gegner gegen eine Bergwand prallte und mit gewaltigem Donner in Flammen aufging.

Was mag das alles nur zu bedeuten haben? Wo bin ich? Was geschieht mit mir?
Blazestorm verlagerte sein Gewicht und ließ sich tiefer sinken, er hatte einen geeigneten Landeplatz in einem von zwei hohen Gebirgszügen begrenzten Tal entdeckt.
Er schaute sich um und musste feststellen, dass dies nicht die vertrauten Berge waren, die er als letzte Ruhestädte seiner geliebten Gefährtin gewählte hatte.
Wo bei den Göttern bin ich?
Langsam wurde ihm bewusst, dass er jegliche Orientierung verloren hatte. Auch flackerte nun ein wahrer Heißhunger in ihm auf und er gelangte zu der Erkenntnis, dass er, wollte er wirklich zu  Starbolts Grabeshöhle zurückkehren, um dort an ihrer Seite auf seinen eigenen Tod zu warten, dazu seine gesamten Kraftreserven mobilisieren müsste. Er brauchte Nahrung, jetzt.

Er erkundete die Gegend und fand schließlich ein großes aus Stein und Holz errichtetes Gebäude. Gleich daneben auf einer Wiese befand sich eine große Rinderherde. Hoch erfreut wählte er sich eine große Kuh aus und flog mit ihr in seinen Fängen davon. Nachdem er seinen Magen gefüllt hatte, würde er seine Lage gründlich überdenken. Er konnte keine Bäume finden, in deren Schutz er seine Beute verzehren konnte, es gab nur große Weideflächen, durchschnitten von eigenartigen grauen Steifen. Schließlich landete er in der Nähe eines solchen Streifens grauer, harter Erde und begann gierig, große Fleischstücke aus seiner Beute zu reißen und diese zu verschlingen.

Sein Hunger war noch nicht ganz gestillt, als eine Bewegung in der Ferne seine Aufmerksamkeit erregte. Ein eigenartiges Brummen war zu hören, etwas glitzerte metallisch auf diesem Streifen dunklen Untergrundes. Blazestorm fühlte sich vage an jene Gefährte erinnert, in denen Menschen saßen und die von Rindern oder Pferden gezogen wurden. Aber da waren keine Pferde, die dieses... Ding bewegten, dennoch bewegte es sich schnell. Und es kam direkt auf ihn zu.

***
[Fortsetzung folgt]


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 07.August.2007, 17:13:59
***

Der altmodische Wecker schellte pünktlich um halb fünf morgens. Antonello Varini quälte sich gähnend aus seinem warmen, weichen Bett heraus.
„Und wieder ein Tag“, seufzend ging er ins Bad, um sich zu rasieren und zu duschen. Erst nachdem er seine Tiere, ein paar Milchkühe, mehrere Pferde und eine Ziege, versorgt hatte, würde er frühstücken.

Antonello war Landwirt und seit dem Tod seiner Frau Monika vor sechs Jahren bewirtschaftete er seinen Hof alleine.
Sein einziges Kind, eine Tochter, lebte mit einem amerikanischen Geschäftsmann verheiratet in Chicago.
Antonello hatte nie daran gedacht, wieder zu heiraten. Er lebte zurückgezogen mit seinen Tieren in den Schweizer Alpen und mied andere Menschen so gut es ging. Nur einmal im Monat nahm er seinen alten Pritschenwagen und fuhr in ein Dorf unweit von Genf, um seine Erzeugnisse auf dem Markt zu verkaufen und Dinge des täglichen Bedarfs einzukaufen.
Obwohl er wie ein Einsiedler lebte, hieß das nicht, dass er altmodisch war. Seine Ställe waren mit modernster Technologie ausgestattet und er besaß ein neues Notebook mit Internetzugang. Auch wenn er im wirklichen Leben mit der menschlichen Gesellschaft nichts am Hut hatte, so chattete er doch für sein Leben gerne. Für ihn interessante Foren und Chaträume gab es viele...
Seine Hauptleidenschaft waren jedoch Drachen, jene wunderschönen, feuerspeienden Echsen aus der Mythologie. Tatsächlich legte er sich den Internetzugang hauptsächlich deswegen zu. Er konnte mit Drachenfreunden rund um den Globus in Kontakt treten und sich jede Menge an Informationen über Drachen aus dem Netz laden, obwohl er bereits jedes über dieses Thema erhältliche Buch besaß.

Antonello fütterte seine Tiere und erledigte die anfallenden Stallarbeiten, Extrastreicheleinheiten für seine Ziege mit inbegriffen. Es wurde schließlich acht Uhr morgens, als er sich für seine Fahrt ins Dorf fertig machte. Er zog sein bestes Gewand an, sein Lieferwagen war beladen, die Einkaufsliste war geschrieben und alles war wie immer, wenn er ins Tal fuhr.
Nach dem harten und  langen Winter war der Schnee Ende Mai endgültig weggeschmolzen und die Straßen würden trocken und frei sein.

Unterwegs fielen Antonello dutzende Polizeiautos und eine starke Präsenz von Militärfahrzeugen auf.
Vielleicht ein Manöver, dachte er und schüttelte den Kopf. Das war so typisch für die Schweiz: So ein kleiner Staat und so viel Armee. Aber eigentlich konnte es ihm egal sein und er dachte nicht mehr darüber nach.
Schließlich erreichte er den Marktplatz.

Es war kein sehr erfolgreicher Tag für ihn: Er verkaufte mit Mühe und Not die Hälfte seiner Waren, die Leute schienen heute jeden Rappen besonders oft umzudrehen. Abgesehen davon waren viel weniger Leute als sonst unterwegs. Dafür hatte Antonello noch nie so viele Polizisten und Soldaten in diesem Ort gesehen. Auch benahmen sich die Leute alle ein wenig seltsam. Natürlich lebten in einem solchen Dorf viele alte Leute, die manchmal ein wenig wunderlich waren, abergläubisch vor allem. Aber diesmal hatte er die phantastischsten Geschichten gehört, zum Beispiel über einen gigantischen Adler, der hoch über den Bergen gekreist haben sollte. Andere Leute hatten eine fliegende Untertasse aus einer fernen Galaxie gesichtet. Es gab jedoch auch gemäßigtere Stimmen, die über einen Terroranschlag von Al Quaida spekulierten. Schließlich hatte die Schweiz trotz ihrer Neutralität Hilfstruppen in die Kriegsregionen von Afghanistan geschickt, um dort den Menschen humanitäre Hilfe zu leisten. Wahrlich, keine einzige Nation der westlichen Welt konnte vor dem internationalen Terrorismus sicher sein.

Antonello war froh, wieder mit seinem Transporter auf dem Heimweg zu sein.
Heute Abend würde er sich bei einer guten Flasche Wein und seiner Lieblingsmusik einen gemütlichen Leseabend machen, denn er hatte in dem lokalen Buchladen völlig überraschend das Buch Die Rückkehr der Drachen entdeckt. Laut Aussage des Verkäufers war diese Drachenkurzgeschichtensammlung in der Fantasyszene ein absoluter Geheimtipp.
Seine Stimmung, die sich nur aufgrund der Aussicht auf den schönen Abend gebessert hatte, sank wieder auf den Nullpunkt, als er die Nachrichten in seinem Autoradio hörte: Die üblichen Meldungen über Kriege und Korruptionen, über Naturkatastrophen und dass ein Bauer namens Wesseli einen Preis für seine Kuh Elsa gewonnen hatte, da sie das größte Euter hatte...
Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch geweckt, als der Nachrichtensprecher die neuesten Einzelheiten über eine große Tragödie ankündigte, die sich erst ein paar Stunden zuvor ereignet hätte.
„Schweiz - Vereinigte Staaten von Amerika. Bei dem Flugzeugabsturz in den Schweizer Alpen hat sich die Zahl der Toten auf  212 Menschen erhöht. Nach bisherigen Erkenntnissen kollidierte um die Mittagszeit eine Boeing 767 der SwissAir auf ihrem Weg von Genf nach Washington D.C. mit einem bisher nicht identifizierten Flugobjekt. Ein terroristischer Akt kann hierbei nicht ausgeschlossen werden, da sich an Bord der Maschine der US-Verteidigungsminister und andere hochrangige Politiker befanden…“
 
Kopfschüttelnd schaltete Antonello das Radio aus. Was für ein Tag! Aber das würde die Präsenz von so viel Polizei und Militär erklären... und das dumme Gerede überall. Das war wohl auch der Grund, warum so viele Leute ihr Haus nicht verlassen hatten, um zum Markt zu gehen - sie hatten Angst vor weiteren Anschlägen.
Er gab Gas, soweit das bei dem alten Lastwagen noch möglich war und dann sah er es...

Ein riesenhafter Schemen kauerte neben der Straße vor ihm und der zerfetzte Kadaver einer Kuh blockierte die rechte Fahrbahn.
Antonello brachte geistesgegenwärtig sein Fahrzeug zum Stehen und Ekel überfiel ihn bei diesem Anblick. Und dann starrte er direkt in das riesengroße Auge eines Adlers... Nein, es war ein Reptilienauge, das Auge eines Dinosauriers... oder...

Oh, mein Gott! Das gibt’s doch gar nicht!
Antonello bekreuzigte sich.
„Herr, das ist unmöglich. Ein Drache!“
So sehr überwältigt von dem Gedanken, einen leibhaftigen Drachen vor sich zu haben, war er sich nicht einmal der Gefahr bewusst, in der er sich befand. Dieses Wesen war in der Lage, ihn mitsamt seinem Wagen augenblicklich zwischen seinen Zähnen zu zermalmen. Aber Antonellos Gehirn hatte aufgehört zu arbeiten: Wie in Trance öffnete er langsam die Tür seines Autos, stieg aus und ging mit unsicheren Schritten geradewegs auf das riesige Geschöpf zu...

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 07.August.2007, 17:15:38
***

Blazestorm beobachtete, wie ein Mensch aus dieser pferdelosen Kutsche kletterte und er erhob sich schließlich, als er diesen Mann auf sich zukommen sah. Er stand einem weiteren Angehörigen des Menschengeschlechts gegenüber, das ihm mit dem Mord an seiner Gefährtin so viel Leid zugefügt hatte. Und Blazestorm hatte jetzt die Möglichkeit und auch die Absicht, ihn zu vernichten.
Der Drache ließ sein donnerndes Brüllen ertönen, entblößte dabei sein grausames, todbringendes Gebiss. Er wollte sich an der Furcht des Menschen ausgiebig ergötzen, bevor er ihn vom Erdboden vertilgen würde. Er überlegte sich gerade eine möglichst qualvolle Hinrichtungsmethode, als ihn der Mensch vor ihm mit einem völlig unerwarteten Verhalten überraschte.
Der Mann fiel auf seine Knie, schaute auf zu dem riesigen Geschöpf, das im Begriff war, sein Leben zu beenden, und rief aus: „Dem Herrn sei Dank! Ein Drache! Endlich! Endlich ein Drache...“

Dies brachte Blazestorm so sehr aus dem Konzept, dass er seinem drängenden Verlangen, ihn mit einem gut gezielten Prankenhieb niederzustrecken, vorerst widerstand. Er wollte zunächst herausfinden, was dieser Mann im Schilde führte. Der Mensch hatte offenbar vor Angst seinen Verstand verloren oder er war einfach ein armseliger Narr, jedenfalls schien er sehr, sehr aufgeregt. Der Drache verstand nur wenig vom dem, was der Mensch faselte.
„Ich hab’s gewusst! Mein ganzes Leben lang! Ich habe immer gewusst, dass Drachen wirklich existieren! Ich.... Was soll ich sagen... Mein ganzes Leben habe ich mir gewünscht, einen Drachen zu treffen, und jetzt...! Oh, Gott, ich danke Dir!  Lord Drache...!“
Die Worte sprudelten aus seinem Mund und noch bevor Blazestorm überhaupt wusste, wie ihm geschah, brachte der Mensch seine totale Unterwerfung gegenüber dem Drachen zum Ausdruck: „Lord Drache, bitte, lasst mich Euer untertänigster Diener sein. Ich möchte Euch mein Leben weihe...“
Um den Redefluss zu stoppen, schlang der Drache seinen Schwanz um die Knöchel des Mannes und riss ihn damit zu Boden. Blazestorm nagelte den Menschen mit seiner rechten Vorderpranke fest, stellte sich über ihn, seine Schnauze zwei Zentimeter vom Gesicht des Mannes entfernt.
„Sei still!“ brüllte er und tatsächlich, der Mensch verstummte.
„Ich habe keinen Bedarf für einen Diener. Doch ich weiß Deinen Mut, zu mir zu sprechen, zu schätzen. Darf ich Deinen Namen erfahren, bevor ich Dein Leben beende?“
Eine scharfe Kralle drückte gegen seinen Kehlkopf.
„A-Antonello. Antonello Varini.“
„In Ordnung, Du sollst nun auch meinen Namen erfahren: Euch Menschen bin ich als Blazestorm bekannt“, erwiderte der Drache und entblößte in einem angedeuteten Lächeln seine schaurigen Zähne, bevor er fortfuhr.
„Und nun, Antonello Varini, sprich Dein letztes Gebet.“
„Warum willst Du mich töten? Ich glaube, ich habe Dir nichts getan. Wirklich, ich habe Drachen immer geliebt und...“
„Genug!“ unterbrach  ihn der Drache mit zornigem Knurren.
„Du bist ein Mensch. Das allein ist Grund genug Dich zu vernichten. Und nun...“.

Antonello wurde klar, dass dieses Geschöpf tatsächlich im Begriff war, ihn zu töten.
Er schloss die Augen, sich seinem Schicksal fügend. Blazestorm holte tief Luft, bald würde der Körper des Menschen nur noch ein Haufen Asche sein.
Aber der brennende Schmerz blieb aus. Der hilflose Mensch musste weiterhin unter der Drachenklaue verharren.
„Ich will Dein Leben doch noch eine Weile verschonen. Du sollst mir erzählen, wo ich hier bin. Was ist mit meinen Bergen und meinen Wäldern geschehen? Warum sind hier keine anderen Drachen?“
„ Ich...ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Lord Drach...“
„ Falsche Antwort, Zweibeiner“, sagte der Drache und seine Klaue schnitt tief in Antonellos Schulter.
„Ihr seid der einzige Drache, den ich je in meinem Leben gesehen habe und niemand hat seit vielen Jahrhunderten einen Drachen gesehen. Ihr befindet Euch in den Ausläufern des Mont Blanc - Gebirges nahe des Genfer Sees, Schweiz, Europa, Planet Erde. Wir haben Mai 2007“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor.
Blazestorm zog seine Klaue zurück und erlaubte ihm aufzustehen, sichtlich verwirrt von dem, was er gerade gehört hatte.
Er knurrte ärgerlich, sein stachelbewehrter Schwanz schlug nach links und nach rechts.
„Ich verstehe nicht, was Du mir erzählst. Wahrscheinlich spielt es auch keine Rolle. Ich sollte Dich hier und jetzt töten!“

Gewehrschüsse und Stimmengewirr retteten das Leben des Menschen und ließen den Drachen herumfahren.
„Was ist das?“
„Das sind... - oh, verdammt!“, rief Antonello aus.
„Das Bundesheer! Sie werden Dich töten! Lauf Blazestorm, lauf!“
Der Drache bewegte sich nicht, er konnte seinen Ohren nicht trauen. Da stand nun ein Mann vor ihm, der sich offensichtlich mehr um ein Entkommen des Drachen sorgte als um seine eigene Rettung vor eben diesem Drachen.
„Ich könnte Euch helfen, wenn Ihr mein Leben verschont, Lord Drache.“
Blazestorm kniff die Augen zusammen und fixierte den Menschen.
„Warum solltest Du mich retten wollen?“
„Weil...Weil Ihr ein Drache seid.“
„Was schwätzt Du da für Unfug? Wahrlich, ich sollte Dich jetzt besser töten!“
„Nein! Bitte, vertraut mir, Lord Drache, lasst mich Euch helfen...“
„Du bist ein Mensch. Einem Menschen kann man nicht vertrauen!“
„Wir haben nicht die Zeit, darüber jetzt zu streiten!“ schrie Antonello und als die ersten Soldaten eintrafen, drängte er: „Folge meinem Auto. Fliege los und folge mir zu diesem Berg, ich lebe dort!“
Er deutete zuerst auf seinen Lieferwagen, dann auf einen der Berggipfel.

Just in diesem Augenblick durchschlugen mehrere Kugeln die Windschutzscheibe von Antonellos Fahrzeug.
„He, Sie! Ja, Sie dort drüben! Sofort stehen bleiben! Das ist ein Befehl! Was ist das für ein Ding dort drüben?“ rief einer der Soldaten Antonello zu.
Mehrere Maschinengewehre und Automatikpistolen waren auf Mensch und Drachen gerichtet.
Der Soldat, der gerufen hatte - offensichtlich der Kommandant -,  ging einen Schritt vorwärts. „Nicht bewegen, bleiben Sie, wo Sie sind, und nehmen Sie die Hände hoch! Langsam, ganz langsam!“ befahl er.
„Flieg, Drache, flieg!“ schrie Antonello in Richtung des Drachen und sprang wieselflink auf sein Auto zu. Doch beim Öffnen der Wagentür traf eine Kugel seine Schulter und ließ Antonello vor Schmerz aufschreien. Zitternd presste er seine Hand auf die hässliche Schusswunde.

Blazestorm war verwirrt. Was waren das für seltsame Gegenstände, die diese Zweibeiner in ihren Händen hielten? Eigentlich spielte das aber keine große Rolle für ihn: Es handelte sich um Menschen, eine offensichtlich besondere Art von Rittern, gleichwohl mit der Absicht ihn zu töten, und obwohl sie ihm zahlenmäßig überlegen waren, er war um einiges stärker als sie. Ohne Vorwarnung äscherte sie der Drache mit einem verheerenden Flammenstoß ein. Im selben Augenblick setzte Antonello seinen Lieferwagen in Bewegung.

Blazestorm sah dem Fahrzeug nach, immer noch erstaunt über das Handeln dieses Menschen, und weil ihm keine bessere Alternative einfiel, schwang er sich in die Lüfte und folgte Antonello zu seinem abgelegenen Hof.   

***
[Fortsetzung folgt]


Titel: waow ... ^,.'.,^
Beitrag von: Ariguseli am 07.August.2007, 20:32:00
:-? waow ... die ist klasse  :D ...

...ich geb' ehrlich zu, das mir am Anfang deiner hier veröffentlichten Geschichte regelrecht der Atem stockte ...
...gefällt mir ... ^,.’.,^
*geduldig niederlegen und auf eine Fortsetzung warten*


...öhm ... gibst es für das Buch/Geschichte mal eine weitere, zweite Auflage? ... für den Handel oder in irgend einer anderen Form? ...




(mit der Formatierung ... wenn muss man sich leider die Mühe machen den Text nochmal neu zuformatieren ... ich hab mich dran gewöhnt ^,.'.,^ )


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Tuuli am 07.August.2007, 23:18:57
Ich find das voll genial! Deine Geschichte hat mich richtig gefesselt!! muahaha ich will meeeeeeehr ^^...

gruss Deviona


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 08.August.2007, 19:05:40
Vielen Dank Euch für die positive Reaktion auf das, was Ihr bisher gelesen habt.

@Ariguseli

An einer solchen Auflage bin ich gerade dran. Da erfolgt der Feinschliff und dann gebe ich das Manuskript an ein Literaturstudio, die es kritisch unter die Lupe nehmen und mir sagen, ob ich damit "professionell" werden kann.
Schau'n wir mal, ob ich dann einen interessierten Verlag finde. Ich würde jedenfalls schon gerne.
Was ich allerdings nicht machen will ist, das Buch über einen dieser Book On Demand Verlage herauszubringen...

Jedenfalls, von der DDC.Sonderauflage ist noch eine ganz kleiner Restbestand übrig:

Spiralbindung, ca 220 Seiten, mit DDC-Bonus: "Rahmengeschichte" und Artgallery.
Die Illustrationen sind u.a. von Skant und Tylon.

zu den 8 EUR würden dann noch 3 EUR für Porto & Verpackung kommen.


So, nun aber genug der Eigenwerbung ;-)
Weiter geht's mit der Story.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 08.August.2007, 19:08:38
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Nahezu gleichzeitig erreichten Drache und Mensch Antonellos Hof. Trotz seiner schweren Verwundung und Erschöpfung machte sich Antonello sofort daran, einen sicheren Unterschlupf für den Drachen zu finden, eine geräumige Höhle, in der er sich zurückziehen konnte. Zu Antonellos grenzenlosen Überraschung bestand der Drache jedoch darauf, sich zunächst um die Verletzung des Menschen zu kümmern.

„Deine Wunde ist tief“, knurrte Blazestorm, als er sich Antonellos Wunde näher besah, „und sie ist von völlig anderer Beschaffenheit als die Verletzungen, die ich bisher bei verwundeten Kreaturen gesehen habe.“
Schließlich entdeckte er die Kugel, die immer noch tief im Fleisch steckte, und ohne jede Vorwarnung zog er sie mit seinen rasiermesserscharfen Klauen heraus. Antonello brüllte erneut vor Schmerz auf, der Ohnmacht nahe, aber nun war es ausgestanden. Mit einem gezielten, feinen Feuerstrahl aus seinen Nüstern desinfizierte und versiegelte Blazestorm die blutende Wunde.

„Ich danke Euch, Lord Drache.“
Antonellos Stimme war heiser, der rasende Schmerz ließ nur allmählich nach.
„Und jetzt müssen wir einen geeigneten Platz für Euch finden. Ich versichere Euch, sie werden Euch niemals aufspüren. Ihr werdet hier in Sicherheit sein.“
Da es bereits dunkelte, zeigte Antonello auf das große Gebäude, das an das Wohnhaus angrenzte.
„Dieser Stall ist unbenutzt. Und er müsste groß genug für Euch zu sein.“
„Warum nimmst Du das alles auf Dich, Antonello?“
Die Stimme des Drachen war überraschend sanft und leise.
„Naja, ich kann doch nicht so ein prächtiges Geschöpf wie Euch dem Militär ausliefern, Lord Drache. Man würde Euch in ein Labor stecken und dort grausame Experimente mit Euch durchführen, Euch zu Tode quälen“, erwiderte Antonello ein wenig verlegen.
Der Drache dachte einen Augenblick nach über Antonellos Worte, die von Herzen zu kommen schienen, und sprach dann: „Es tut gut zu wissen, dass es doch ein paar wenigen Menschen nicht nach unserem Tode gelüstet. Dir scheint meine Spezies wirklich am Herzen zu liegen, nicht wahr?“
„Oh ja, Lord Drache. In der Tat, mehr als alles andere. Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, einmal einem leibhaftigen Drachen zu begegnen. Ich habe immer gehofft, dass Drachen existieren, aber mein Verstand bezweifelte Eure Existenz. Ich bin so glücklich, dass Ihr jetzt vor mir steht und mit mir sprecht, Lord Drache. Dafür bin ich gerne bereit zu sterben, jedoch bitte ich Euch um die Gnade eines raschen Todes, ehrenwerter Lord Drache.“

Augenscheinlich wurde Antonello wieder von seinen Gefühlen überwältigt und Blazestorm war peinlich berührt, als sich der Mann erneut vor ihm auf die Knie warf. Er zitterte am ganzen Leib.
„Bitte, Antonello. Dieser Anblick ist erbärmlich und er widert mich an. Steh augenblicklich wieder auf und schau mir in die Augen... Ich trachte nicht länger nach Deinem Leben. Und hör vor allem auf, mich Lord Drache zu nennen.“

Blazestorm senkte seinen Kopf, und schnaubte den Menschen an, ihm dabei tief in die Augen blickend.
Antonello schaute zu dem Drachen auf, schniefte und wischte eine Träne fort. In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung sprang er auf und schlang seine Arme um den Hals des Drachen.
Vorsichtig wand sich Blazestorm aus seiner Umarmung und trat einen Schritt zurück, leise grollend: „Lass das sein, das ist kein gebührliches Verhalten gegenüber einen Drachen. Im Übrigen brauche ich auch keinen Diener und ich lege auch nicht im Geringsten Wert darauf, einen Zweibeiner um mich herum zu haben.“
„Wie auch immer“, fuhr Blazestorm fort, den verzagten Blick Antonellos genau registrierend, „mit Deinem Handeln hast Du Dich selbst von Deinen eigenen Leuten entfremdet, ein hoher Preis für Deine Drachenliebe. Man wird sehen... Jetzt allerdings sollten wir uns besser zur Ruhe begeben.“
Damit schlüpfte der Drache ohne ein weiteres Wort in die Scheune, Antonello keines Blickes mehr würdigend.

Antonello seufzte leise und begab sich in seinem Haus ebenfalls zur Ruhe.
Es war für ihn ein anstrengender Tag gewesen und so viel war passiert. Schon bald fiel er in einen Schlaf und träumte: Als tapferer Ritter in glänzender Rüstung focht Antonello eine furchtbare Schlacht. Er musste seine große Liebe, einen edlen Drachen, aus den Klauen einer widerlichen und bösartigen Jungfrau retten...

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 08.August.2007, 19:09:51
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Am nächsten Morgen wurde Antonello von einem Geräusch geweckt, das von einem Hubschrauberrotor zu stammen schien. Er stand auf und dann fiel es ihm wieder ein... der eigenartige Traum, der Drache...
Der Drache?
Er stürmte aus dem Haus über den Hof zur Scheune und öffnete langsam die Stalltür. Der Stall war leer. Der Drache war fort.
„Oh, nein!“
Antonello war enttäuscht, andererseits, es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
War es doch nur eine Einbildung, ein Traum. Hätte ich ihn doch nur fotografiert.
Er trat zurück in die Morgensonne. Die Morgenluft war erfüllt von Wildblumenduft und traurig klingendem Vogelgezwitscher in der Ferne. Ein anderer Ton mischte sich darunter, ein Brummen, irgendwo hinter und über ihm. Er drehte sich rasch um und schaute hoch.
„Oh, Mann!“ rief Antonello erfreut aus, „Du bist doch da geblieben!“
Der Drache antwortete mit einem gemessenen Kopfnicken: „Du bist früh auf, Mensch.“
„Darf ich Dich etwas fragen?“
Schon seit sich der Drache am Abend zur Ruhe begeben hatte, beschäftigte Antonello eine Frage und er hatte hin und her überlegt, wie er sie am besten formulieren könnte.
„Was möchtest Du wissen?“
Der Drache ließ sich nieder und legte sorgfältig seinen Schweif um seine Hinterläufe.
Antonello errötete leicht.
„Ich hoffe, Du verstehst mich nicht falsch. Aber, nachdem, was gestern passiert ist…“
„Ja?“ unterbrach Blazestorm und senkte seinen Kopf, damit er auf Augenhöhe mit Antonello war.
Dieser trat beinahe reflexartig einen Schritt zurück.
„Naja, was hat Dich dazu veranlasst, Deine Meinung zu ändern?“
„Welche Meinung? Ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich bin nicht an der Gesellschaft eines Zweibeiners interessiert und sobald ich weiß, wie ich in meine Berge zurückkomme, werde ich gehen. Es tut mir leid, wenn Dich das enttäuscht. Aber Drachen und Menschen sollten jeder für sich bleiben, das erspart viel Leid und Kummer auf beiden Seiten.“
„Aber, das meine ich gar nicht“, wandte Antonello schüchtern ein.
„Was denn dann?“
Blazestorms Stimme war knurriger als er eigentlich beabsichtigt hatte, dennoch waren seine Augen zu Schlitzen verengt.
„Ich wollte wissen, weshalb Du Dich entschlossen hast, mein Leben zu verschonen. Ich wurde Zeuge, wie Du gestern Menschen getötet hast und mich wolltest Du auch vernichten, nur weil ich ein Mensch bin.“
Die Drachenschwanzspitze klopfte auf den Boden, als Blazestorm antwortete: „Nun, Du hast mich vor diesen Menschen gerettet, die mich angegriffen haben. Dein Leben gegen meines.“
„Das ist alles?“ fragte der Mann ungläubig.
Blazestorm erhob sich und hob drohend eine Tatze.
„Das ist alles, Mensch. Oder was dachtest Du denn? Dass ich Mitleid mit Dir gehabt habe?“
Antonello schüttelte den Kopf.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich für eine Antwort erwartet habe.“
„Ich will Dich nicht von der Erledigung Deiner täglichen Pflichten abhalten. Ich gedenke nicht, Deine Hilfe über Gebühr in Anspruch zu nehmen“, beendete Blazestorm das Gespräch.
Rasch wandte sich Antonello ab.
Natürlich war ihm klar, dass der Drache niemals bleiben würde. Dennoch, der Gedanke an einen Abschied erfüllte ihn mit Trauer. Vielleicht wäre es das Beste, wenn der Drache einfach so davon fliegen würde, irgendwann, ohne ein Wort des Abschieds.
Er ergriff seufzend seine Schubkarre und begann mit der Stallarbeit.

Nach seinem üblichen Arbeitspensum am Hof machte sich Antonello daran, die Scheune für seinen neuen Gast wohnlicher zu gestalten. Mit dem Hintergedanken, in dem umfunktionierten Stall die Abende mit dem Drachen zu verbringen, stellte er auch einen kleinen Fernsehapparat auf, den er noch auf dem Dachboden gefunden hatte.

Tagsüber blieb der Drache in der Scheune, um zu schlafen oder vertrieb sich die Zeit mit Fernsehen. Er hatte schon bald gelernt, mit einer Krallenspitze die entsprechenden Knöpfe und Tasten zu bedienen.
Er verließ seine Unterkunft ausschließlich im Schutze der Dunkelheit, um sich die Flügel zu strecken, wie Blazestorm es ausdrückte. Er schlug Hirsche oder ähnliche Beute in den umliegenden Wäldern, ab und an griff er sich auch eine altersschwache Kuh von einer Weide. Jede zweite Nacht gönnte er sich sogar ein erfrischendes Bad im Genfer See; Drachen waren schließlich sehr reinliche Tiere.

Die Morgen- und Abendstunden verbrachten Drache und Mensch für gewöhnlich zusammen in der Scheune, da Antonellos Haus nicht ausreichend Platz bot für ein solch großes Geschöpf. Antonello nutzte die gemeinsame Zeit, dem Drachen vieles aus seinem Leben zu erzählen, und auch Blazestorm hatte viele Geschichten über seine alte Heimat und über seine Vergangenheit zum Besten zu geben. Antonello erfuhr auf diese Weise viel über das Leben im Mittelalter, über Ritter und Bauern und über die unglaubliche Macht, die einst vom Papst in Rom ausging. Vor allem aber bekam er einen tiefen Einblick in das Drachenwesen. Im Gegenzug unterwies Antonello den Drachen in verschiedenen Dingen des modernen Alltagslebens, machte ihn mit den Sitten und Gebäuchen der Menschen des 21sten Jahrhunderts vertraut und erläuterte ihm menschliche Technologien, er zeigte ihm sogar den Umgang mit seinem Notebook und dem Internet.

Eines Abends überraschte Antonello seinen Gast mit einem besonderen Geschenk: Speziell für Drachentatzen hatte er eine externe Tastatur für das Notebook konstruiert, damit sich Blazestorm leichter tat bei der Benutzung des Laptops: Jede Taste hatte eine Größe von drei Quadratzentimetern.

Sie wurden bald Freunde, auch wenn Antonello anfangs sehr schockiert von Blazestorms Bericht über den gewaltsamen Tod seiner geliebten Gefährtin Starbolt und der detaillierten Beschreibung der Exekution des Mörders gewesen war.

„...Aber, fünf Tage Folter! Das ist barbarisch! Dazu hattest Du einfach nicht das Recht, Du warst damit keinen Deut besser als dieser Ritter!“
„ Ich hab’s Dir doch schon zig Mal gesagt, Freund Antonello, ich bin wahrlich nicht stolz auf meine Tat“, grollte Blazestorm, als Antonello sich zum sechsten oder siebten Mal darüber zu echauffieren begann, dass sein geschuppter Gast einen Menschen getötet hatte.
„Es war grausam von mir und gewiss auch falsch, da stimme ich Dir zu, aber ich bitte Dich, Freund Antonello, bitte verurteile mich nicht allein auf Grund dieser einen Tat! Es geschah in Rage und im blinden Hass, aber ich kann es nicht mehr ungeschehen machen, genauso wenig, wie Du meine Gefährtin ins Leben zurückrufen könntest. Niemals zuvor in meinem ganzen Leben habe ich freiwillig getötet, schon gar nicht auf so grausame Weise, wie ich es bei dem Ritter getan habe. Ich habe stets danach getrachtet, mein Leben als gutartiges und friedfertiges Wesen zu führen, und es würde mir sehr wehtun, wenn ich wüsste, dass Du mich als ein blutrünstiges Ungeheuer ansiehst. Bitte, betrachte mich nicht in diesem falschen Licht, Freund.“
„Vergib mir, Freund Blazestorm... Ich wollte Dich nicht verletzen. Ich weiß natürlich, dass man niemanden nach einer einzelnen Tat beurteilen sollte.“
„Es sei Dir vergeben, Freund Antonello“, seufzte Blazestorm und fügte ein klein wenig grollend hinzu: „Wie bisher jedes Mal, wenn Du wieder mit dem Disput angefangen hast. Ich finde, dieses Kapitel sollte nun ein für allemal abgeschlossen sein.“

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 08.August.2007, 19:10:56
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In der Abgeschiedenheit von Antonellos Hof war es dem Drachen ein leichtes, unentdeckt zu bleiben und niemand würde auch nur auf die Idee kommen, dass mitten in den Schweizer Alpen sich ein Wesen tummelte, das an sich außerhalb der Sagenwelten niemals existiert hatte.
Der Flugzeugabsturz war bald vergessen. Die Öffentlichkeit ging davon aus, dass einige islamistische Fundamentalisten einen Terroranschlag verübt hatten, zumal erst kürzlich wieder auf europäische Soldaten in Afghanistan Anschläge verübt worden waren
Auch für die verkohlten Leichen der Soldaten gab es eine plausible Erklärung: Schließlich war einer der Soldaten Augenzeuge der Explosion und hatte in dem Fahrer des sich schnell entfernenden Lieferwagens einen international operierenden Top-Terroristen erkannt. Es war für alle offensichtlich, dass dieser Mann die Soldaten, die ihn zu stellen versucht hatten, mit einer Granate in den Tod gerissen hatte.
Damit war sowohl für die Zivilbevölkerung als auch für die Regierung der Fall ad Acta gelegt.
Selbstverständlich hatte die amerikanische Regierung trotz aller Proteste daraufhin in einem Akt der Vergeltung mehrere Stellungen von Rebellen in den Krisenregionen Afghanistans, Iraks und im Westjordanland angegriffen.
Offiziell wurde dies als Maßnahme zur Verhütung des internationalen Terrorismus bezeichnet, an der sich auch einige Streitkräfte der Europäischen Union beteiligt hatten.


Nur ein motivierter Jungjournalist, noch ziemlich am Anfang seiner Karriere, wollte sich mit diesen offiziellen Verlautbarungen nicht so ganz zufrieden geben. Abgesehen davon brauchte er dringend eine gute Story - und zwar so rasch wie möglich. Gab es da nicht auch immer noch diese Gerüchte über jenen riesenhaften Adler oder was auch immer für ein Wesen das sein sollte? Auch heute noch behaupteten etliche Personen, dass sie dieses Tier mit eigenen Augen gesehen haben wollten.
Er hatte Politikwissenschaften studiert und war auch anerkannter Experte in den Fragen des internationalen  Terrorismus in all seinen Ausprägungen. Sein Hobby war die zivile Luftfahrt, seine größte Leidenschaft jedoch war die Kryptozoologie. Mit Sicherheit würden sich damit weitere und gründliche Recherchen zu diesen Vorfällen für René Perrier als sehr interessant und spannend erweisen.

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[Fortsetzung folgt]


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 09.August.2007, 19:57:40
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Die Tage verstrichen und Mensch und Drache verbrachten ihre gemeinsamen Stunden mit guten Gesprächen, mit Schach- oder Backgammonspielen oder einfach zusammen vor dem Fernseher, wobei der Drache eine seltsame Vorliebe für Politmagazine und Fußball entwickelte, sehr zum Verdruss Antonellos, der sich mehr an Agentenfilmen oder Krimis erfreuen wollte. Antonello gewöhnte sich mit der Zeit an die Eigenheiten seines geschuppten Gastes und auch Blazestorm kam mit seinem Freund sehr gut aus.
Allmählich hatte Blazestorm auch seine Freude am Leben wieder gewonnen und langsam begann er, den Tod seiner geliebten Starbolt zu akzeptieren und darüber hinwegzukommen. Er kam irgendwann auch zu dem Schluss, dass nicht alle Menschen die vollständige Vernichtung verdient hatten.
Nichtsdestotrotz“, stellte er zum wiederholten Male nach einer Nachrichtensendung fest, „ich glaube, Deine Welt wäre ein besserer Ort, wenn er von uns Drachen regiert würde. Es ist eine Schande, wie Ihr Mutter Erde behandelt und es ist eine Schande, wie Ihr Menschen miteinander umgeht. Kannst Du mir einen Grund nennen, weshalb es für Euch so wichtig ist, dass eine weitere Palmölplantage mitten in die kümmerlichen Überreste des Malaysischen Dschungels gepflanzt wird? Und weshalb müsst Ihr Menschen Euch andauernd irgendwo auf dieser Welt treffen, nennt dies dann Gipfel und kommt dennoch niemals zu brauchbaren Beschlüssen, die anderen Menschen Nutzen bringen?“
Wie immer stimmte Antonello nickend zu - was hätte er auch groß sagen sollen; Blazestorm hatte nur in Worte gefasst, was Antonello immer schon empfunden hatte: Die menschliche Zivilisation war krank.
Dieses Kranksein der Menschheit, oder, wie Blazestorm zu sagen pflegte, diese Blindheit, genügte den Drachen als Erklärungsansatz und fortan nahm er alle Nachrichtensendungen unter diesem Aspekt zur Kenntnis.
Insgeheim kam er zu dem Schluss, dass die sogenannte menschliche Zivilisation ohnehin bald aufhören würde zu existieren, wenn nicht die Menschheit grundlegend umdenken würde. So war denn auch der Film, der nach den Nachrichten im Fernsehen ausgestrahlt wurde, für Blazestorm eine verheißungsvolle Abendunterhaltung: In diesem phantastischen Abenteuerstreifen hatten die Drachen die Herrschaft über die Menschheit erlangt und nun kämpften einige wenige Undankbare, wie er die Filmhelden nannte, gegen die feuerspeienden Herren der Welt. Bald schon wurde Blazestorm klar, warum Antonello diese Art von Film als Fantasyfilm bezeichnete. Selbstverständlich würden diese kümmerlichen Zweibeiner niemals die Drachen vernichten können...


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 09.August.2007, 19:59:14
Nur eines konnte Blazestorm in all der Zeit, die er bisher mit seinem Freund verbracht hatte, einfach nicht verstehen: Warum zum Teufel verschwand Antonello immer während ihrer gemeinsamen Zeit am Abend für etwa eine Stunde? Wenn Blazestorm seinen Freund darauf ansprach, wich dieser nur aus: Er habe vergessen, die Tiere zu füttern, oder er sei nur rasch in den Keller gegangen, um nach der Waschmaschine zu sehen, oder er habe etwas in seinem Schlafzimmer gesucht, Ausreden eben.
Anfangs hatte der Drache sich mit diesen Antworten zufrieden gegeben, aber da es mit einer solchen Regelmäßigkeit geschah, wurde er doch stutzig. Normalerweise wäre es ihm schlichtweg egal gewesen, aber Blazestorm fühlte sich verletzt, weil ihn Antonello offensichtlich für dumm verkaufen wollte.

Eines Abends gewann seine Neugier Oberhand und er beschloss, seinem Freund zu folgen. Er musste einfach herausfinden, was Antonello ihm verheimlichte.

Vorsichtig folgte der Drache dem Mann und sah ihn in einem der Ställe verschwinden.
Blazestorm spähte neugierig durch das kleine, staubige Fenster und plötzlich verstand er. Er sah eine Weile zu und dann zog er sich grinsend zurück.

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 09.August.2007, 20:00:46
„Oh nein, das gibt’s doch wohl nicht!“ rief Blazestorm aus und sein Schweif peitschte wütend hin und her.
„Hast Du das gesehen, Freund Antonello? Hast Du das eben gesehen? Dieser elende, blinde Bastard, dieser... dieser Zweibeiner. Ich schwöre Dir, wenn der mir je vor die Klauen kommen sollte... Zwischen meinen Zähnen wird er enden!“
„Was ist denn los?“ fragte Antonello und blickte von seinem Buch auf, einerseits erschrocken und doch auch belustigt über den Wutausbruch seines Freundes.
Der Drache warf ihm einen giftigen Blick zu.
„Das ist doch mal wieder typisch für Dich, unaufmerksam wie eh und je“, fauchte Blazestorm.
„Es ist doch wohl ganz eindeutig, dass hier der Schiedsrichter einen Elfmeter hätte geben müssen.“
Das Qualifikationsspiel zur Fußballeuropameisterschaft im kommenden Jahr zwischen Italien und der Schweiz stand immer noch 0:0 - der Drache fieberte für die Schweizer, die Italiener seien ihm zu mager und zu zäh, wie er sagte - , als sich Antonello von seinem Sessel in der Scheune erhob.
„Ich geh uns mal rasch Chips holen. Magst Du auch noch ein Bier?“
Der Drache seufzte.
„Du scheinst dich wirklich sehr einsam zu fühlen, Freund Antonello.“
Diese Aussage ließ den Mann zusammenzucken.
„Einsam? Was meinst Du damit?“
Blazestorm schüttelte langsam den Kopf und in seinen Augen lag tiefe Enttäuschung.
„Du weißt nur zu gut, was ich meine, Freund Antonello.“
„Nein, ehrlich nicht. Ich wollte nur eben in die Küche gehen...“
„Komm, hör schon auf, mir etwas vorzumachen. Hast Du wirklich geglaubt, Du könntest das vor mir auf ewig geheim halten?“
Antonello schickte sich an, den Raum zu verlassen.
„Entschuldige, ich weiß echt nicht, was Du von mir willst. Wenn Du es vorziehst, in Rätseln mit mir zu sprechen...“
„Also gut, ganz wie Du willst, mein Freund“, gab Blazestorm zurück und imitierte unvermittelt das Meckern einer Ziege. Es klang recht lustig aus der Kehle eines Drachen.

„Du... Du weißt es?“ fragte Antonello betreten.
„Zerbrich Dir darüber nicht den Kopf, mein Freund Antonello“, zischelte der Drache leise. „Wir Drachen kümmern uns nicht sonderlich um solche Dinge, musst Du wissen“
„Wie lange weißt Du es schon?“
„Lange genug. Aber ich hatte immer gehofft, Du würdest es Dir von der Seele reden und Dein Herz erleichtern. Du vermisst Deine Frau sehr, nicht wahr?“
Blazestorms Schnauze berührte beinahe das Gesicht des Menschen.
„Ich möchte nicht darüber reden.“
„Warum nicht? Vielleicht solltest Du gerade das tun, für Dein eigenes Wohlergehen. Antonello, sei vernünftig, Du kannst so nicht länger weitermachen. Es verzehrt Dich...Vertrau Dich mir an, ich höre Dir zu.“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, entfaltete der Drache seine Schwingen und hüllte den Menschen darin ein, drückte ihn tröstend an seine schuppige Brust.
„Du hast Sie wirklich über alles geliebt.“
Das war keine Frage, es war eine Feststellung.
„Das habe ich. Und dieses Schwein hat alles zerstört.“
„Was ist passiert, mein Freund?“

„Monika, meine Frau. Ihr Tod war so... sinnlos. Es war im Sommer 1994. Sie war mit ihrem Auto unterwegs, sie wollte ihren Bruder besuchen. Die Polizei sagte später, der andere wäre sturzbesoffen gewesen, an die zwei Promille. Dieser Bastard hatte den Unfall verursacht. Er hatte nicht bei Rot angehalten - er war zu betrunken, um überhaupt die Ampel zu bemerken. Für meine Frau kam jede Rettung zu spät. Das Schwein überlebte. Sie haben ihn an Ort und Stelle festgenommen und ich war davon überzeugt, dass er eine längere Haftstrafe aufgebrummt bekommen würde. Aber er konnte sich einen Staranwalt leisten und er kam tatsächlich frei. Das Bußgeld, das ihm auferlegt wurde, war der reinste Witz.“
Der Drache schwieg, er drückte den Menschen nur weiterhin an sich und streichelte seinen Rücken.
„Ich habe jahrelang einen Rachefeldzug geplant. Ich wollte dieses Schwein töten. Aber zu seinem Glück beging er Selbstmord und entkam damit meiner Rache.“
„Und später dann? Gab es danach keine andere Frau mehr, in die Du Dich hättest verlieben können?“
„Nein, das konnte ich einfach nicht mehr. Jede Frau, die ich traf, habe ich an meiner geliebten Monika gemessen.“
 
Blazestorm seufzte und nach einer Weile sprach er sanft: „Antonello, Du wirst sehen, irgendwann wirst auch Du wieder eine passende Gefährtin finden. Dessen bin ich mir absolut sicher.“
„Nein. Niemand kann an die Monika heranreichen.“
„Aber sie ist tot und Du kannst es nicht ändern, Freund Antonello!“ rief Blazestorm, immer noch den Menschen mit seinen Flügeln ummantelnd.
„Auch meine geliebte Starbolt ist nur noch in meinem Herzen lebendig. Du kennst die Geschichte, Freund Antonello. Auch ich habe das Wichtigste in meinem Leben verloren. Tatsächlich war sie ein Teil von mir. Ich habe lange gebraucht, darüber hinwegzukommen. Und es warst Du, mein Freund Antonello, der mir gezeigt hat, dass das Leben weitergeht. Ich bin wieder ins Leben zurückgekehrt. Aber im Gegensatz zu Dir werde ich wohl niemals mehr die Gelegenheit haben, mich mit einer Drachin zu vermählen, denn in dieser Welt bin ich der einzig existierende Drache. Ich kann mit keinem Artgenossen sprechen, ich werde keinen anderen Drachen jemals zu Gesicht bekommen. Ich bin ebenfalls einsam, mein Freund, einsam in dem Sinn, der einzige Drache in dieser mir fremden Welt zu sein. Aber wenigstens habe ich hier einen Freund gefunden, nämlich Dich.“
Der Drache leckte flüchtig über das Gesicht des Menschen und irgendwie genoss Antonello diese Nähe zu dem Drachen.
„Du bedeutest mir wirklich sehr viel, mein zweibeiniger Freund.“
„Du mir auch“, erwiderte Antonello schluchzend, er konnte seine Tränen nicht mehr länger zurückzuhalten.

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 09.August.2007, 20:02:09
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„Also gut. Ein Terroranschlag kann definitiv ausgeschlossen werden.“
René war sehr zufrieden mit seinen bisherigen Ergebnissen. Er hatte viele Wochen mit Recherchen in diversen Archiven und öffentlichen Bibliotheken verbracht und zahlreiche Spezialisten vom Schweizer Geheimdienst befragt. Er hatte mit den Leuten gesprochen, die das Flugzeugwrack untersucht hatten und mit den Gerichtsmedizinern, die die verkohlten Leichen, oder besser das, was von ihnen übrig gewesen war, identifizieren mussten. Was auch immer den Unfall verursacht hatte, die Explosion war nicht von einer an Bord gebrachten Bombe oder einer auf das Flugzeug  abgefeuerten Rakete ausgelöst worden. Auch technische Probleme, ein paar Monate zuvor zum Beispiel führte ein Kabelbrand an Bord einer DC-10 der Air Canada zu einer Tragödie über Neufundland, kamen nicht in Frage.

Aber was sonst könnte der Auslöser für den Absturz gewesen sein?
Genau das war der springende Punkt, diese Frage machte das Ganze so spannend für René. Waren da irgendwelchen übernatürlichen Kräfte am Werk? Und was war dran an den Gerüchten über diesen Adler oder Dinosaurier oder was auch immer? Bestand da irgendein Zusammenhang? Jedenfalls war das alles reichlich Stoff für einen journalistischen Knüller.

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[Fortsetzung folgt, allerdings erst am Sonntag]


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 12.August.2007, 16:05:49
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Blazestorm blickte zärtlich auf seinen Freund herab. Es war kurz vor sieben Uhr morgens und Antonello schlief noch, eng an den weichen Bauch des Drachen gekuschelt. In dieser vergangen Nacht wurden die Weichen für ihre beiden Leben neu gestellt. Obwohl kein einziges Wort gefallen war, fühlten sie beide, dass sie ihre Zeit der Einsamkeit jetzt hinter sich gelassen hatten.
„Höchste Zeit aufzustehen, Du Faulpelz“, hauchte Blazestorm in Antonellos Ohr und stupste dessen Gesicht mit der Schnauze an.

Der Drache unterstützte, so gut er es vermochte, Anonello bei den täglichen Arbeiten auf dem Hof. War es anfangs nur eine  bloße Vermutung, so konnte man es mit der Zeit nicht länger übersehen: Mit der Anwesenheit des Drachens wuchsen allmählich auch die Erträge des Hofes. Antonello erzielte große Gewinne aus den Verkäufen seiner Produkte auf dem Markt, sein Viehbestand wuchs stetig und auch der Mais gedieh prächtig, als er den organischen Dünger mit ein wenig Drachenmist anreicherte.
Auch wenn Blazestorm nur im Spaß die mögliche Vermarktung seines Mistes anregte, versuchte es der geschäftstüchtige Landwirt.
Der Formula X Draconian Power Bio – Guano wurde schon bald ein Verkaufsschlager:
Egal ob große Gärtnereibetriebe und Landwirte oder Hobbygärtner und Topf- und Balkonpflanzenbesitzer, alle waren sie begeistert von den Ergebnissen, die sie mit dem neuartigen Dünger erzielten.

Auf diese Weise gelangte Antonello nach vielen Jahren harter Arbeit endlich zu ein wenig Wohlstand. Aber er vergaß nie den Grund für seinen Aufstieg und er wurde niemals arrogant in seinem Erfolg. Seine Liebe zu Blazestorm war tief und aufrichtig.
Blazestorm war glücklich, einen Gefährten gefunden zu haben. Obgleich kein Drache, erkannte er in seinem menschlichen Gegenüber eine Art Drachen-Seele, wie er es ausdrückte. So vergingen die Tage und alles schien in bester Ordnung.
Trotz seines wirtschaftlichen Erfolges behielt Antonello sein Leben als Einsiedler bei. Blazestorm war ihm Gesellschaft genug.

Aus diesem Grund fiel ihm auch nicht auf, dass er bald in das Blickfeld seiner Mitmenschen geriet. Die Leute begannen, über seinen plötzlichen Wohlstand zu reden und Missgunst ergriff schon bald ihre Herzen.
In der ersten Herbstwoche geschah es dann: Weite Teile Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wurden von schweren Unwettern und Stürmen heimgesucht, Hagel und später Überschwemmungen zerstörten Ernten und vernichteten viele Existenzen. Aber stets blieb Antonellos Hof, abgesehen von einigen kleineren Schäden, wie durch ein Wunder von diesen Katastrophen nahezu verschont.
Merkwürdig war auch, dass Antonellos Viehbestand nicht angesteckt worden war, als einige Wochen zuvor eine Rinderseuche zahlreiche Kühe in Europa dahinraffte.

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 12.August.2007, 16:06:50
Ich sag’s Dir, dieser Mann steht mit dem Teufel im Bunde. Vielleicht ist er ja gar selbst der Leibhaftige.“
„Blödsinn! Varini hat einfach nur Glück.“
„Ach, Glück nennst Du das? Und was ist mit der Kreatur, die bei ihm haust? Dieser Adler?“
„Ich dachte, es wäre ein Saurier?“
„Oh Mann, was seid Ihr alle bescheuert. Nehmt doch nicht jedes Gerücht im Umlauf für bare Münze. Dinosaurier sind schon lange ausgestorben.“
„Aber da lebt ein Ungeheuer in den Bergen.“
„Schmarr’n!“
„Kein Schmarr’n. Ich sag’ Dir, da ist ein Zusammenhang zwischen dem Auftauchen dieses... Viehs und Varinis plötzlicher Glückssträhne. Warum hat der Hagel nicht seine Ernte vernichtet? Warum hat er kein Vieh verloren? Und dann, ist es nicht seltsam, dass er nach dem Tod seiner Frau nicht mehr geheiratet hat oder auch nur eine Freundin hatte?“
„Alles hat mit diesem Flugzeugabsturz angefangen“, dachte ein Mann laut nach.

An den Stammtischen in den verschiedenen Wirtschaften wurde über nichts anderes mehr diskutiert.

„Entschuldigen Sie bitte, meine Herren.“
René hatte die Unterhaltung der fünf Männer am Nebentisch genau verfolgt, eine alte Berufskrankheit.
„Glauben Sie, an den Geschichten über diesen Adler ist was dran? Ich höre die Gerüchte über diesen Vogel seit dem... Angriff auf das Flugzeug.“
„Kein Adler, Monsieur. Ein Saurier.“
„Nein, ein Drache, ich bin mir sicher, dass es ein Drache ist“, mischte sich ein älterer Mann ein.
„Guter Mann“, René versuchte zu lächeln, um seine Aufregung zu verbergen, „Drachen haben nie wirklich existiert. Sie sind nur Fabelwesen. Außerdem gibt es keine Dinosaurier mehr, das weiß doch jedes Kind.“
„Ach ja?  Und was glauben Sie, haust hier oben in den Bergen? Ich sage es Ihnen. Es ist das Böse in persona.“
„Hat irgendwer jemals dieses... Ding mit seinen eigenen Augen gesehen?“ fragte René.
Der Mann verstummte.
„Um ehrlich zu sein, nein, niemand von uns hat je dieses Ungeheuer zu Gesicht bekommen. Nur ab und zu wurde sein Schatten gesichtet.“
René lächelte: „Und wo tauchte dieser Schatten auf?“
„Naja, einige Male glitt der Schatten über den See dahin.“
„Außerdem wurden zerfetzte Kadaver von Rehen und Hirschen in den Wäldern gefunden. Aber hier gibt es keine Wölfe oder Luchse, denen sie zum Opfer hätten fallen können, falls Sie das meinen“, fügte ein Mann hinzu.
„Das ist der Teufel. Und Varini hat ihm seine Seele verkauft. Das erklärt, warum er plötzlich so wohlhabend wurde.“

„Wer ist dieser Varini und wo wohnt er?“
Der Journalist versuchte seine Stimme sachlich klingen zu lassen. Er musste unbedingt mit diesem Mann sprechen.
Oh Gott! Was für eine Story! Hörte sich beinahe nach einem Bestseller von Stephen King an.
„Varini? Er ist ein Einsiedler, ein Sonderling. Er lebt oben auf diesem Berg da...“
Man beschrieb ihm den Weg zu seinem Hof.
René spendierte im Gegenzug den Leuten einige Runden und verließ das Wirtshaus. Er ging zu einer Telefonzelle und suchte im Telefonbuch die Nummer von Antonello.

„Pronto?“
„Monsieur Varini?“
„Ja, Varini hier.“
„Ich heiße Perrier. René Perrier. Ich bin ein Reporter von der Genfer Tageszeitung Le Courrier.“ Ich recherchiere wegen des Flugzeugabsturzes im Mai. Darf ich vielleicht für ein Interview bei Ihnen vorbeikommen?“
„Der Flugzeugabsturz? Also, ich dachte immer, so ein paar durchgeknallte Muslime hätten den Vogel abgeschossen. Ich weiß beim besten Willen nicht, inwiefern ausgerechnet ich ihnen behilflich bei Ihrer Arbeit sein könnte. Aber von mir aus können sie ruhig kommen. Wann?“
„Passt es Ihnen Morgen?“

Sie einigten sich auf eine bestimmte Zeit und der Reporter kehrte sehr zufrieden in sein Hotel zurück.

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Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 12.August.2007, 16:08:38
Plötzlich dämmerte es ihm: „Das bist Du gewesen! Du hast das Flugzeug angegriffen und zum Absturz gebracht. Das war dieser eiserne Drache, von dem Du gesprochen hattest. Jetzt ist mir alles klar, wie konnte ich nur so blöd sein!“ rief Antonello aus.
Sie saßen in der Scheune und berieten darüber, was sie angesichts des anstehenden Interviews unternehmen sollten.
 Der Drache senkte seinen Kopf und sah Antonello flehentlich an.
„Bitte, mein geliebter Freund Antonello. Du musst mir glauben, ich hatte in diesem Augenblick nicht die Absicht diesen Menschen Leid zuzufügen. Ich dachte wirklich, dass es sich um einen unverschämten Eindringling handeln würde, der mir mein Revier streitig machen wollte, meine Schwäche aufgrund meiner Geliebten Tod ausnutzend. Ich bitte Dich, vergib mir.“
Antonello seufzte und streichelte liebevoll die Schnauze seines Freundes.
„Selbst wenn ich es wollte, könnte ich Dir keine Schuld geben, nicht nach alldem, was Du zuvor durchgemacht hattest. Abgesehen davon, woher soll ein Drache aus dem Mittelalter etwas über Flugzeuge wissen. Aber wir sollten uns nun überlegen, was ich dem Kerl erzähle, wenn er in ein paar Stunden sein Interview von mir haben will.“
Zu seiner großen Überraschung und Bestürzung begann der Drache am ganzen Leib zu zittern.
„Bitte, bitte, mein Freund, ich flehe Dich an... bitte verrate ihm nichts von meiner Gegenwart. Du hast mir einmal erzählt, was sie mit mir tun würden, wenn sie mich entdeckten. Ich habe im Fernsehen immer wieder gesehen, wie Ihr mit allem umgeht, was Euch fremd ist und gefährlich erscheint. Ihr Menschen neigt dazu, alles zu vernichten, was Ihr fürchtet. Und ich weiß, dass mich die Menschen fürchten werden, wenn dieser Mann von meiner Existenz erfährt. Bitte, Antonello... ich... ich habe solche Angst zu sterben.“
 „Ach, Blazestorm! Ich würde es nie erlauben, dass Dir irgendetwas geschieht. Ich liebe Dich von ganzem Herzen, fast schon so, wie ich damals meine Frau geliebt habe, das weißt Du doch. Natürlich werde ich kein Wort über Dich verlieren. Und unter keinen Umständen darf er Dich zu Gesicht bekommen. Am besten verkriechst Du Dich hier irgendwo im Stall und verhältst Dich ganz ruhig, bis er wieder gegangen ist.“
Antonello tätschelte sanft die weichen Schuppen des Drachengesichtes.
„Ganz ruhig, alter Junge. Dir wird nichts passieren, das schwöre ich Dir.“
Nach einem kurzen Moment des Schweigens schlug Antonello vor: „Und wenn Du ihn einfach frisst? Ein kleiner Happs und weg ist er.“
„Aber, Antonello!“ protestierte Blazestorm.
„Ja, was wäre denn da schon groß dabei? Du hast eh schon einige Leute auf dem Gewissen. Da kommt’s doch auf einen mehr oder weniger auch nicht mehr an, oder?“
„Antonello! Was fällt Dir ein? Der Ritter damals hatte meine Gefährtin erschlagen. Und jene Soldaten haben uns angegriffen. Aber dieser Mann hat mir nie etwas zu Leide getan. Ich bin kein blutrünstiges, menschenfressendes Ungeheuer. Ich dachte, zumindest das hättest Du mittlerweile verstanden, mein lieber Freund. Ich bin wirklich sehr enttäuscht.“
„Ach komm schon, das sollte doch ein Witz sein“, lachte Antonello. Der Drache versetzte seinem zweibeinigen Freund einen spielerischen Hieb mit seiner Vorderpfote. „Das ist überhaupt nicht komisch, mein Lieber.“

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Ariguseli am 12.August.2007, 22:44:22
*gespannt der Geschichte folgen* ^,.'.,^


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 13.August.2007, 18:34:22
***

„Ach, Sie interessieren sich also auch für Kryptozoologie, Herr Varini?“ René sah sich ein wenig im Wohnzimmer um, während Antonello Tassen, eine große Kanne Kaffee und einen selbstgebackenen Schokoladenkuchen hereinbrachte.
„Warum - Ach, Sie meinen wegen der ganzen Poster und Bücher? Nun, Fabelwesen wie Einhörner oder Drachen waren immer schon meine große Leidenschaft.“
„Apropos, Drachen. Sind auch schon zu ihnen diese Gerüchte durchgedrungen?“
„Was für Gerüchte?“
„Über einen Saurier oder Drachen, der in diesen Bergen sein Unwesen treiben soll.“

Antonello setzte sich lachend und goss den dampfenden Kaffee in die Tassen.
„Nettes Gerücht. Und typisch für die Leute, die hier leben. Aber ich gehe mal davon aus, dass Sie diesen Schwachsinn nicht für bare Münze nehmen.“
„Hmm? Oh, nein! Nein! Natürlich nicht. Aber es ist schon eigenartig, verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Varini. Diese Gerüchte kursieren seit dem verunglückten Swiss Air - Flug.  Das ist auch der Grund, warum ich zu Ihnen gekommen bin.“
„So, so. Aber ich wüsste beim besten Willen nicht, was das alles mit mir zu tun haben sollte. Ein paar islamistische Fundamentalisten haben den Flieger in die Luft gejagt. Da waren doch einige amerikanische Politiker an Bord, Herr Perrier.“
„Naja, das ist halt das, was die Öffentlichkeit denken sollte“, antwortete René und nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Aber ich bin mir ganz sicher, dass kein Sprengsatz diese Explosion ausgelöst hat. Die Flugsicherung hatte wenige Augenblicke vor dem Absturz ein zweites Radarsignal gemeldet. Irgendetwas Großes kollidierte mit dem Flugzeug.“
„Na, eine Rakete, nehme ich mal an“, schlug Antonello vor.
René schüttelte den Kopf.
„Ausgeschlossen. Ein Raketeneinschlag hätte das Flugzeug zerfetzt. Aber man hat das Heck als Ganzes einige Kilometer vom Rumpf entfernt gefunden, es war buchstäblich abgerissen worden. Der Rumpf selber explodierte, als er gegen einen Berg prallte. Nein, Herr Varini. Keine Rakete oder Bombe würde diese Art von Zerstörung hervorrufen, wie dieses - lassen Sie es uns - Ding nennen, das das Flugzeug angegriffen hat. Und es muss etwas Lebendiges gewesen sein. Ein Wesen aus Fleisch und Blut.“
„Und warum erzählen Sie das alles ausgerechnet mir? Was wollen Sie genau von mir?“

„Herr Varini. Ich will mit offenen Karten spielen. Wissen Sie, was sich die Leute hier in der Gegend über Sie erzählen? Sie haben Angst vor Ihnen. Man schreibt Ihnen magische Fähigkeiten zu. Man munkelt, dass Sie mit dunklen Mächten im Bunde stehen. Dass Sie Ihre Seele für Wohlstand und Glück an den Teufel verschachert hätten. Und die Leute wollen einen Dinosaurier gesehen haben. Was aber, wenn dieser... Saurier gar kein Saurier ist, sondern ein Drache?“
„Das ist doch Schwachsinn!“ rief Antonello.
„Es gibt keine Drachen. Alles nur Geschwätz von neidischen und abergläubischen Bauern. Sie haben mich auf dem Kieker, weil ich halt meine Rinder vor der Seuche schützen konnte und mein Hof zufälliger Weise von den Unwettern verschont geblieben ist.“
„Wirklich nur Zufall oder Glück?“
René gab nicht nach.
„Finden Sie nicht, dass es auch noch eine andere Erklärung dafür geben könnte?“

Antonello wurde allmählich wütend: „Ich glaube, Sie gehen jetzt besser.“
René war zufrieden. Das war genau die Reaktion, die er provozieren wollte.
„Da gibt es noch einen Punkt, der Sie interessieren dürfte, Herr Varini. Von der Schweizer Luftfahrtbehörde habe ich die Information, dass sie seit diesem Vorfall beinahe an jedem zweiten Tag diese seltsamen Radarsignale empfängt. Man geht davon aus, dass diese Signale vom selben Ding erzeugt werden, das sich der Boeing 767, eben jener Flug SW 6-3-6, näherte und damit kollidierte. Sie sagten mir sogar noch mehr: Dieses Signal wird nur zu bestimmten Nachtstunden empfangen, es entsteht zwischen dem Genfer See und diesem Ort hier und verschwindet dann wieder. Sie können die Koordinaten gerne selber überprüfen...“
René nahm einen GPS-Empfänger aus seiner Tasche und ließ Antonello einen Blick auf die Anzeige werfen. Antonello schüttelte den Kopf.
„Blödsinn. Ich habe keine Lust mehr, mir Ihren Bullshit länger anzuhören. Verschwinden Sie augenblicklich oder ich werde... werde...“
„Ja? Sie werden was? Ihren Hausdrachen auf mich hetzen? Aprops, sind Sie eigentlich verheiratet?“

René ließ sich von Antonellos Zorn nicht beeindrucken. Völlig ungerührt fuhr der Reporter fort, ohne auf eine etwaige Antwort seines Gegenübers zu warten.
„Wollen Sie mal meine Theorie hören, Herr Varini? Also. Von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet haben die Leute im Tal sogar Recht. Ihr plötzlicher Wohlstand und das Flugzeugunglück stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Irgendwie gelangte ein Drache in unsere Dimension und attackierte den Jet. Wahrscheinlich hielt der Drache das Flugzeug für einen Rivalen oder für einen Artgenossen, der ihm sein Revier streitig machen wollte. Der Drache packte also den Flieger mit seinen Klauen am Rumpf und riss dabei das Heck ab, überzeugt davon, damit den fremden Drachen tödlich zu verletzen. Er bemerkte seinen Irrtum und ließ den Rumpf der Maschine los, der dann natürlich am Berg zerschellte. Daraufhin landete der Drache irgendwo in den Bergen, um herauszufinden, wo er hingeraten war. Er war verwirrt, erschöpft und hungrig. Irgendwie trafen Sie dann auf das Tier, vielleicht waren Sie gerade auf dem Weg in die Stadt oder auf dem Weg zurück nach Hause. Wie auch immer, Sie, Herr Varini, hatten das Glück, als erster auf dieses Vieh zu treffen und weil Sie geradezu fanatisch in Bezug auf Drachen sind, sahen Sie in dieser Begegnung die große Chance, Ihre Träume wahr werden zu lassen. Aber auch Armee und Polizei hatten Interesse an diesem Drachen, weil sie ihn nahe der Stelle, an der Sie ihn fanden, landen sahen. Die Beamten hatten es sich bereits zusammengereimt, dass der Drache für das Flugzeugunglück verantwortlich war. Sie erschienen just auf der Bildfläche, als Sie mit dem Drachen fortgehen wollten. Einige Soldaten versuchten, Sie und den Drachen aufzuhalten, aber irgendwie gelang Ihnen mit dem Drachen die Flucht. Wahrscheinlich tötete der Drache die Soldaten. Und nun leben Sie zusammen mit diesem Drachen, der Ihnen aus Dankbarkeit für seine Rettung zu Wohlstand verhalf und Ihnen irgendwelche Probleme, seien es Unwetter oder Tierseuchen, vom Leib hält. Ich frage mich nur, wie Sie es geschafft haben, Ihre erste Begegnung mit dem Biest zu überleben. Nun, wie finden Sie meine kleine Theorie, Herr Varini?“
„Das ist völlig absurd. Drachen gibt es nicht. Wollen Sie Ihren Lesern wirklich so einen hanebüchenen Unsinn zumuten? Abgesehen davon, angenommen, nur mal angenommen,  Ihre Theorie würde stimmen, warum und wie sollte ein Drache in unsere Dimension gelangen?“
„Nun, das ist genau der Punkt, wo ich noch am Grübeln bin. Aber ich kriege das schon noch raus, das verspreche ich Ihnen.“
„Schön, finden Sie’s raus, aber nicht hier. Raus!“ brüllte Antonello.
Er hatte sich drohend erhoben und René kam zu dem Schluss, dass das Gespräch vorerst beendet war.
„Ich komme wieder, Herr Varini!“, sagte der Reporter ruhig, als er in sein Auto stieg.
„Sie verdammtes !“ schrie Antonello dem wegfahrendem Wagen nach.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 13.August.2007, 18:35:28
Ein dunkler Schatten huschte über die im Mondlicht glitzernde Wasseroberfläche, als er seine Kreise über dem Genfer See immer enger zog und schließlich mit leichtem Plätschern in das kalte Wasser eintauchte. Der Drache begann sich zu säubern und genoss das Gefühl des kühlen Nasses an seinen Schuppen. Vorhin, beim Schlagen der beiden Hirsche als Beute, hatte er sich vorgestellt, er hätte diesen verdammten Menschen zwischen seinen Krallen. Wie war noch sein Name? René? Gut, sollte er ihm jemals begegnen, würde er dem Kerl die eine oder andere Lektion erteilen. Blazestorm war immer noch aufgebracht über das Verhalten dieses Reporters. Abgesehen davon musste er seinem Freund beistehen.

Nach dem Interview war Antonello völlig aufgelöst in den Stall zu dem Drachen gekommen und es bedurfte viel Geduld und Einfühlungsvermögen, bis sich der Mensch wieder ein wenig gefangen hatte.
Aber Blazestorm war weise genug, um zu erkennen, dass dieser Reporter wiederkommen würde, und dass Antonellos Leben von jetzt an nicht mehr dasselbe sein würde. Die einzige Lösung, die Blazestorm einfiel, war, den Hof und damit Antonello zu verlassen. Aber wie sollte er es Antonello beibringen? Er würde seinen Drachen niemals gehen lassen, nicht, nachdem sich zwischen ihnen dieses freundschaftliche Band entwickelt hatte. Würde er es in diesem Fall wirklich übers Herz bringen zu gehen?  Wäre es wirklich das Beste für Antonello? Sicherlich, man würde keinen Drachen mehr auf seinem Hof vorfinden, aber die Leute waren nun mal abergläubisch und sie würden neidisch und verängstigt bleiben. Blazestorm seufzte.
Ja, Antonellos Leben hatte sich in der Tat seit der Ankunft des Drachens verändert.

Zum ersten Mal seit Monaten dachte Blazestorm wieder an seine ehemalige Heimat in einer vergangenen Zeit. Er erinnerte sich an sein früheres Leben, seine Gefährtin; der Verlust schmerzte noch nahezu unerträglich, aber der Wunsch nach Vergeltung war mittlerweile verflogen.
Wäre es eine Option, ins sogenannte Mittelalter zurückkehren und Antonello einfach mitzunehmen?

Blazestorm erklomm einen natürlichen Damm aus großen Steinen und schüttelte sich wie ein Hund trocken, seine Schwingen dabei halb geöffnet.

Würde sich Antonello ihm anschließen?
Der Mensch empfand sehr viel für den Drachen und Blazestorm erwiderte diese Gefühle. Aber selbst wenn Antonello dem Plan zustimmen würde, wie könnten sie dorthin zurückkehren? Was hatte Blazestorm in diese Zeit katapultiert? Es musste doch eine Erklärung dafür geben.

Blazestorm seufzte.
„Menschen. Sie haben sich in den vergangenen Jahrhunderten kaum geändert. Es mag wohl ein paar Ausnahmen geben, aber die meisten von ihnen... nur Abschaum, so wie dieser Bastard von einem Reporter.“
Der Drache blinzelte: Was hatte dieser Kerl doch nochmal auf Antonellos Frage, wie der Drache in diese Dimension gekommen sein sollte, geantwortet?
Nun, das ist genau der Punkt, wo ich noch am Grübeln bin. Aber ich kriege das schon noch raus, das verspreche ich Ihnen, zitierte Blazestorm.
Plötzlich schoss dem Drachen eine Idee durch den Kopf und er lächelte grimmig: „Ganz sicher wirst Du das, mein Freund. Aber Du wirst Dein Wissen dann mit uns teilen.“

Blazestorm erhob sich in die mondhelle Nacht und flog zurück in die Berge. Ein ganz bestimmtes Auto, das auf einer der Straßen unter ihm entlang fuhr, entging dabei seinem scharfen Blick nicht…
 
***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 13.August.2007, 18:36:01
René fühlte sich ein wenig unpässlich. Zwar hatte er die Party bereits vor Mitternacht verlassen, aber er hatte unvernünftiger Weise zu diesem Zeitpunkt bereits einiges an Alkohol intus. Er war auf einem Wohltätigkeitsball zugunsten von Waisenkindern gewesen, über den er einen Artikel für die Gesellschaftskolumne schreiben sollte. Nicht gerade die Art von Arbeit, die er schätzte, aber nichtsdestotrotz war das einfach sein Job als Reporter. Seine geplante Story über ein Fabelwesen, das tatsächlich in der modernen Welt lebte, würde noch so lange warten müssen, bis er mit ausreichend Beweismaterial wie Fotos und einer plausiblen Theorie aufwaten konnte. Er entschied sich, anstatt der Autobahn die Seeuferstrasse zu nehmen, um zu seinem Hotel zu gelangen. Dort war die Wahrscheinlichkeit einer Verkehrskontrolle wesentlich geringer, schließlich konnte er es sich nicht leisten, seinen Führerschein zu verlieren. Zu Recht hatte er ein schlechtes Gewissen, aber er hatte der Versuchung der erfrischenden Fruchtbowle, die auf dem Ball großzügig ausgeschenkt worden war, nicht widerstehen können.
 
Etwas glitt über sein Auto hinweg. Obwohl es nur für Sekundenbruchteile war, nahm René trotz der Promille davon Notiz.
Er brachte seinen Wagen am Straßenrand zum Stehen und konnte noch flüchtig einen großen, schwarzen Vogel erkennen, der über dem See kreiste. Er sah aus wie ein riesiger Adler, oder war es eine große Fledermaus, oder aber...
Noch bevor René einen klaren Gedanken fassen konnte, war der Schatten auch schon über dem dunklen Wasser des Genfer Sees verschwunden. Auf der Wasseroberfläche war trotz des hellen Mondlichts nicht die geringste Bewegung zu sehen.
René wollte gerade den Zündschlüssel herumdrehen und die Fahrt fortsetzen, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er stieg schließlich doch aus und ging hinunter zum Wasser. Er setzte sich auf einen Steg und beobachtete das Glitzern des Mondlichts im Wasser. Es war eine sehr stille Nacht und nur das regelmäßige Plätschern des Wassers drang an seine Ohren. Plötzlich sah er es: Etwas Großes stieß durch die Wasseroberfläche und bewegte sich auf eine ufernahe Felsformation im Wasser zu. Instinktiv ging René im Ufergestrüpp in Deckung und starrte auf den Umriss im See: Ein Reptilienkörper, Flügel und glänzende Schuppen, die das Mondlicht reflektierten. Nur langsam fand die Erkenntnis ihren Weg in sein Gehirn: Er starrte gerade einen Drachen an, einen leibhaftigen Drachen. Mit seiner Geschichte, die Varini eigentlich nur aus der Reserve locken sollte, schien er der Wahrheit näher gekommen zu sein, als es sich René jemals hätte träumen lassen. Zutiefst fasziniert genoss er diesen unglaublichen Anblick. Die Versuchung war groß, zurück zum Wagen zu laufen, um die Kamera zu holen. Aber er wusste, dass er auf diese Weise die Bestie vertreiben würde. Er musste sich an ihre Fersen heften, um ihren Unterschlupf zu finden. Und wenn sie wirklich von diesem Varini versteckt gehalten würde, das wäre wirklich die Sensation. Einige Fotos von diesem Untier – er könnte sie an Zeitungen und Zeitschriften in aller Herren Länder verkaufen, Fernsehsender aus der ganzen Welt würden sich um das Material reißen. Vielleicht gab es ja sogar noch mehr Möglichkeiten, einen Drachen zu vermarkten. Auf alle Fälle konnte er nun eine Menge Geld damit verdienen und zudem noch berühmt werden.

René beobachtete, wie sich der Drache in die Lüfte schwang und spurtete zurück zu seinem Auto. Er wollte ihm auf seinem Weg zu seinem Zufluchtsort in den Bergen folgen. Es war nicht leicht für den Reporter, durch die Nacht zu fahren und gleichzeitig dabei den Drachen zu beobachten. Aber schon bald zeichnete sich das Ziel des Drachen ab und tatsächlich, knapp zwanzig Minuten später näherte er sich Antonellos Hof.
Also gut, Freundchen! Ich hab’s Dir gesagt, dass ich wiederkomme und ich werde wiederkommen. Jetzt hab ich Dich!

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 14.August.2007, 17:58:58
***

Blazestorm seufzte und schloss für einen Augenblick seine Augen. Vor der Landung auf dem Hof vergewisserte er sich noch, dass sein Verfolger seine Spur nicht verloren hatte. Danach brauchte er nur mehr geduldig abzuwarten; Menschen verhielten sich seit ehedem so vorhersehbar...
René wendete und parkte sein Auto einen guten Kilometer vom Hof entfernt. Er nahm seine Infrarotkamera, damit später kein verräterisches Blitzlicht den Bauern wecken würde. Langsam bewegte er sich auf das Anwesen zu. Er überkletterte ein paar Zäune und schlich sich vorsichtig zu dem großen Gebäude, das der Stall sein musste. Er nutzte jeden Schatten zur Deckung, um im hellen Mondlicht nicht entdeckt zu werden.
 
Der junge Mann schnappte nach Luft, als er plötzlich auf dem erdigen Boden etwas entdeckte. Es waren Fußabdrücke, sehr große noch dazu, und ohne Zweifel stammten sie von einem Reptil...
Er kniete nieder und schoss einige Fotos von dieser Spur. Anschließend hastete er zu dem Stall. Er war davon überzeugt, darin dieses Untier vorzufinden und schon bald würde er die Fotos seines Lebens bekommen.

Als an seine empfindlichen Ohren das gedämpfte Geräusch von menschlichen Schritten drang, musste Blazestorm sich regelrecht zwingen, seine Augen geschlossen zu halten. Er konnte es sich bildhaft vorstellen, wie der Mensch versuchte, jeden Laut zu vermeiden und mit den nächtlichen Schatten zu verschmelzen, um nicht gesehen zu werden. Allerdings wusste der Mensch mit Sicherheit nichts über die schier unglaublich ausgeprägten Sinne eines Drachens: Mit seinen empfindlichen Nüstern hatte Blazestorm den Menschen bereits gewittert, als dieser sich immer noch am Zaun befand. Seinem Gehör würde nicht einmal eine Maus, die einen Kilometer entfernt durch eine Wiese huschte, entgehen und seine Sicht war bei Nacht um keinen Deut schwächer als bei Tageslicht. Schließlich öffnete sich langsam und vorsichtig die Stalltür. Blazestorm hatte sich zuvor vergewissert, dass er das Tor hinter sich nicht ganz geschlossen hatte, da Antonello um keinen Preis etwa durch ein quietschendes Scharnier geweckt werden durfte.

Leise schwang das hölzerne Tor auf und sofort stieg René jener eigentümliche Geruch in die Nase, der scharfe Raubtierdunst gemischt mit dem Duft von Leder und nassem Eisen. Ihm bot sich der wohl beeindruckendste Anblick seines Lebens: Wie eine Skulptur lag genau in der Mitte des Raumes der Drache, mystisch beleuchtet von dem durch das kleine Fenster fallenden Mondlicht.

René kostete es all seine Willensstärke, dem Drang zu widerstehen, seine Hand nach einer Flanke des Drachens auszustrecken und das Tier zu streicheln. Er konnte es nicht verleugnen: Der junge Mann war ein Drachennarr und sein sehnlichster Wunsch, einmal einem leibhaftigen Drachen zu begegnen, hatte sich in dieser Nacht erfüllt. Ein Hauch von Eifersucht schlich sich in Renés Herz. Weshalb hatte das Schicksal diesem Varini den Drachen geschenkt und nicht ihm?
Schließlich gewann jedoch seine kühle Professionalität wieder Oberhand und er machte einige Fotos von dem Tier, das offensichtlich schlief wie ein Stein.
René hatte etliche Bücher über Fabelwesen gelesen und er wusste eine Menge über Drachen, dennoch entging ihm, dass sich dieser Drache nur schlafend stellte. Kein Drache hätte es einem ihm unbekannten Menschen gestattet, ihm so nahe zu kommen, wie es der Reporter jetzt war. Aber Blazestorm wollte, dass René seine Bilder bekam, schließlich brauchte der Drache die Hilfe dieses Menschen, um seine eigenen Pläne zu verwirklichen.
Nach getaner Arbeit zog sich René leise zurück. Jetzt brauchte er nur noch eine gute Story dazu zu schreiben; sein Chef würde mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein.
René hatte auf der Fahrt zurück zum Hotel bereits den fertig geschriebenen Artikel im Kopf. Als er sein Auto in der Garage parkte, fiel ihm auch schon eine passende Schlagzeile ein.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 14.August.2007, 18:00:18
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„An was denkst Du, mein Freund?“ fragte der Drache und ummantelte liebevoll seinen Freund mit seinen Flügeln. Es war ein lauer Herbstabend und sie genossen gemeinsam das leuchtende Farbenspiel, das der Sonnenuntergang auf die umliegenden Bergspitzen zauberte. „Seit jenem Tag, an dem Dich dieser Reporter besuchte, bist Du so schweigsam. Das ist jetzt fast zwei Wochen her - nach der Zeitrechnung von Euch Menschen.“
„Ich krieg diesen verdammten Perrier einfach nicht aus meinem Schädel. Er schien sich seiner Sache so sicher. Als ob er Lunte gerochen hätte. Am Ende hat er es doch schon irgendwie rausgefunden, dass hier ein Drache lebt.“
„Schhhhhh“, zischte Blazestorm leise.
„Du solltest Dir wirklich nicht so viel den Kopf darüber zerbrechen, Antonello.“
„Also, manchmal versteh ich Dich echt nicht!“ fuhr Antonello auf.
„Schließlich bist Du derjenige gewesen, der so Panik geschoben hat wegen dem Kerl! Erinnerst Du Dich? Ich flehe Dich an! Bitte verrate ihm nichts von meiner Anwesenheit hier. Du hast mir mal erzählt, was sie mit mir anstellen würden, wenn sich mich entdeckten. Bitte, Antonello, ich habe Angst zu sterben, das waren doch Deine Worte. Und jetzt tust Du das Ganze geradezu als irgendeine Spielerei ab.“
 „Aber, es ist tatsächlich eine Art Spiel, mein Freund!“
„Was? Wohl übergeschnappt!? Hat Dir die Sonne Dein Reptilienhirn eingetrocknet? Das hier betrachtest Du als Spiel? Also, für mich ist das hier bitterer Ernst. Wenn sie Dich entdecken, bin ich nämlich auch fällig. Wenn Du unbedingt in einem Tierversuchslabor verrecken willst – bitte sehr. Dann verpiss Dich! Ach, Menno, warum bist Du jemals hier in unsere Dimension gekommen? Warum bist Du mir über den Weg gelaufen? Ich wünschte, ich hätte Dich nie getroffen!“
Antonello sprang auf und hastete ohne einen Blick zurück auf das Haus zu. Der Drache seufzte. Ein paar Äußerungen seines Freundes hatten ihn wirklich verletzt, aber er konnte den Menschen nur allzu gut verstehen. Wie erwartet hatte sein Erscheinen Antonellos Leben total verändert. Das dumme Gerede der Leute im Tal, das Interview, das alles brachte das Fass für Antonello zum Überlaufen. Blazestorm wurde langsam klar, dass Antonello noch einsamer geworden ist, als er es vor der Ankunft des Drachens ohnehin schon gewesen war. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie so enge Freunde geworden waren, Seelengefährten sozusagen. Blazestorm folgte Antonello und legte sanft seine gewaltige Pranke auf Antonellos Schulter.
„Beruhige Dich, mein Freund“, er stupste ihn sanft mit der Schnauze an.
„Ich kann Deinen Kummer nachempfinden. Komm, lass uns miteinander vernünftig reden.“
Der Drache zog Antonello zu sich heran. Schließlich ging der Mensch ein wenig widerwillig mit ihm zurück zum Stall. Sobald sie drinnen waren, drückte ihn der Drache fest an seine schuppige Brust.
„Du wirst sehen, mein Freund: Alles wird gut, für uns beide. Vertrau’ mir einfach. Glaub mir.“
Der Drache streichelte mit seinen Tatzen den Rücken seines Freundes und alleine durch Blazestorms weiche Stimme, seinen warmen Atem und seine Berührungen fühlte sich Antonello bald um einiges besser. Blazestorm hatte auch schon ein paar Ideen, wie er seinem Freund den Rest des Abends und die Nacht ein wenig verschönern konnte...

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 14.August.2007, 18:02:13
Es war Sonntag, der einzige Tag in der Woche, an dem Antonello gewöhnlich erst um sechs Uhr aufstand und nicht wie sonst um halb fünf.
Aber es war nicht sein Wecker, der ihn aus dem Schlaf klingelte, sondern das Telefon. „Dreiviertel sechs. Welcher Penner ruft mich um diese Zeit an. Es ist Sonntag“, knurrte er und schlurfte gähnend zum Telefon.
„Jahh, bitte?“
„Hör zu, Du “, die Stimme am anderen Ende war verzerrt und klang blechern.
„Ich bring Dich um. Im Namen des Herren sollst Du brennen, Satan!“
„Hallo? Was zum ...“, aber der Anrufer hatte bereits wieder aufgelegt.
Antonello schüttelte den Kopf.
„So ein Depp“, er zuckte mit den Schultern und wollte gerade zurück ins Bett, als erneut das Telefon läutete.
„Hallo?“
Diesmal war eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung zu hören: „Herr Varini? Im Namen der Kirche der Heiligen Jungfrau Maria lade ich Sie ein, dass Sie zu uns kommen zum gemeinsamen Gebet. Noch können Sie erlöst werden von diesem unseligen Dämon, der Sie heimgesucht hat.“
„Entschuldigen Sie bitte, ich verstehe nicht ga...“
Wiederum wurde am anderen Ende einfach eingehängt.

Das Geräusch berstenden Glases ließ Antonello erschrocken zusammen zucken. Ein Ziegelstein mit einer daran befestigten Nachricht hatte das große Wohnzimmerfenster zerschmettert:
Teufelsanbeter! Komm sofort raus mit Deinem Biest oder Dein Hof brennt!
Antonello spähte aus dem Fenster und war entsetzt. Draußen standen dutzende Leute, bewaffnet mit Gewehren, Knüppeln, Stöcken und anderen Utensilien, offensichtlich entschlossen, das Haus zu stürmen.
„Tod dem Drachen!“
„Varini steht mit dem Teufel im Bunde!“
„Schnappt ihn, Leute, ansonsten sind wir alle miteinander verloren!“
„Erschlagt den Drachen und verbrennt Varini!“
Das waren noch die harmloseren Parolen, die zu hören waren.
Einige der älteren Leute bekreuzigten sich, als er an das zerbrochene Fenster trat.
Das erste Mal in seinem Leben hatte Antonello Angst. Er fürchtete um sein Leben, als er sich langsam zurückzog und das Haus durch den Hintereingang verließ.

„Wer sind denn die?“ fragte Blazestorm neugierig.
Sein Schwanz peitschte vor und zurück.
„Ich könnte sie ein bisschen rösten.“
„Bloß nicht! Das wäre, glaube ich,  keine so gute Idee“, gab Antonello zurück.
Er hatte es irgendwie fertiggebracht in die Scheune zu kommen, ohne sich vom Mob draußen sehen zu lassen. In der Gegenwart des Drachens fühlte er sich viel besser.
„Sie sind Deinetwegen da!“
Antonellos Stimme wurde durch sein Schluchzen gedämpft.
„Sie haben  von Deiner Existenz Wind bekommen und jetzt wollen sie Dich umbringen.“
„Warum müsst ihr Menschen immer versuchen, uns Drachen zu töten? Was haben wir euch getan?“
„Sie fürchten Dich... und in Deinem Fall, gut, muss ich Dich wirklich an den Ritter erinnern, den Du foltertest oder an das Flugzeug, das Du angegriffen hast, oder an die Soldaten die Du geröstet hast“, gab Antonello bitter zurück und bedauerte im gleichen Augenblick seine Bemerkung.
„Es tut mir Leid, mein Freund. Aber was sollen wir jetzt tun? Die versuchen jetzt doch glatt tatsächlich, uns anzugreifen. Ich hoffe, die Gendarmerie ist bald da.“
 
Antonello und Blazestorm warfen einen Blick hinaus auf drei zu Allem entschlossen wirkende Gestalten, die dabei waren, den gepflasterten Platz vor der Scheune zu betreten.
Der Drache begann zu knurren.
Sie sahen zu, wie das Trio das Tor öffnete.
Der Drache konnte sich nun nicht länger beherrschen.
Mit glühenden Augen trat er einen Schritt aus der Scheune heraus und die Leute draußen schrieen in Panik und Zorn auf.
„Da! Der Drache! Kommt. Los, lasst uns ihn hier und jetzt töten!“
Aber niemand wagte es, sich auch nur einen Fingerbreit zu bewegen.
Antonello schaute starr zu, als sein Freund tief einatmete, um sich für das Ausspeien seines tödlichen Atems vorzubereiten. Blazestorm wirkte immer bedrohlicher und seine Absicht war ziemlich offenkundig.
Die Männer zögerten, berieten sich mit einander, zogen sich zurück - nur, um mit einer Schusswaffe auf den Drachen zielend, zurückzukehren. Aber bevor der Mann in der Lage war, den Abzug zu ziehen, hörten sie alle mehrere Polizeisirenen, direkt vor dem Gutstor, jaulend ausklingen.
„Nun, die haben sich echt Zeit gelassen“, seufzte Antonello.
„Bitte, um unser beider Willen, bleib jetzt ruhig, Blazestorm. Und egal was passiert, ich liebe Dich, mein Freund.“
Der Drache atmete vorsichtig aus und erwiderte: „Ich liebe Dich auch, mein Mensch.“
 Er stupste den Menschen sanft mit der Schnauze an, als sechs Polizisten erschienen.

„Sie haben sich wirklich ganz schön Zeit gelassen zu kommen“, sagte Antonello sauer.
„Ich werde heimgesucht von...“
„Monsieur Varini?“ unterbrach ihn ein Polizist überheblich.
Antonello nickte.
„Ich habe hier einen auf Ihren Namen lautenden Haftbefehl. Illegales Halten eines gefährlichen Tieres und Begünstigung eines terroristischen Aktes. Nebenbei, das Halten dieses Dings“, er deutete auf den Drachen, „ist das Verbergen eines Staatsfeindes. Und das ist ebenfalls strafbar, Monsiuer!“
Antonello riss den Haftbefehl aus der Hand des Gesetzeshüters. Als die Beamten vortraten, gab Blazestorm ein warnendes Knurren von sich, kleine Funken sprühten aus den Nüstern des Drachens. Antonello überflog hastig das Dokument.
„Jesus! Das ist alles ein schrecklicher Irrtum! Lassen sie mich erklären...“

„Sie kommen jetzt erst mal mit uns, Monsieur Varini, und dann können Sie alles dem Haftrichter erzählen. Sie haben das Recht auf ein Telefonat mit einem Angehörigen oder Ihrem Anwalt.“
„Ja! Zerrt den Wichser vor Gericht, der steht mit dem Teufel im Bunde! Und erschießt diesen Drachen!“ schrie der Mob.
Drei Polizisten versuchten, die Leute unter Kontrolle zu bringen und drückten sie zurück.
„Meine Damen und Herren. Wir haben hier alles unter Kontrolle. Bitte gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts mehr zu sehen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit verlassen Sie unverzüglich diesen Ort.“
„Tötet den Drachen!“ schrie ein Mann.
„Wir wollen den Drachen sterben sehen, erst dann werden wir gehen“, fügte ein hysterisches Mädchen hinzu.
„Das ist Angelegenheit der Polizei und nicht die Ihre, bitte gehen Sie jetzt.“
Aber die Meute dachte nicht daran, den Schauplatz zu räumen.
„Ja, nieder mit dem Drachen - wir wollen seinen Kopf!“

Nur Blazestorms Ohren vernahmen in all diesem Lärm die schwachen Kinderstimmen:
„Nein! Bitte tut ihm nichts! Wir wollen den Drachen sehen.“
„Wow! Ein Drache!“
„Wie heißt er? Darf ich ihn streicheln?“
Aber die Kinder hatten keine Chance gegen die aufgebrachten Erwachsenen und auch die Polizisten konnten sie nun nicht mehr länger abdrängen.

Und dann fiel dieser eine Schuss.

Später gab es dazu verschiedene Meinungen.
Die einen waren davon überzeugt, dass einer der Polizisten einen Warnschuss in die Luft abgegeben hatte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, die anderen behaupteten, es wäre irgend jemand aus der Menge gewesen, der versucht hatte, den Drachen zu erschießen.

Wie auch immer, nach diesem einen Schuss geriet alles außer Kontrolle.
„Passt auf, der Drache!“
Das war das Letzte, was Antonello hörte.
Antonellos verzweifeltes „Neeeiiinnn!“ ging in einem ohrenbetäubende Brüllen unter.
Der Mann bemerkte kaum, dass die Polizisten auf ihn zielten. Um ihn herum gab es nur noch das Drachengebrüll und die Panik erfüllten Schreie dutzender Menschen. Einige Angstschreie verwandelten sich plötzlich in Schmerzens- und Todesschreie. Blazestorm verschwendete keine Energie damit, die Leute mit seinem höllischen Feueratem zu vernichten. Er spielte lapidar mit ihnen, sie dabei mit seinem peitschenden Schwanz und seinen Klauen niedermetzelnd.

Nach einigen Augenblicken war es auch schon wieder vorbei: Die Menschen flüchteten wie eine Rinderherde von Antonellos Hof, nur drei Leute blieben zurück, zwei von ihnen als zerfetzte Leichen in einer Pfütze aus dunklem Blut.

„Oh mein Gott! Du hast sie umgebracht! Verdammt! Du hast sie alle umgebracht!“ schrie Antonello, bevor er weinend und schluchzend zusammenbrach.
Immer noch am ganzen Leib zitternd trat Blazestorm langsam zu seinem Freund und blickte auf ihn herab. Er wollte seine Flügel um den Mann legen, aber er wurde brüsk zurückgestoßen.
„Du hast mein ganzes Leben ruiniert. Das Leben dieser Männer hier und das ihrer Familien. Die Leute haben Recht. Drachen sind böse Kreaturen des Teufels. Wir sehen uns dann in der Hölle!“
Antonello schnappte sich eine herumliegende automatische Handfeuerwaffe und wollte gerade abdrücken, als er einen festen Griff auf seiner Schulter verspürte.
„Varini! Nein! Hören Sie auf! Beruhigen Sie sich. Es ist vorbei!“

Antonello erkannte die eindringliche, aber doch zugleich auch besänftigende Stimme.
„Perrier!“
Er wandte sich zu dem jungen Reporter um und funkelte ihn zornig an.
„Sie verdammtes Schwein! Sie wagen es... Sehen Sie nur, was Sie mit Ihrem verdammten Artikel angerichtet haben. Sind Sie nun zufrieden? Jetzt haben Sie ja endlich Ihre Schlagzeile, was?“
Der Landwirt versetzte dem anderen Mann einen Kinnhaken. Gleich darauf landete er einen Treffer mit der Faust direkt in Renés Magengegend. Dieser fiel in sich zusammen wie ein Sack Kartoffeln, aber Antonello war nicht mehr zu bremsen. Als er den nun hilflos am Boden liegenden Reporter mit Fußtritten traktieren wollte, schob sich der Drache zwischen ihn und René.
„Hör auf, er hat genug! Hör mich an, Mensch!“
Der Drachenblick hypnotisierte Antonello nahezu.
„Es tut mir Leid, was eben geschehen ist“, keuchte René.
„Na toll! Es tut ihm Leid! Hat man das gehört? Ihm tut es Leid!“ schrie Antonello hysterisch.
„Ruhig jetzt, Antonello.“
Obwohl der Drache mit ruhiger und sanfter Stimme sprach, spürte Antonello die darin liegende Autorität und er verstummte gehorsam.
„Dieser Mann hier ist gekommen, um Dir zu helfen. Um uns zu helfen.“
„Uns zu helfen? Guter Witz!“

„Doch, genau deshalb bin ich hergekommen“, stöhnte René und rieb sich sein Kinn, als er langsam aufstand.
„Sie? Und wie Sie uns geholfen haben! Schauen Sie sich doch mal um. Vielen, vielen Dank auch!“
Antonellos Stimme troff vor Hass und Bitterkeit.
„Würden Sie vielleicht so nett sein und mir eine Chance zur Rechtfertigung geben?“
René tat sein Bestes, ruhig zu bleiben.
„Abgesehen davon liegt es in Ihrem eigenen Interesse, dass Sie mich anhören, uns läuft nämlich die Zeit davon.“
„Er spricht die Wahrheit“, sagte der Drache leise zu Antonello.
„Er hat keine bösen Absichten, das kann ich in seinem Herzen lesen.“
„Ach so, ich verstehe, alles ganz harmlos, so wie damals bei dem Interview. Alles, was den interessiert, ist doch nur ein neuer Knüller für seine Zeitung!“
Antonello schaltete auf stur.
„Nein!“ rief René.
„Es geht um den Drachen!“
„Also gut. Erschlagen Sie ihn und behalten Sie seinen Kopf als Trophäe!“
„Sie sturer Bock! Haben Sie’s noch nicht kapiert? Ich will sein Leben retten... und dabei wohl oder auch noch Ihren Arsch.“

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 16.August.2007, 17:31:32
Antonello schenkte sich noch einmal nach und las den Zeitungsartikel über Blazestorm zu Ende.
„Sehen Sie, das ist alles. Ich habe mit keinem Wort den Drachen als Ungeheuer dargestellt. Ich schrieb nur über Drachen im Allgemeinen und dass auf Ihrem Hof möglicherweise ein Drache Unterschlupf gefunden hat. Und dass dieser Drache wahrscheinlich den Flugzeugabsturz verursacht hat“, sagte René, nachdem Antonello ihm die Zeitung zurückgegeben hatte.
„Das war aber genug für die Leute um auf die Barrikaden zu gehen. Und nun fürchten sie mich nicht nur, jetzt hassen sie mich auch. Sie hätten niemals diesen Artikel schreiben dürfen.“
„Ich weiß. Und es tut mich auch wirklich unsagbar Leid, aber jetzt ist es nun mal passiert.“ Nach einigen Augenblicken fuhr René fort: „Auch wenn Sie’s mir nicht glauben. Aber ich liebe Drachen. Seit meiner Kindheit träume ich von diesen edlen Geschöpfen. Ich hätte alles dafür gegeben, einmal nur ein solches Wesen mit meinen eigenen Augen zu sehen.“
„So, so. Dann schau mich nur ganz genau an“, knurrte der Drache freundlich und posierte prahlerisch vor René.

Sie saßen zusammen im Stall und berieten bei starkem Tee mit Rum und Keksen über die verworrene Situation.

„Mein Chef hat mich in diese Gegend geschickt. Bring mir eine Geschichte! Eine Gute, sagte er zu mir. Es sollte mein Karrieresprung werden. Als ich dann hierher kam und von dem Flugzeugabsturz hörte und diese Gerüchte über ein hier lebendes Ungeheuer aufschnappte... Naja, den Rest können Sie sich ja denken.“
Antonello nickte und seufzte resigniert.
Langsam erhob sich Blazestorm und schritt auf René zu. Nachdenklich betrachtete er den Menschen und legte schließlich behutsam seine riesige Tatze auf die Schultern des Mannes. René gab kaum einen Mucks von sich, als sich die Drachenkrallen kurz schmerzhaft in sein Fleisch gruben.
„Das ist eine kleine Lektion für Dich. In Zukunft bedenke alle Konsequenzen, bevor Du handelst. Beherzige das, dann können wir Freunde werden“, knurrte der Drache.
Der Reporter nickte und blickte zu Antonello.
„Ihr beide müsst hier so schnell wie möglich weg. Man wird sicherlich schon sehr bald wiederkommen, höchstwahrscheinlich mit dem Heer.“

„Mag sein, aber, wo sollen wir hin? Sie werden uns jagen, egal wo wir uns aufhalten und schließlich auch finden. Und was ist dann? Abgesehen davon kann ich nicht so einfach abhauen! Was wird aus meinem Hof?“
„Aber Ihr müsst von hier verschwinden! Machen Sie sich keine Gedanken um ihren Hof. Da wird sich sicherlich eine Lösung finden. Aber Ihr müsst gehen, und zwar sofort.“
„Und was schlagen Sie vor? Wo soll ich mit einem Drachen hin?“
„Dorthin zurück, von wo der Drache hergekommen ist.“
Die eingetretene Stille nach dieser Aussage war geradezu greifbar.
„Zurück? Was meinen Sie damit?“ fragte Antonello stirnrunzelnd.
„Zurück in meine Zeit“, sagte der Drache an Renés Stelle.
Antonello schaute den Drachen an.
„Du möchtest gehen, nicht wahr?“
Blazestorm antwortete nicht auf diese Frage, er erwiderte nur Antonellos Blick.
„Ich verstehe“, schluckte Antonello.
„Ich hätte es mir eigentlich denken können. Aber wie sollen wir Dich zurück in Deine Zeit bringen?“
Antonello konnte kaum noch seine Tränen zurückhalten. Er hatte immer den Zeitpunkt gefürchtet, an dem Blazestorm ihm mitteilen würde, dass er zurück in seine Welt wolle, zurück ins sogenannte Mittelalter. Er hatte damit gerechnet, aber nicht jetzt, nicht in dieser Situation. Der Drache konnte ihn doch unmöglich in diesem Chaos alleine lassen.
Blazestorm stupste seinen Freund sanft mit der Nase an.
„Nicht mich, Freund Antonello. Uns.“
Antonello schluckte.
„Du meinst, Du meinst, ich soll mit Dir mitkommen?“
Der Drache nickte.

„Aehm, Ihr zwei Turteltäubchen. Ich unterbreche Euer Gesäusel nur ungern, aber wir haben noch einige kleine, aber doch bedeutsame Details zu besprechen“, unterbrach sie René. „Wissen Sie, Herr Varini, wir haben da noch ein kleines Problem.“
„Was für eins?“
„Also, wir wissen weder, wie der Drache in unsere Dimension gekommen ist, noch wissen wir, wie wir Euch in die seine zurückbringen sollen.“
Antonello seufzte.
„Stimmt, das habe ich ganz verdrängt, sorry. Und was jetzt?“
„Jetzt?“
René lächelte grimmig.
„Jetzt ist es an mir, einen Lösungsansatz zu finden. Das muss ich ohnehin, weil mein Chef von mir eine Fortsetzung meines Artikels will. Darin soll ich erläutern, wie der Drache in die gegenwärtige Eidgenossenschaft gekommen ist. Ich werde also die notwendigen Nachforschungen anstellen. Aber das kostet Zeit. Viel Zeit, und ich fürchte, die haben wir nicht.“
„Und was sollen Blazestorm und ich in der Zwischenzeit tun? Warten, bis hier ein paar Soldaten auftauchen und den Drachen erschlagen?“
„Wie ich schon sagte, Herr Varini. Ihr müsst schleunigst weg von hier. Ich wüsste einen sicheren Ort, ungefähr zweihundertfünfzig Kilometer von hier entfernt. Meiner Frau gehört eine hübsche Villa am Bodensee. Sie werden dort bleiben, bis ich Sie anrufe.“
René drückte Antonello ein Handy in die Hand.
„Hier, meine Geschäftsnummer ist eingespeichert; im Notfall können Sie mich so erreichen. Und hier, meine Autoschlüssel. Sie nehmen besser meins, weil sie sicherlich schon überall Straßensperren errichtet haben und nach Ihrem Fahrzeug Ausschau halten.“

René faltete eine Landkarte auf und beschrieb den Weg. Er deutete auf Blazestorm.
„Findest Du den Weg? Du wirst hoch über den Wolken fliegen müssen.“
Der Drache nickte, stupste den Reporter freundschaftlich mit der Nase an und leckte Antonello zum Abschied über das Gesicht.
„So sei es denn“, seufzte er.
„Wir sehen uns dann später, Freund Antonello. Und Dir -“, er zeigte auf René „- sei unser Dank gewiss. Wir werden dort auf Dich warten.“


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 16.August.2007, 17:32:15
***

„Ha! Ich hab’s!“ rief René aus. Er hatte tagelang in verschiedenen Bibliotheken in Genf, Zürich und Bern zahllose Archive und Mikrofiches durchforstet,  aber erst im deutschsprachigen Ausland wurde er fündig. Im bayerischen Staatsarchiv in München fand er endlich eine halbwegs rationale Erklärung für das Erscheinen des Drachens. Was er jetzt noch brauchte, war ein Beweis für seine Theorie.
Erneut las er die Schlagzeile des großen deutschen Boulevardblattes vom Mai 1995:
EuroCity 616 München - Brig verschollen
Der Artikel irritierte ihn.
Obwohl der Zug offenbar im Lötschberg-Tunnel, der direkten Verbindung des Berner Oberlandes mit dem Kanton Wallis, verschwunden war, hatten die Schweizer Medien damals nicht über diesen Vorfall berichtet. Zwar kursierten vor einigen Jahren etliche Gerüchte über seltsame Vorgänge während der Tunnelbauarbeiten am Lötschberg, aber ihm war niemals zu Ohren gekommen, dass dort tatsächlich ganze Züge verschwinden würden. In diesem Zeitungsartikel stand es jedoch schwarz auf weiß: Der Zug mit der Nummer 616 war in den Tunnel eingefahren, war aber auf der Walliser Seite nicht mehr aufgetaucht. Damit aber nicht genug, dieser Artikel berichtete auch über zwei weitere Züge (einer davon war zum Glück nur ein Güterzug), die ebenfalls auf ihrem Weg nach Brig verschwunden waren. Ein anderer Zeitungsartikel, der einige Monate später erschien, setzte dem Ganzen die Krone auf: Man hatte den EuroCity 616 im Berg wieder gefunden, allerdings waren die Umstände mehr als bizarr. Den Bergungsteams hatte sich ein absurder und grausamer Anblick angeboten. Alle Fahrgäste einschließlich des Zugpersonals waren tot, jedoch gab es keinerlei Anzeichen für irgendeine Einwirkung von außen. Es gab weder Anhaltspunkte für einen Brand oder einen anderen Unfall, noch irgendwelche Indizien für einen Terroranschlag. Die gefundenen Leichen waren mumifiziert und es hatte den Anschein, dass die Menschen in kürzester Zeit um Jahrzehnte gealtert waren. Der Zug selbst sah aus, als habe er für Jahrhunderte in dem Berg gestanden: Rostig und vom Zahn der Zeit zerstört. Etwas Schreckliches jenseits jeder Vorstellungskraft war geschehen und offensichtlich sahen die Schweizer Behörden darin ein so großes Gefahrenpotential, dass man beschlossen hatte, zur Vermeidung von Panik die Bevölkerung uninformiert zu lassen.
Für diese Theorie sprach auch, dass dieses Deutsche Boulevardblatt das einzige Medium war, das über diesen Vorfall berichtet hatte. Also hatte man auch in Deutschland, und wohl auch in Österreich, versucht, in dieser Angelegenheit den Ball flach zu halten. Vor allem, gerade als Journalist hätte René diesbezüglich etwas zu Ohren kommen müssen…

Am Ende des Artikels stand der Name des Wissenschaftlers, der sich mit diesen mysteriösen Vorfällen rund um den Lötschberg eingehender beschäftigt hatte: Dr. Massikoff von der Berliner Universität, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Physik und auch der Metaphysik, zudem ein Experte im Bereich paranormaler Aktivitäten.

Für René stand sofort fest, dass er direkt mit Dr. Massikoff sprechen musste, wollte er Antonello und dem Drachen helfen. Auf diese Weise hätte er auch gleich einen wissenschaftlichen Hintergrund für seine eigene Story.


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 16.August.2007, 17:32:53
***

„Mein Mann hat mich gerade angerufen, Herr Varini. Er war ziemlich gut aufgelegt, morgen Abend kommt er her“, informierte Claudine Perrier Antonello.
Antonello nickte.
„Sehr schön“, sagte er zu Frau Perrier.
„Ich frage mich schon die ganze Zeit, wann sie Blazestorm und mich entdecken. Es grenzt doch an ein Wunder, fast zwei Wochen lang unentdeckt zu bleiben, wenn die ganze Schweizer Armee und Gendarmerie einem Drachen auf den Fersen ist.“
„Ach, die finden Euch hier bestimmt nicht“, lächelte Claudine.
Tatsächlich war die Villa, eigentlich schon ein kleines Schlösschen, so abgelegen, dass selten jemand dort vorbeikam. Abgesehen davon, wer würde schon einem gemeingefährlichen Drachen Unterschlupf gewähren?

Gottlob hatte Renés Frau keinerlei Einwände gehabt, als ihr Mann vorgeschlagen hatte, die Villa, die sie normalerweise nur in der Ferienzeit bewohnten, als Drachenversteck zu nutzen. Im Gegenteil, sie brannte darauf, einen echten Drachen zu sehen.
„Wissen Sie was, ich glaube, vor allem Jacqueline wird traurig sein, wenn Sie beide uns wieder verlassen. Der Drache und meine Tochter sind ein Herz und eine Seele geworden“, sagte Claudine.
Antonello sah Blazestorm und Jacqueline spielerisch miteinander raufen.
Die Reaktion dieses zehnjährigen Mädchens auf die Ankunft des Drachens was faszinierend. Anders als so viele andere Leute sah sie in Blazestorm kein gefährliches Ungeheuer, sondern nur ein großes Tier, das vielleicht ein neuer Spielgefährte sein könnte. Blazestorm hingegen betrachtete sie als ein Junges, um das er sich kümmern und beschützen musste. So wurden sie sehr bald dicke Freunde und Antonello und auch Claudine genossen es, Jacqueline und Blazestorm spielen und herumtoben zu sehen. Beide Erwachsenen waren beeindruckt und fasziniert davon, wie behutsam und vorsichtig der riesige Drache im Umgang mit dem Kind war. Blazestorm ließ es sogar zu, dass Jacqueline ihn als ihr Reittier benutzte und nur ein einziges Mal knurrte er sie warnend an: Sie hatte angefangen, auf seinem Rücken zu tanzen.
„Mir wird er auch fehlen“, seufzte Antonello.
Claudine hob eine Augenbraue.
„Ich dachte, Sie gehen mit ihm?“
„Ihm in seine eigene Welt folgen? Nein, Madame Perrier. Ich habe schon die ganze Zeit darüber nachgedacht. Ich kann’s nicht. Ich kann einfach nicht mein Leben hier aufgeben. Ich bin nun mal ein Mann der Gegenwart. Was sollte ich außerdem im Mittelalter tun? Nein, ich bleibe besser hier bei meinen Tieren.“
„Aber man wird Sie verhaften?“
„Von mir aus nehmen die mich fest. Aber was soll mir schon groß passieren? Wenn sie keinen Drachen finden, können sie mir nichts anhängen.“
„Sie vergessen die toten Polizisten.“
„Das war ein Unfall.“
Claudine wollte nicht mit ihm streiten; es war schließlich Antonellos Leben, es war seine eigene Entscheidung.
Vielleicht trifft ja der Drache die richtige Entscheidung für ihn, schoss es ihr durch den Kopf, als ihr Blick wieder auf Blazestorm fiel, der nun das Mädchen zwischen seinen Vorderpfoten hielt und ihr sanft das Gesicht leckte.

***

[Fortsetzung folgt]


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 17.August.2007, 20:09:58
***

„...Und genau das ist dem Zug passiert, als er in den Tunnel hinein fuhr. Dr. Massikoff hat in diesem Zusammenhang von einer Brücke gesprochen, aber Albert Einstein, der dieses Phänomen entdeckt hatte, nannte es Das parallele Raum-Zeit-Kontinuum.
„Aber ich verstehe immer noch nicht, was das alles mit unserem Problem zu tun haben soll“, gab Antonello zurück.

René, seine Frau, Antonello und Blazestorm saßen zusammen in dem sehr geräumigen Wohnzimmer (im Gegensatz zu Antonellos Haus bot die Villa genug Platz, sogar für den Drachen) bei der mittlerweile dritten Flasche Rotwein und diskutierten über das, was René bei seinen Nachforschungen in München und Berlin herausgefunden hatte.

„Aber das ist ganz simpel: Die Züge sind nicht wirklich verschwunden. Sie gelangten nur in eine andere Zeit. Was immer auch Blazestorm in unsere Zeit geholt hat, hat auch die Züge in eine andere Zeit gebracht.“
„Schon, aber sie verschwanden vor einigen Jahren, Blazestorm kam jedoch gerade mal vor ein paar Monaten hierher. Und es war auch ganz woanders.“
„Freund Antonello, René versucht Dir zu erklären, dass der gleiche Zauber, der mich in Eure Welt brachte, diese... Züge in eine andere Welt geschickt hat“, brummte der Drache sanft.
Blazestorm verfolgte Renés Ausführungen mit größter Aufmerksamkeit. Er begann allmählich, den Reporter in sein Herz zu schließen.
Antonello war immer noch nicht überzeugt.
„Na schön, aber wir können nicht sicher sein, dass es wirklich so passiert ist. Es ist alles nur Spekulation. Da sind mehrere Züge auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Was macht Dich so sicher, dass sie jetzt irgendwo in einer anderen Zeit oder Dimension stehen, vielleicht gar im Mittelalter?“
„Nun, diese Züge sind nicht zwangsläufig ins Mittelalter geraten“, antwortete René.
„Wenn man dem glauben darf, was Dr. Massikoff gesagt hat, könnten sie jetzt genauso gut irgendwo in der Zukunft sein - oder in einem anderen Sonnensystem. Die einzige Erklärung für dieses Phänomen ist Einsteins Theorie.“
„Aber es gibt keinerlei Beweise dafür!“ rief Antonello.
„Sie haben diesen einen Zug vergessen, den man gefunden hat. Wo sowohl der Zug als auch seine Fahrgäste mit einem Schlag gealtert waren“, warf Claudine ein.
„Stimmt“, pflichtete René seiner Frau bei.
„Das ist in der Tat der einzige akzeptable Beweis für diese Theorie. Unsere Aufgabe ist es nun, so eine Brücke zu finden und Euch zwei da hinüber zu schicken. Danach seid Ihr dann auf Euch selbst gestellt.“
„Aber wo können wir so eine Brücke finden?“
„Das weiß ich nicht“, gab René zu.
„Dr. Massikoff war der Ansicht, dass diese parallelen Raum-Zeit-Kontinua ziemlich beständig sind. Unsere einzige Chance ist, dass diese Brücke oder dieser Übergang, der uns unseren schuppigen Freund brachte, immer noch passierbar ist.“

„Nicht gerade ermutigend, oder?“ lamentierte Antonello.
„Ssschhhh, mein Freund, Du wirst sehen, alles wird sich für uns zum Guten wenden. Sei doch nicht immer so negativ eingestellt, Freund Antonello.“
Der Drache stupste seinen Freund sanft mit der Schnauze an.
Dann hob Blazestorm seinen Kopf und nickte erst Claudine und dann ihrem Mann zu: „Mein Freund und ich sind sehr dankbar für das, was Ihr für uns tut. Vor allem ich stehe tief in Eurer Schuld.“
„Drache, bitte warte damit dankbar zu sein, bis Du wirklich zurück im Mittelalter bist. Wir sind noch lange nicht am Ziel“, antwortete René.
„Trotz allem bin ich überzeugt, dass sich alles zum Guten wenden wird.“
Blazestorms Schwanz klopfte bekräftigend auf den Boden.

„Bleibst Du nicht bei mir, Blazy?“ schluchzte das kleine Mädchen.
Von den Erwachsenen unbemerkt war Jacqueline ins Wohnzimmer gekommen.
„Liebling! Du solltest doch längst schlafen!“, Claudine erhob sich.
„Bitte lassen Sie mich, Lady Perrier“, warf Blazestorm ein.
Der Drache blickte zärtlich auf das Mädchen. „Komm her zu mir, kleine Schwester“, grollte Blazestorm sanft.
Als Jacqueline in seine Reichweite kam, packte er sie ganz behutsam und hob sie hoch.
„Na, na, meine Kleine. Du brauchst doch nicht zu weinen. Du musst wissen, ich werde Dich niemals verlassen. Du wirst immer in meinem Herzen sein und solange Du an uns Drachen glaubst, werde ich immer in Deiner Nähe sein. Hast Du wirklich geglaubt, dass ich Dich alleine lassen werde, mein Liebling?“
Blazestorm leckte liebevoll ihr Gesicht.
„Schließlich bist Du meine Königin, hast Du das vergessen? Und jetzt, Eure Majestät, solltet Ihr wahrlich schlafen gehen.“
Blazestorm warf einen Blick auf Jacquelines Mutter und als diese zustimmend nickte, verließ er mit dem Mädchen in seinen riesigen Tatzen den Raum.
„Was hältst Du von einer kleinen Gute-Nacht-Geschichte oder einem kleinen Lied vor dem Schlafen, meine kleine Königin? Ich kenne ein sehr schönes, das hatte immer mein Vater für mich und meine Geschwister gesungen.“
Der Drache brachte das Mädchen in ihr Zimmer und das Letzte, was die Erwachsenen im Wohnzimmer noch hörten, war  Jacquelines Antwort:
„Beides! Erst die Geschichte und dann das Lied.“

Erst nach einer knappen Stunde kehrte der Drache wieder zurück.
„Jetzt schläft sie aber wirklich“, grinste er.
„Schön“, sagte René schlicht.
„Zurück zu unserem Vorhaben. Wir haben nicht viel Zeit. Drache, erinnerst Du Dich vielleicht noch, wo genau Du in unserer Dimension aufgetaucht bist?“
René breitete vor ihm eine große Karte von der Gegend des Genfer Sees aus.
Blazestorm knurrte belustigt: „Mensch, ich erinnere mich an den Ort, aber ich kann ihn Dir nicht auf diesem Stück Papier zeigen. Wir Drachen brauchen keine Karten zu unserer Orientierung.“
„Aber wie und wo sollen wir den Übergang suchen, wenn Du mir den Ort nicht auf einer Karte zeigen kannst?“ fragte René ungeduldig.
„Ganz einfach, Du brauchst mir nur zu folgen. Du hast schon einmal Deine Fähigkeit unter Beweis gestellt, mit Deinem Auto einem fliegenden Drachen zu folgen“, gab Blazestorm zurück.
„Keine Panik, Freunde. Das ist wirklich unser kleinstes Problem. Ich kann mich noch genau an die Stelle erinnern, wo ich ihn das erste Mal traf. Und ich vermute, dass dort in der Nähe auch das Flugzeug explodierte“, sagte Antonello.
„Aber glaubst Du nicht, dass die Absturzstelle großräumig abgeriegelt ist und da überall Soldaten postiert sind? An deren Stelle würde ich doch zuerst an den Orten suchen, die dem Drachen irgendwie vertraut sind.“
„Deine Frau hat Recht“, nickte Blazestorm.
„Dort werden sicher Menschen sein, die nur darauf warten, dass ich auftauche. Diese verdammten edlen Ritter. Drachentöter, das ist es, was sie in Wirklichkeit sind.“
„Soldaten“, verbesserte Antonello.
„Es gibt schon lange keine Ritter mehr. Wir haben jetzt Soldaten.“
„Ist doch egal, ob Ritter oder Soldaten“, warf René ein.
„Diese Kerle sind der Hauptrund, weshalb wir nicht noch mehr Zeit verplempern dürfen. Wir sollten uns schleunigst auf die Socken machen!“
„Ja, Schatz, ich denke auch, Ihr solltet nun los. Abgesehen davon wird es wohl besser für Jacqueline sein, wenn sie nicht mitbekommt, dass der Drache uns verlässt. Es wird leichter für sie sein, wenn sie morgen aufwacht und der Drache ist verschwunden.“
„Nun, Du könntest mit ihr morgen in den Zirkus gehen. Sie sagte mir vor einiger Zeit, dass sie die Clowns und die Elefanten sehen möchte.“
„Das ist die Idee. Danke, Lord Blazestorm. Das wird sie ablenken vom Trennungsschmerz.“
Blazestorm knurrte sanft und senkte seinen Kopf.
Zahnig grinsend schnaubte er: „Lady Perrier, wie oft habe ich Dir und Deinem schon Mann gesagt, dass ihr aufhören sollt, mich Lord zu nennen? Wir sind Freunde, bitte vergesst das nicht, wenn ich weg bin.“
„Wie sollte ich das jemals vergessen?“ sagte Claudine und wandte sich ab, damit niemand sehen konnte, wie ihre Augen feucht wurden.
„Tja dann“, seufzte Antonello.
„Ich glaube, nun heißt’s Abschied nehmen“.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 17.August.2007, 20:10:59
Bis zum Sonnenaufgang waren es noch knapp drei Stunden, als eine Gruppe Soldaten durch den Wald patrouillierte. „ Regen! Seit Wochen nur Regen, nichts als Regen. Leutnant, glauben Sie wirklich, dass jemand so bescheuert ist und bei diesem Sauwetter heute Nacht sein Haus verlässt?“
„Gefreiter! Schweigen Sie! Ansonsten gibt’s die nächsten vier Wochenenden Ausgangsverbot und täglichen Stubenappell.“
Der Zugführer, Leutnant Beck, blieb stehen.
„Das hier ist die Straße, wo unsere Zielperson den ersten Kontakt mit dem Drachen aufgenommen hatte. Diese Straße zweigt von der Hauptstraße am See ab und führt direkt zu Varinis Hof. Die Trümmer des abgestürzten Flugzeugs hat man in einem Umkreis von fünf Kilometern geborgen. Folglich muss der Eintrittspunkt des Drachens in unsere Zeit-Dimension hier in dieser Gegend liegen.“
Der Leutnant machte einen Schritt vorwärts und begann zu erklären: „Irgendwie hat es der Drache geschafft, in unsere Dimension einzutreten und wurde in diesem Augenblick mit dem zivilen Luftfahrzeug konfrontiert. Wie jedes andere Tier auch betrachtet der Drache das Flugzeug entweder als Bedrohung für sich selbst, als Beute oder als einen Rivalen. In der Absicht, sich und sein Territorium zu verteidigen, greift er den vermeintlichen Eindringling an. Zu spät bemerkt er, dass sein Opfer so ganz anders war als alles, was er bisher kannte und geriet in Panik. Das Biest läuft Amok und trifft schließlich auf den Landwirt Varini. Es grenzt an ein Wunder, dass unser Mann diesen ersten Kontakt mit dem Feind überlebt hat und es ist ein noch viel größeres Wunder, dass sich dieser Mann mit dem Biest angefreundet hat und es wochenlang unentdeckt als Haustier halten konnte. Die Menschen unten im Tal halten Varini für einen Zauberer oder gar für den Leibhaftigen, genau wie diesen Drachen. Das ist natürlich Schwachsinn. Aber ich möchte unbedingt herausfinden, wie Varini dieses Kunststück gelungen ist...“
Nach einer Weile, fuhr er fort: „Meine Herren! Denken Sie daran! Egal was auch passiert. Der Drache muss unter allen Umständen lebend gefangen werden. Varini sollte ebenfalls lebend ergriffen werden, weil er uns mit nützlichen Informationen über das Biest versorgen kann. Und jetzt: Ausschwärmen. Halten Sie Ausschau nach dem Übergang!“

Ohne weitere Fragen zu stellen gehorchten die Soldaten. Sie waren für Aufgaben dieser Art bestens ausgebildet und in diesem Bereich sehr erfahren.
Bereits vor einigen Jahren untersuchte genau dieses Team unter der Leitung von Leutnant Beck jene eigenartigen Vorfälle um und im Lötschberg. Zusammen mit dem deutschen Wissenschaftler Dr. Massikoff entdeckten sie den Beweis für Albert Einsteins Theorie über Das parallele Raum-Zeit-Kontinuum, eine Brücke in eine andere Dimension von Zeit oder Raum. Aber jener Übergang war nur ein Teil ihrer Entdeckung. Die Wahrheit hinter den verschollenen Zügen war viel phantastischer und erschreckender als irgendjemand ahnte. Sogar der amerikanische CIA und auch das FBI waren an ihrer Enthüllung interessiert. Die Ereignisse um den Lötschberg wurden bald als die Bridge To Paradise-Akte bekannt.

Nun schien die Zeit reif für ein weiteres Kapitel dieser sogenannten Bridge To Paradise-Akte.
Nicht aber eines über Außerirdische, wie man sie sich gemeinhin vorstellt, kleine grüne Männchen mit Wasserköpfen aus einer weit entfernten Galaxis, sondern über Aliens, die uns so vertraut und bekannt sind, als hätten diese Wesen schon immer unter uns geweilt. Über Geschöpfe, wie man sie aus der Welt der Mythen und Sagen seit Urzeiten kennt: Über Engel, Greife, Einhörner und... Drachen. Über magische Fähigkeiten und Zauberkräfte.

***
[Fortsetzung folgt]


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 19.August.2007, 07:54:44
„Halt! Da ist der genaue Ort. Ich erinnere mich an den Anblick dieser drei Berggipfel. In diesem Bergmassiv begrub ich einst meine Geliebte Starbolt. Hier traf ich auch auf das Flugzeug, das ich damals fälschlicher Weise für einen Artgenossen gehalten hatte.“

Das Trio, zwei Männer und ein Drache, trafen beinahe gleichzeitig ein.
René hatte die gute Idee gehabt, den Drachen mit einem kleinen Sender auszustatten. Auf diese Weise konnten sie mit Blazestorm in Verbindung bleiben, während er hoch über den Wolken flog.

Nachdem der Drache die Gegend um Antonellos Hof ausgekundschaftet hatte, fuhren Antonello und René zu dem Anwesen, wo Blazestorm schon ungeduldig auf sie wartete.
„Ich nehme den Geruch von fremden Menschen wahr“, knurrte er, „aber sie sind jetzt fort. Der Hof ist bis auf das Vieh verlassen.“
Antonello warf einen besorgten Blick in den Stall und stellte erleichtert fest, dass jemand die Tiere versorgt hatte.
„Das war meine Schwester. Ich bat sie die Tiere zu füttern und die Ställe auszumisten. Sie hätte am liebsten selber einen Bauernhof“, erklärte René.
„Ist das nicht eigenartig?“ wunderte sich Antonello.
„Ich hatte zumindest ein paar Polizisten als Wache erwartet.“
„Jaah. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Ich glaube, die wollen uns in eine Falle locken“, stimmte René zu.
Der Drache schnaubte ein kleines Rauchwölkchen, wie er es immer tat, wenn er angespannt war.
Er knurrte: „Also, sie sind nicht hier, aber ich kann ihre Gegenwart spüren. Ich vermute, sie werden auf uns unweit der Stelle warten, wo ich in Eure Welt gekommen bin.“
„Höchst wahrscheinlich. Wir haben aber keine andere Wahl. Wir müssen diese Brücke finden, um Dich zurückzubringen“, sagte René.

Sie gingen gemeinsam die Straße entlang bis zu der Stelle, an der Antonello einst seinen Kleinlaster angehalten hatte, weil der Drache die Strasse blockierte.
Blazestorm blähte seine Nüstern.
„Menschen. Sie waren erst kürzlich hier. Wir müssen in der Tat sehr vorsichtig sein.“
„Drache, jetzt ist es an Dir, flieg los und versuche die Stelle zu finden, an der Du das Flugzeug angegriffen hast. Wenn Du sie gefunden hast, gib uns mit dem Sender Bescheid und lotse uns hin; wir werden uns einen Weg durch den Wald bahnen“, wies René Blazestorm an.


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 19.August.2007, 07:55:31
***

„Und was jetzt?“ fragte Antonello.
„Jetzt müssen wir Ausschau nach dem Übergang halten“, antwortete René.
„Leider habe ich keine Ahnung wie so was aussieht, ob es etwas Schimmerndes oder ein Loch in der Luft oder was anderes ist. Hast Du vielleicht eine Idee, Drache?“
Blazestorm gab keine Antwort. Seine Schnauze hoch in die Luft gereckt, starrte er in die Finsternis.
„Blazestorm?“
Der Drache reagierte nicht, Antonello aber konnte sehen, wie der Drache am ganzen Leib zitterte.
„Blazestorm, lieber Freund? Was ist los?“
Endlich schenkte der Drache seinen Freunden seine Aufmerksamkeit. „Ich bin mir nicht sicher. Ich fühle eine unbekannte Präsenz. Und nicht nur die Gegenwart fremder Menschen.“

Der Drache bewegte sich unsicher vorwärts, immer noch die Luft mit seinen Nüstern prüfend. Ganz langsam hob er seine Vorderpfote und zuckte gleich darauf zurück, als hätte er einen elektrischen Weidezaun berührt.
Vorsichtig kamen Antonello und René näher.
„Was ist los?“
„Da liegt etwas in der Luft. Ich kann Euch nicht sagen, was. Es fühlt sich auf meinen empfindlichen Schuppen so seltsam an. Ich kann es nicht beschreiben.“
Der Drache hob seine Tatze erneut.
„Hast Du schon mal dieses Gefühl gespürt?“ fragte René aufgeregt.
War das vielleicht schon die Brücke, nach der sie suchten? Das wäre fast schon zu einfach.
Der Drache deutete ein Kopfschütteln an.
„Nein, ich bedauere, Freund René. Ich entsinne mich nicht dieses Gefühls.“

Antonello war der erste von ihnen, der die Entdeckung machte: Wo die Tatze des Drachens in der Luft ruhte, war ein kleiner Punkt, kaum erkennbar, schwärzer als die regnerische Nacht und gerade stecknadelgroß. Dieser Punkt schien zu pulsieren.
„Blazestorm, bitte lass mich mal ran.“
Der Drache zog seine Tatze zurück und Antonello legte vorsichtig eine Fingerspitze auf die pulsierende Stelle. Er spürte ein Kribbeln, als ob tausende Ameisen seinen Arm hochkrabbeln würden und in seinem Mund hatte er plötzlich einen metallischen Geschmack. Seine Haare sträubten sich ein wenig, als sich die Luft elektrostatisch auflud.
„René, versuch’s Du mal“, flüsterte Antonello.

„Hast Du eine Erklärung dafür?“ fragte Antonello, als Renés Haare ebenfalls zu Berge standen.
René trat einen Schritt zurück.
„Hmmm, ich kann’s Dir auch nicht genau sagen. Da ist definitiv ein Energiefeld, ein ziemlich starkes sogar. Ich bin mir nicht sicher, aber nach Dr. Massikoffs Beschreibung könnte es durchaus diese Dimensionsbrücke sein, nach der wir suchen.“
„Ein bisschen klein für eine Brücke, findest Du nicht? Außerdem habe ich mir irgendwie ein richtiges Bauwerk darunter vorgestellt, so mit Pfeilern und so weiter.“
Antonello beäugte skeptisch die pulsierende Stelle.
„Ich behaupte mal, die Größe spielt keine Rolle, schaut her!“
René legte seine  Fingerspitze wieder auf diesen Punkt und drückte sanft dagegen. Ein knatterndes Geräusch begleitete einige blaue und weiße Funken, die René zurückspringen ließen. Die Funken verglühten, aber der Punkt schien ein wenig gewachsen zu sein. René machte einen zweiten Versuch, dieses Mal drückte er mit zwei Fingerspitzen dagegen. Erneut knatterte es, ein paar Funken mehr erfüllten die Luft und plötzlich fühlte René seine Finger in das Loch gleiten. Er hatte das Gefühl, mit seinem Finger in einem Wackelpudding zu stochern.

Mit einem Schrei zog er die Hand zurück und schnappte nach Luft.
„Oh Gott! Es ist der übergang! Jetzt ist mir auch klar, wie diese Züge im Lötschberg verschwunden sind: Also, da waren diese... Punkte im Tunnel, einer von ihnen hätte schon genügt. Als der erste Zug den Tunnel mit hoher Geschwindigkeit durchfuhr, passierte noch gar nichts, das heißt, nur der Punkt hat sich vergrößert. Auch der nächste Zug konnte problemlos durchfahren, aber irgendwann erreichte der Punkt eine kritische Größe und der nächste Zug... hmmm... fiel in das buchstäbliche schwarze Loch und ging irgendwo in Zeit und Raum verloren.“
„Aber was ist mit dem verrotteten Zug und den gealterten Leuten, die man gefunden hat?“ warf Antonello ein.
René zuckte mit den Schultern.
„Das kann ich mir auch nur so erklären, dass vielleicht der Zug mittels dieser Brücke irgendwo in die Vergangenheit geschleudert wurde. Doch genau an dieser Stelle, wo der Zug sozusagen aufschlug, war ein anderer Übergang, der den Zug wieder zurück in unsere Zeit schickte. Aber dieses Brücke hätte den Zug wohl genauso gut auch irgendwo anders hin katapultieren können.“

„Ich spüre die Nähe von Menschen“, knurrte Blazestorm warnend.
„Na schön, ich glaube, wir sollten Blazestorm und Dich jetzt schleunigst auf die andere Seite bringen.“
René brachte seine Hand zurück zu dem Punkt in der Luft.
„Ich werde es für euch öffnen. Jetzt heißt es wohl Abschied nehmen...“
„Wart’ mal! Wenn wir Deinen Gedankengang konsequent weiterdenken, René, wie können wir den Übergang hinter Blazestorm wieder schließen?“ unterbrach ihn Antonello.
René rieb sich nachdenklich die Schläfen.
„Gute Frage, nächste Frage. Aber mir wird dann schon was einfallen... Moment, was hast Du gerade gesagt? Ich dachte, Du und Blazestorm, Ihr würdet beide zusammen hinübergehen?“

Auch der Kopf des Drachens fuhr elektrisiert herum zu seinem Freund.
Blazestorm kniff seine Augen zusammen und sah ihn an: „Das dachte ich eigentlich auch, Freund Antonello.“
Antonello schluckte schwer und Tränen schossen ihm in die Augen.
„Es tut mir so leid, Freund Blazestorm. Ich liebe Dich mit ganzem Herzen und ich werde Dich unsagbar vermissen, aber ich kann einfach nicht mit Dir kommen. Wie ich vor einigen Tagen schon Claudine sagte, ich bin nun mal ein Mensch des Zwanzigsten Jahrhunderts. Abgesehen davon, was würde aus meinem Hof werden?“
„Ohne Dich, werde ich auch nicht gehen“, knurrte der Drache.
„Was soll ich dort alleine anfangen, ohne irgendeinen Freund? Außerdem würde man Dich hier sofort einsperren.“
„Na und?“ erwiderte Antonello und musste sich zusammenreißen, damit seine Stimme halbwegs fest klang.
„Dann stecken die mich eben ins Zuchthaus oder ins Narrenhaus. Nach ein paar Jahren würden sie mich ohnehin entlassen. Mach Dir da also keine Sorgen. Und nun lauf schon los, Du alte, dumme Eidechse!“
Blazestorm entblößte drohend sein Gebiss: „Was fällt Dir eigentlich an? Nun hör mir mal gut zu. Du wirst mit mir mitkommen, ich…“
„Mensch, Leute! Wir haben keine Zeit, das auszudiskutieren. Ihr müsst jetzt los, sie werden hier bald auftauchen, um uns aufzuhalten. Antonello, was Deinen Hof betrifft, meine Schwester übernimmt ihn gerne für Dich, mach Dir keine Gedanken deswegen. Und jetzt, ab mit Euch. Drückt einfach gegen diesen Punkt und dringt ein, der Drache zuerst“, drängte René.
„Ich werde Dich hier nicht zurücklassen, Antonello. Ich weiß, wie unwohl Du Dich unter Deinesgleichen fühlst, wie sehr Du unter der menschlichen Gesellschaft leidest, auch wenn er Ausnahmen wie René gibt“, sagte Blazestorm bestimmt.
„Verdammt nochmal, Du dummes Vieh! Du gehörst in Deine Welt zurück, doch dort brauchst Du mich nicht. Du wirst eine andere Drachin als Gefährtin finden und kannst mit ihr eine neue Familie gründen. Ich hingegen würde dort immer einsam sein und ein Fremder bleiben. Auch in Gesellschaft von Euch Drachen. Jetzt geh endlich!“ rief Antonello.

„Habt Ihr ‘nen Klopfer? Streitet vielleicht noch ein bisschen lauter! Ihr führt sie direkt zu uns her! Entweder Ihr geht jetzt oder sie haben Euch am Arsch. Blazestorm, schnapp Dir Deinen Freund und nimm ihn einfach mit. Mach schnell!“ beschwor René seine Freunde und mit beiden Händen begann er, diesen Punkt zu strecken und zu dehnen, Funken stieben um den Übergang herum.
„Aber...“, wandte Antonello ein.

Niemand sollte jemals erfahren, was er gerade sagen wollte.

Auf einmal war der Platz taghell erleuchtet und eine Gruppe schwer bewaffneter Soldaten trat aus der Dunkelheit, ihre Automatikwaffen hatten sie auf Antonello und René gerichtet. Zwei Soldaten hielten je mit einem großen, eigenartig geformten Gerät, das irgendwie an einen Dreizack erinnerte, den Drachen in Schach.
„Keiner bewegt sich auch nur einen Millimeter!“ brüllte der Kommandant und gab einen Warnschuss in die Luft ab.
„Und Du, Drache, wenn Du auch nur mit Deiner Schwanzspitze zuckst, werden Deine Menschenfreunde sterben! Wir wollen nur Dich.“
„Lauf, Blazestorm, lauf!“
Antonello war sich nicht sicher, ob er es war, der diese Worte geschrieen hatte, oder René.
Er dachte an die erste Begegnung mit der Armee vor einigen Wochen - Gott, das schien eine Ewigkeit her. Damals waren die Soldaten unvorbereitet gewesen und der Anblick des Drachens hatte sie gelähmt. Aber diesmal kamen sie gerade wegen des Drachens und waren daher entsprechend vorbereitet.
Bevor Antonello auch nur mit der Wimper zucken konnte, packten ihn zwei Soldaten und hielten ihn im Polizeigriff.
„Blazestorm! Pass auf! Hau ab, kümmere Dich nicht um uns...“
Renés Worte gingen in einem surrenden Geräusch unter und nahezu im selben Augenblick wurde aus dem furchteinflößenden Drachengebrüll ein ersticktes Wimmern. Einer der Männer hatte die Dreizackwaffe betätigt und nun war der Drache in einer Art Netz gefangen.
„Versuch erst gar nicht, das Netz zu zerreißen, Drache. Selbst für einen Drachen ist es unzerstörbar und auch Dein Feuer durchdringt seine Maschen nicht. Es ist drachensicher. Unsere amerikanischen Kameraden der Area51 sind Profis, weißt Du?“ lächelte der Kommandant.
„Beck!“ rief René aus.
„Ich hätte es wissen müssen. Was wollen Sie mit dem Drachen?“
Drohend näherte sich der Leutnant René.
„Können Sie sich das nicht denken? Ein Wesen, das es eigentlich außer in den Köpfen von einigen Märchenerzählern nicht geben dürfte, kommt zu uns auf diesen Planeten. Was für ein unermesslicher Schatz für die Wissenschaft.“
Er wandte sich an Antonello: „Und Sie, Varini, werden mir alles über Ihre erste Begegnung mit dem Drachen erzählen. Wo kommt er her?“
Antonello schüttelte den Kopf.
„Lecken Sie mich doch!“
„Falsche Antwort, Freundchen!“ erwiderte der Leutnant ruhig und einer der Soldaten rammte brutal den Gewehrkolben in Antonellos Magen.
„So weit ich weiß, haben Sie keinen Dienst an der Waffe geleistet.“
Obwohl der Leutnant versuchte, möglichst unbeteiligt zu klingen, war die Verachtung, die in dieser Feststellung lag, unüberhörbar.
Antonello biss sich auf die Lippen.
Lass dich nicht provozieren.
In der Tat hatte er keinen Wehrdienst im Bundesheer geleistet, für einen braven Schweizer Staatsbürger nahezu undenkbar. Aber auch wenn man es tatsächlich irgendwie schaffte, nicht einrücken zu müssen, brachte das für den Kriegsdienstverweigerer meist massive Nachteile im späteren zivilen Leben mit sich. Viele Unternehmer weigerten sich schlichtweg, solche in ihren Augen Fahnenflüchtigen zu beschäftigen.  
„Das ist bedauerlich, Varini“, fuhr Leutnant Beck fort, „denn da hätten Sie gelernt, Dienstgrade zu respektieren. So können Sie vielleicht mit dem Pressefritzen sprechen, aber nicht mit mir, einen Repräsentanten der Eidgenossenschaft. Daher werde ich nun meine Frage wiederholen, Varini: Wie ist dieser Drache zu uns gekommen und wie haben sie mit ihm kommunizieren können?“
„Lecken Sie mich, äh… General, Sir.“
„Ich denke, Ihnen ist der Ernst Ihrer Lage nicht bewusst. Aber ich bin mir sicher, dass wir Mittel und Wege finden werden, Sie dazu zu bewegen, mir erstens den erforderlichen Respekt zu erweisen und zweitens - ...“, ein weiterer Kolbenstoß in Antonellos Brust „... - werden Sie meine Fragen beantworten.“

„Beck! Sie Bastard! Ich werde an die Öffentlichkeit bringen, was Sie hier veranstalten. Wie sie Zivilisten unter Druck setzen und  misshandeln. Haben Sie mit ähnlichen Methoden auch die Geheimnisse um den Lötschberg gelüftet?“ fuhr René dazwischen.
„Ich weiß über Sie Bescheid, Leutnant! Sie haben diese Übergänge in andere Dimensionen entdeckt. Sie taten alles, um diese Entdeckung geheim zu halten. Sie haben das Gefahrenpotential dieser Dimensionspünktchen erkannt. Aber die Bevölkerung wurde nicht informiert, geschweige denn gewarnt. Und nun breiten sich diese Punkte überall aus! Oh ja! Ich weiß alles über diese Bridge To Paradise-Akte. Ich habe mit Dr. Massikoff gesprochen. Ich weiß genau, was mit den Zügen im Tunnel passiert ist.“
„Ach, wirklich?“ lächelte der Leutnant.
„Dann können Sie sich ja sicherlich auch denken, warum wir unsere Entdeckung geheim gehalten haben. Wir wollten verhindern, dass solche neugierigen Idioten wie Sie die Übergänge aktivieren. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was alles passieren kann?“
Der Kommandant zeigte auf den Drachen, der vergebens in wilder Raserei versuchte, sich von dem Netz zu befreien.
„Da, der Drache. Er ist schon über diese Paradiesbrücke in unsere Dimension gewechselt. Wissen Sie, was das heißt? Heute gelangt ein Drache in unsere Welt. Und was folgt als nächstes? Ein neuer Godzilla? Ein alles versteinernder Basilisk? Sie Trottel! Glauben Sie wirklich, dass wir die Zivilbevölkerung einer solchen Gefahr aussetzen? Diese Punkte, wie Sie diese Brücken nennen, wir bezeichnen sie als Wurmlöcher, gibt es derzeit nur hier in dieser Gegend. Wir haben sie vollständig unter Kontrolle. Ich versichere Ihnen, nichts und niemand wird jemals wieder in unsere Dimension wechseln. Und das einzige Wesen, das es durch das Wurmloch geschafft hat, nun, das wird bald wieder ein reines Fabelwesen sein, wie es eigentlich schon vorher immer eines gewesen ist. Ein lustiger Zufall, ein Wurm ist ein Wurmloch geraten.“

Antonello versuchte, sich aus dem eisernen Griff der Soldaten, die ihn immer noch festhielten, zu befreien. Schmerzen benebelten seine Sinne und er war kaum in der Lage, dem Streit zwischen dem Leutnant und dem Reporter zu folgen. Er blickte zu dem Drachen hinüber und der Anblick schnürte ihm die Kehle zu: Sein majestätischer Freund, einst so mächtig und furchteinflößend, war hilflos in einem Netz gefangen, dessen Material Antonello völlig unbekannt war.

„Nein! Diesmal wird die Öffentlichkeit die Wahrheit darüber erfahren, wie die Züge verschwunden sind und man wird über die Wurmlöcher und deren Potential lesen!“
Renés Aufbegehren löste Antonellos Blick vom Drachen.
Der Leutnant lächelte kalt: „Das glaube ich allerdings nicht, Perrier.“
„Neeiiin! René!“
Antonellos Schrei verhallte in der Nacht, als Renés lebloser Körper rückwärts zu Boden fiel.
Leutnant Beck schob seine Dienstwaffe zurück in das Halfter und wandte sich an Antonello.
„Ein bedauerlicher Kolateralschaden, wie es so schön heißt. Nun, wo waren wir stehen geblieben, mein Freund?“

Renés Tod und auch der Anblick des gefangenen Drachens setzten ungeahnte Kraftreserven in Antonello frei.
Er überwältigte seine völlig überraschten Wächter und in einer fließenden Bewegung sprang er auf den Drachen zu in dem Versuch, seinen Freund zu befreien. Er wollte gerade eine Ecke des schweren Netzes anheben, da durchschlugen schon mehrere Kugeln seine Schulter, seine Oberschenkel und auch seinen Bauch.
Antonello schrie auf vor Schmerz und brach bewusstlos zusammen.
Der Drache brüllte auf in rasendem Zorn und im tiefen Schmerz um seinen Freund.
„Feuer einstellen! Idioten! Ich brauche ihn lebend!“
Leutnant Beck fühlte Antonellos Puls.
„Er lebt noch. Sie!“
Er zeigte auf einen Soldaten in seiner Nähe.
„Sie rufen den Sanitätswagen. Sie beide werden als Wachen bei ihm bleiben. Und Sie, Sie werden den Drachen ruhig stellen und ihn zum Flughafen bringen. Unsere amerikanischen Freunde werden sich sicher über das kleine Präsent aus der Schweiz freuen. Wir könnten ja noch einige Tafeln Schokolade dazu packen.“

Die vier zu dieser Aufgabe abgestellten Soldaten näherten sich dem Drachen.
Gebrochen durch den Verlust seines Freundes verebbte seine Raserei. Die Drachenaugen schimmerten feucht und er bebte am ganzen Körper.
„Antonello. Mein geliebter Freund Antonello, ich habe Dich geliebt und ich werde Dich immer lieben. Du wirst für immer in meinem Herzen sein.“
Der Drache schluckte schwer.
„Ich hab’s Dir doch gesagt, mein Freund. Ohne Dich werde ich nicht in meine Dimension zurückgehen. Ich bleibe bei Dir, für immer.“

Der Drache schloss seine Augen und ignorierte die Injektionen, die ihm die Soldaten in seinen Körper jagten.

***


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 19.August.2007, 07:56:42
Stimmen drangen in sein Bewusstsein und um ihn herum war alles in grelles Licht getaucht. Er war nicht in der Lage, seine Augen zu öffnen, dennoch wusste Antonello genau, wo er sich befand. Zwei Soldaten saßen als Wache an seiner Seite, während der Krankenwagen auf dem Weg zum Militärkrankenhaus am Stadtrand von Genf war.
„Was werden sie mit dem Drachen tun?“ fragte einer der Soldaten.
„Keine Ahnung. Angeblich bringen sie ihn in die Staaten, zur Area51. Werden dort wohl die entsprechenden Labors haben.“
„Labor? Aber warum?“
„Mann, bist Du wirklich so naiv? Sie werden einige Experimente mit ihm anstellen, schätze ich mal.“
„Das ist mir schon klar. Aber ich frage mich halt nur, warum?“
„Jetzt mach Dir nicht ins Hemd. Ist doch nicht unser Bier.“
„Naja, es ist nur... er ist so ein prächtiges Geschöpf. Hast Du sein Gesicht gesehen? Das ist nicht das Gesicht einer Bestie. Es ist das Gesicht eines empfindenden Wesens...“
„Hey Mann, was ist eigentlich los mit Dir? Ist doch nur ein Reptil.“
„Wie lange, glaubst Du, wird er durchhalten?“
„Woher soll ich das wissen? Interessiert mich auch nicht sonderlich. Vielleicht fünf Tage. Sie werden wohl recht vorsichtig sein, verstehst Du? Sie werden alles tun, damit er nicht zu früh abkratzt, damit sie in der Zeit möglichst viel rausfinden. Vielleicht wird er die Experimente auch sechs Tage überleben? Wer weiß schon, was so ein Vieh aushält?“
„Fünf Tage lang quälen. Das ist doch barbarisch!“
„Ehrlich, ich versteh Dich nicht. Das ist doch nur ein Drache, ein Ungeheuer. Ein Ding, das nie existiert hat und nie wieder existieren wird. Nur ein Drache“, lachte der Soldat und Antonello umfing eine gnädige Dunkelheit...


E N D E


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Ariguseli am 19.August.2007, 22:53:31
Starke und fesselnde Geschichte  :D ... für Drachen auch etwas schmerzhaft  :-?

...die Geschichte um Blazestorm herum  :) ... aus deiner Sonderedition is auch Klasse ... und starke Bilder ... und der Schmerz über das Ende is' da nicht so schlimm
... gibt’s davon auch mal ’ne Fortsetzung? ...  :-?


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 24.August.2007, 17:38:13
Freut mich, dass Euch gefallen hat.

Leider muß ich aber sagen, daß ich derzeit definitv keine Fortsetzung plane von dieser Geschichte (bzw. von dem Buch). Ich bin der Meinung, daß das das Ganze irgendwo zerstören würde...

Lieeb Grüße
Euer Greldon


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Tuuli am 24.August.2007, 20:59:37
waaaaaaaaaaas??? ende?? :(  :(  :(


Titel: Schützenhilfe für Wettbewerb im Drachental
Beitrag von: Greldon am 19.März.2008, 20:06:32
Es ist soweit!
Derzeit schreibe ich noch ein von den Verlagen und Literaturmaklern gefordertes Exposé und dann geht die finale Buchversion von Blazestorm (die paar verkauften Exemplare waren ja nur eine speziell für die DDC zum Teil inhaltlich veränderte Sonderausgabe) an verschiedene mögliche Verlage und den Makler.
Hier: http://www.drachental.de/plaessig.htm
findet Ihr nebst anderen von mir veröffentlichten Geschichten die voranstehende Blazestorm- Kurzfassung.
Ich denke mal, so eine silberne oder gar goldene Medaille könnte da als "Bewerbungsunterlage" ganz hilfreich sein, daher würde ich Euch, oder zumindest diejenigen, die meine Geschichten schätzen und mögen, um Schützenhilfe bitten, nämlich beim Wettbewerb um den Drachentaler für Blazestorm zu voten.

Nähere Infos zu dem Wettbewerb findet Ihr da:
http://www.drachental.de/dtaler_i.htm

Da das Votingprocedere aber recht kompliziert ist und auch andere Geschichten von anderen Autoren mitbepunktet werden sollen, könnt Ihr Euch per PM an mich weden zwecks Unterstützung ;-)

Ich würde Euch nur bitten, sehr bald abzustimmen, die Stimmabgabe ist nur bis spätestens 21. April 2008 möglich.

Euer Greldon


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Auruliyuth am 30.April.2008, 21:07:57
Zitat von: "www.drachental.de"
Gewann den Drachentaler in Gold 2008!


Herzlichen Glückwunsch
und natürlich auch für deinen Silbernen Drachentaler :)

feurige Grüße
Auru


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Ariguseli am 30.April.2008, 21:29:35
mein Glückwunsch ^,.'.,^


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Greldon am 01.Mai.2008, 08:48:10
Vielen Dank Euch *knuddel* und jenen, die für mich gevotet haben.
Das Buch selbst liegt derzeit bei einem Literaturmakler, der wollte mir nach Pfingsten Bescheid geben, ob ich damit Chancen habe bei einem "professionellen" Verlag.


Titel: Blazestorm
Beitrag von: Selyroth am 01.Mai.2008, 16:14:55
Von mir noch nachträglich Glückwunsch.
Ich hab leider diese Geschichte noch nicht gelesen, da ich nie wirklich zeit und lust gefunden hatte, aber bei den anderen geschichten die gelesen habe, weiß ich, das du gut bist.^^"

Wünsch dir viel Erfolg dabei. :)

dGadF Selyroth